So könnte man die 125-jährige Entwicklungsgeschichte der Flensburger Stadtwerke bezeichnen. Visionär, wagemutig, vorausschauend. Eigenschaften, die wir uns von öffentlichen Institutionen wünschen. Doch Kühnheit birgt Risiken, kann zur Tollkühnheit werden. In der Summe jedoch, da sind sich Bürger und Verantwortliche einig, wurde der Wagemut der Stadtwerkeleitungen belohnt. In den letzten Jahrzehnten, das darf nicht verschwiegen werden, gab es Fehl-
entscheidungen, Fehlinvestitionen in riskante Zukäufe und Tochterfirmen, die dem Unternehmen geschadet haben. Darunter kann man jetzt einen Schlussstrich ziehen. Die Stadtwerke stehen ökonomisch wie ökologisch gut da, auch dank einem „Händchen“ für kommende Entwicklungen.
Das begann schon in der Gründungsphase 1854 mit einer zentralen Gasversorgung für die Stadt.

Vom Gas kommen sie, zum Gas kehren sie zurück

Zuweilen bedeutet ein ‚Zurück‘ Fortschritt. Energie aus Gas war in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine evolutionäre Wende. Der blakenden Petroleumlampe (Öl!) folgte eine vergleichsweise saubere Energieumsetzung. Die ersten Gaslampen beleuchteten die Flensburger Gassen, Gaslampen brachten Licht in die Haushalte und Handwerksbetriebe, machten ‚die Nacht zum Tage‘. In der Folge wurde der wachsende Energiehunger durch die Inbetriebnahme von Kohlekraftwerken gestillt. Eine aus heutiger Sicht unglückliche Entwicklung. Staub und Abgase verschmutzten die Umwelt, mussten schließlich aufwändig herausgefiltert werden und liefen der Erzeugung erneuerbarer Energien zuwider.
Jetzt kehrt man zu Gas, diesmal Erdgas, zurück. Zumindest so lange, bis Wind, Sonne und Wasserkraft Grund- und Spitzenbedarf decken werden.

Die Energiewende

Die Energiewende, von der heute gesprochen wird, hat Vorgänger. Mehrfach in der Geschichte der Stadtwerke wurden richtungsweisende Entscheidungen getroffen, die bis heute nachwirken. Die vielleicht nachhaltigste war 1969 der Beginn der Fernwärmeversorgung. Heute werden nahezu alle Haushalte Flensburgs mit Wärme versorgt, die nicht selbst erzeugt werden muss. Keine Öl- oder Gastanks in Keller oder Garten, keine pflegeintensiven Heizungsanlagen im eigenen Haus, keine Ver- oder Entsorgungsprobleme mit einem umweltschädlichen ‚Kraft“-stoff. Was für Wasser und Strom bundesweit selbstverständlich ist, war für die Wärme eine revolutionäre Entwicklung. In nur zwei Jahren wurde das ehemalige Kraftwerk in ein Heizkraftwerk umgerüstet. Natürlich wurde parallel dort weiterhin Strom erzeugt.

Vom Hersteller zum Händler

Ein weiterer, aus ökonomischer Sicht erfolgreicher Schritt war seit 1999 das deutschlandweite Stromangebot der Stadtwerke unter dem Markennamen ‚Xtra‘. Das hatte mit der eigenen Stromerzeugung vermeintlich nichts zu tun. Hierbei wird mit Strom gehandelt, der von der Strombörse gekauft und an beliebige Kunden verkauft wird, ein reiner Handelsvorgang.
Wir fragten Unternehmenssprecher Peer Holdensen und Geschäftsführer Maik Render nach den Gründen für die damalige Entscheidung.
Stadtwerke allgemein haben gegenüber privaten Anbietern gleich mehrere Vorteile:
Sie haben einen bestehenden Kundenstamm
Sie sind dank kommunaler Absicherung (kaum) anfällig für Insolvenz
Sie können daher mit einen Vertrauensvorschuss rechnen
Sie haben Personal, das mit dem Strommarkt und den damit verbundenen Vertragsabwicklungen vertraut ist.
Die Stadtwerke können ihren Kunden einen persönlichen Service bieten, keine anonyme Online-Plattform mit Beratern, die nicht oder nur schwer zugänglich sind.
800 Stadtwerke und 200 überregionale private Anbieter teilen sich den umkämpften Markt, einige mit riskanten Geschäftsmodellen. So mancher Verbraucher ist in den vergangenen Jahren reumütig zu ‚seinem‘ Stadtwerk zurückgekehrt, nachdem er einen Vertrag für vermeintlich billigen Strom abgeschlossen hatte und nach kurzer Zeit sprichwörtlich in die (dunkle) Röhre guckte.
200.000 Kunden deutschlandweit beziehen inzwischen, vertraglich versteht sich, Strom aus Flensburg, über 80% außerhalb der Stadt. Die Rechnung ging also auf.

Weg von A und K, Atom und Kohle

Trotzdem bleibt das Kerngeschäft die Strom- und Wärmeerzeugung für die Region. Die Abkehr vom Atomstrom war eine politische Entscheidung, das ‚Weg von der Kohle‘ eigentlich auch, aber mit einer Zielvorstellung, die in weiter Ferne liegt (2035). Die Stadtwerke warten nicht ab, bis der Druck von oben kommt, sondern investieren vorausschauend in Alternativen, zunächst in Gas. 2016 wurden zwei alte Kohlekessel durch eine Gas- und Dampfturbinenanlage, den inzwischen bekannt gewordenen ‚Kessel 12‘ ersetzt. Zugegeben, es gab auch technischen Erneuerungsbedarf. Anders der nun geplante ‚Kessel 13‘. Der hätte, so Peer Holdensen, noch in Betrieb bleiben können.
Im Hintergrund der Entscheidung lag auch der ‚Klimapakt Flensburg‘, an dem die Stadtwerke maßgeblich beteiligt sind. Flensburger Unternehmen haben sich ein hohes Ziel gesetzt. Bis 2050 soll die Stadt Co2 neutral sein. Das bedeutet, dass die Verwendung eines Brennstoffs oder auch eine menschliche Aktivität (z. B. ein Flug oder eine Veranstaltung) keinen Einfluss auf die Kohlendioxid-Konzentration der Atmosphäre hat und insofern nicht klimaschädlich ist. Das bedeutet nicht, dass überhaupt keine Brennstoffe verfeuert werden dürfen. Nachwachsende Energieträger sind klimaneutral, weil sie das freiwerdende CO2 bei ihrem Wachstum aus der Atmosphäre gebunden haben und bei der Verbrennung wieder freisetzen, ein Nullsummenspiel. Anders bei fossilen Brennstoffen. Auch sie haben, allerdings vor Millionen Jahren, CO2 gebunden. Durch den langen Zeitraum kann man aber nicht mehr von einem neutralen Kreislauf sprechen. Das heute erzeugte Kohlendioxid schädigt die Atmosphäre und ist mit eine Ursache für die Erderwärmung.
Ideal jedoch wäre die reine Verwendung von Wind, Wasser, und Sonne. Noch weitgehend Zukunftsmusik. Der unregelmäßig erzeugte Strom kann (noch) nicht ausreichend gespeichert werden. Die Verantwortlichen der Stadtwerke wissen das, denken jedoch schon jetzt darüber nach, wie der anfallende Öko-Strom sinnvoll genutzt werden kann. Noch ist die Technik für eine umfassende Nutzung nach heutigen Maßstäben nicht so weit. Bis 2050 müssen sich Techniker und Politiker noch etwas einfallen lassen, um das hochgesteckte Ziel der Co2-Neutralität zu erreichen. Bis dahin also Zwischenlösungen wie der ‚Kessel 13‘, der in drei Jahren Strom und Wärme liefern soll. Mit der neuen Anlage kann der Co2-Ausstoß um 40% gesenkt werden, so die Stadtwerke. Damit wird auch der letzte der einst 4 Kohlekessel abgebaut werden. Was nach Erdgas kommen wird, ist aus heutiger Sicht der Stadtwerke noch offen. Spekuliert wird über Bio- Methan und Wasserstoff. Doch noch stecken verwertbare Entwicklungen in den Kinderschuhen, sind noch nicht marktreif.
Selbst heute kann nicht der gesamte Strombedarf der Stadt aus dem eigenen Kraftwerk gedeckt werden. Insbesondere im Winter muss Strom an der Strombörse zugekauft werden. Und der kommt irgendwo her, also auch aus Kohle- oder Atomkraftwerken im Ausland. Ob der Strom dann gelb, grün oder schwarz ist, spielt an der heimischen Steckdose keine Rolle. Es handelt sich dabei lediglich um vertragliche Vereinbarungen für die Einspeisung ins Netz. Peer Holdensen stellt auch die Frage: „Was geschieht im Ausland, wenn wir hier Atom- und Kohlekraftwerke niederlegen? Fahren andere Länder ihre fossile und Atomstromproduktion möglicherweise hoch?“
Maik Render sieht die Entwicklung kritisch. Die hochgefahrene Empfehlung E-Autos zu kaufen, ist für ihn der falsche erste Schritt. Solange der Strom noch vorrangig aus Braunkohlekraftwerken stammt, ist E-Mobilität eine Mogelpackung. „Die Reihenfolge stimmt nicht“, sagt er. „Das Geld, das in die Entwicklung und Förderung von E-Autos gesteckt wird, sollte in den schnelleren Abbau der Kohlekraft investiert werden.“ „Die Technik ist in der Lage, die Energieumstellung zu leisten. Es sind die finanziellen Rahmenbedingungen, die das verhindern.“ Die Angst vor Preiserhöhungen beim Strom sei unbegründet, meint der Stadtwerke-Geschäftsführer. „Trotz der Umstellung haben wir in den letzten fünf Jahren einmal den Strompreis erhöht, aber dreimal auch gesenkt.“

Weg vom Kupfer hin zum Glas

Die Flensburger Stadtwerke haben das Privileg, ein bereits vorhandenes Röhrennetz unter der Straße nicht nur für Strom- und Wärmeversorgung nutzen zu können, sondern auch für den Ausbau des Glasfasernetzes. Während sich andere Städte wegen der hohen, nichtsubventionierten Kosten mit geringer Leistung zufriedengeben, schicken die Flensburger die Daten zukünftig mit 100 MBit in so gut wie alle Haushalte. Man muss kein Zukunftsforscher sein, um schon heute zu ahnen, welche Möglichkeiten, auch Notwendigkeiten in der Kommunikationstechnik liegen. Nicht nur für den privaten Gebrauch, mehr noch für die Anbindung häuslicher Arbeitsplätze (Home Office) werden schnelle Leitungen gebraucht. Ein herausragender Standortvorteil für Flensburger Betriebe.
Für den Kunden hat die Flensburger Struktur, so Geschäftsführer Render, den Vorteil, dass das Netz in einer, der städtischen Hand ist. Davon bleibt unbenommen, von welchem Anbieter man welche Datenleistungen erhält. Das ist ähnlich wie beim Strom. Das Netz in öffentlicher Hand, die Stromlieferverträge frei verhandelbar.
Monopole stehen unter dem Verdacht ihre Macht zu missbrauchen. Die Stadtwerke besitzen bei der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, Strom, Wasser, Wärme und Kommunikation tatsächlich ein Monopol. Zum Unterschied jedoch zu privatwirtschaftlichen Monopolisten, handeln die Stadtwerke unter politischer, damit der Kontrolle der Bürger. „Im weitesten Sinne“, so Geschäftsführer Maik Render, „sind wir eine Genossenschaft, ein Gemeinschaftsunternehmen aller Flensburger.“

Jubel – Jubiläum

Ein wenig stolz sind die Stadtwerke auf ihre Stadt und sich selbst. In diesem Jahr wird das 125-jährige Bestehen gefeiert. Wie es sich für ein gemeinnütziges Unternehmen gehört, mit allen Beteiligten aus Flensburg und der Region.
In den neu gestalteten Ausstellungsräumen in der Batteriestraße werden Exponate aus der Geschichte des Hauses präsentiert, von der Bottichwaschmaschine bis zum wandfüllenden Schaltschrank.
Am 14. September 2019 von 11:00 bis 17:00 Uhr laden die Stadtwerke alle Interessierten zu einem Tag der offenen Tür ein. Ein kleiner Vorgeschmack auf das Programm:

  • Kraftwerksführungen mit einmaliger Besichtigung des Kessels von innen und Besuch der Zählerwerkstatt
  • Rundgänge durch das neue Stadtwerke Zeitwerk
  • Vorstellung des Klimapaktes
  • Kinderbetreuung mit Spielen, Kinderschminken und mehr
  • Show-Programm mit u. a. Policia do Samba
  • Testfahrten mit E-Bikes, E-Lastenrädern, E-Rollern, E-Mobilen und Segways
  • LAN-Party mit blitzschneller Glasfaseranbindung
  • Autogrammstunde mit den Stars der SG (wenn der Spielplan es zulässt)
  • Energieberatungen
  • alle Infos zum neuen Großprojekt Kessel 13
  • Informationen zum Klimapakt Flensburg
  • NEW 4.O Roadshow zur Energie der Zukunft mit Augmented-Reality­-Bildschirmen
  • Leckeres vom Food-Truck und im Stadtwerke-Café


Bericht: Dieter Wilhelmy, Fotos: Nolte, Archiv Stadtwerke

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