Präzise Eleganz im Wasser

Für Lilith Schwedler und Fenja Jessen ist das Campusbad so etwas wie ihr zweites Zuhause. Die beiden 19 und 21 Jahre alten jungen Frauen verbringen mindestens fünf Tage pro Woche im Wasser und das bereits seit vielen Jahren. Sie sind Synchronschwimmerinnen und körperlich wie mental forderndes Training gehört für die beiden Frauen zu ihrem Alltag. Diese in weiten Teilen recht unbekannte Sportart gehört seit Jahrzehnten zum Angebot des TSB Flensburg. Kein Breitensport, eher eine Nische. Trainiert werden die Schwimmerinnen, die „Fördenixen“ unter anderem von Petra Obermark. Sie selbst hat ihrerseits ihre Jugend im Wasser verbracht, sich voll und ganz dem Schwimmsport und insbesondere dem Synchronschwimmen verschrieben. Nach ihrer aktiven Laufbahn mit unzähligen nationalen und internationalen Erfolgen wechselte sie ins Trainerteam.  

Der Erfolg gibt dem Verein seit Jahren Recht. Trotz hoher eigener Kosten und dank Sponsoren versuchen die Verantwortlichen vom TSB ihren Schwimmerinnen seit Jahrzehnten konkurrenzfähige Trainingsbedingungen zu ermöglichen. „Man braucht unheimlich viel Geduld, sehr viel Training und auch finanzielle Mittel“, erklärt Petra Obermark. „Bevor im Wasser trainiert wird müssen die Schwimmerinnen viele technische Komponenten lernen und verinnerlichen.“ Im Wasser gleiten sie wie Nixen, perfekt synchron und in harmonischer Eleganz. Doch bis es soweit ist, legen die Mädels vom TSB einen langen, teils steinigen und vor allem anstrengenden Weg zurück. „Schwimmen, schwimmen, schwimmen, das ist ein elementarer Bestandteil des Trainings“, so Obermark. „Verschiedene Schwimmstile beherrschen ist eine Grundvoraussetzung um konkurrenzfähig zu sein, ebenso der Faktor Ausdauer.“ 

Lilith Schwedler und Fenja Jessen Synchronschwimmerinnen

Sich im Wasser fortbewegen zu können, über, wie auch unter der Wasseroberfläche und das präzise, erst dann folgen die technischen Komponenten der Kür. „Um bei uns anfangen zu können braucht man mindestens Bronze (Beherrschen der Schwimm­arten Brust und Rücken)“, erklärt die Trainerin, „das Gefühl für das Wasser sollte man bereits mitbringen, ansonsten dauert es deutlich länger ein gewisses Level zu erreichen um auch an Wettkämpfen teilnehmen zu können.“ Durchhaltevermögen ist gefragt. Bei nahezu allen Schwimmsportarten braucht es mitunter Zeit um Fortschritte zu machen. Auch das Synchronschwimmen ist äußerst trainingsintensiv. „Stupides Lernen von Technik, so könnte man einen großen Teil des Trainings umschreiben.“ Kraft und Ausdauer spielen zudem eine zentrale Rolle bei dieser Sportart. Synchronschwimmen ist eine einzigartige Kombination aus sportlicher Leistung und künstlerischem Ausdruck. Die Athletinnen müssen sowohl körperlich fit sein als auch technisches Können in verschiedenen Disziplinen wie Schwimmen, Tauchen, Tanz und Akrobatik beherrschen. Die Choreographien werden im Wasser durchgeführt und erfordern präzise Bewegungen, perfekte Synchronisation und ein hohes Maß an körperlicher Kontrolle. Längere Zeit unter Wasser die Luft anhalten zu können, ist ebenfalls wichtiger Bestandteil dieser Wassersportart.

Teamarbeit und Synchronisation

Eine der herausragenden Eigenschaften des Synchronschwimmens ist die Teamarbeit und die Notwendigkeit einer perfekten Synchronisation. In den meisten Disziplinen des Synchronschwimmens treten Athletinnen als Duos oder in Gruppen von bis zu acht Personen auf. Die Bewegungen müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein, um eine harmonische Gesamtdarbietung zu gewährleisten. „Wir trainieren bis zu sechs Mal die Woche“, so Obermark. „Die Anfänger fangen dabei langsam an, schwimmen einmal die Woche und steigern sich langsam.“ Profis wie Lilith Schwedler und Fenja Jessen hingegen trainieren nahezu täglich. Im Wasser, aber auch außerhalb. Neben dem Wassertraining gehört auch Athletik- und Gymnastiktraining dazu. Hinzu kommen Trainingslager vor den großen Wettkämpfen. Diese finden unter anderem in der Landessportschule Malente statt, dort steht den Flensburger Synchronschwimmerinnen dann deutlich mehr Wasserzeit zur Verfügung, als es im Campusbad möglich wäre. Synchronschwimmen ist ein Mannschaftssport. Besonders in den Gruppenwettkämpfen. Bis zu acht Schwimmerinnen müssen sich dann perfekt aufeinander abstimmen, trotz teilweise deutlicher Größenunterschiede. „Gerade wenn wir eine neue Kür aufbauen, dann ist es wichtig, dass wir alle zusammen haben“, erklärt Obermark. „Wenn dann eine Schwimmerin fehlt, kann die ganze Gruppe nicht trainieren.“ Alle Schwimmerinnen einer Gruppe müssen letztlich das gleiche Niveau haben. Fünf Trainer, alles ehemalige Schwimmerinnen beschäftigen sich alleine beim TSB mit dem Synchronschwimmen. Hinzu kommen ehemalige Schwimmerinnen, die aushelfen und unterstützen.

Nationale und internationale Wettkämpfe

Aktuell trainieren beim TSB 48 Mädchen und junge Frauen aller Altersgruppen. „Die jüngste in unseren Reihen ist gerade einmal acht Jahre alt und die älteste knapp 22“, erklärt Obermark. „Richtig gut wirst du eigentlich erst mit Mitte 20, aber dies ist auch ein Alter, in dem es viele zum Studieren oder für eine Ausbildung von hier wegzieht.“ Im internationalen Vergleich sind viele Athletinnen auch noch mit Mitte 30 dabei und nehmen aktiv an Wettkämpfen teil. „Wenn sie gut schwimmen können und mindestens Bronze haben, dann können die Kinder auch schon mit sieben oder acht Jahren zu uns kommen“, so Obermark. „Bei den norddeutschen Meisterschaften kann man dieses Jahr erstmals schon mit zehn Jahren starten, bei den deutschen beginnt es ab zwölf Jahren.“ Das Ziel beim TSB ist grundsätzlich die Teilnahme an Wettkämpfen. Das leistungsorientierte Training steht im Vordergrund. „Nur die hartnäckigsten und ausdauernden Sportlerinnen bleiben übrig und werden erfolgreich“, fasst es Obermark zusammen. Bereits in den 90er Jahren standen Flensburger Schwimmerinnen bei den deutschen Meisterschaften regelmäßig ganz oben auf dem Treppchen. „Ab 2001 haben wir eigentlich jedes Jahr die Deutsche Meisterschaft gewonnen“, berichtet Obermark. „2017 folgte ein Umbruch in unserem Kader. Schwimmerinnen waren mit der Schule fertig, haben uns verlassen und wir haben angefangen neue Athletinnen aufzubauen.“ Seit einigen Monaten trainieren auch drei ukrainische Mädchen bei den Flensburger Schwimmerinnen. „Über Kontakte mit dem Ukrainischen und Deutschen Schwimmerverband sind ukrainische Sportlerinnen auch nach Flensburg gekommen und hier mit ihren Familien untergebracht. Wir haben glücklicherweise ein gutes Netzwerk. Am Anfang noch mit Hilfe einer Übersetzungs-App klappe auch die Kommunikation.“ 

Derzeit werden Wettkämpfe in vier Disziplinen ausgetragen: Solo, Duett, Gruppe (mit vier bis acht Teilnehmern) und die freie Kürkombination (Solo, Duett und Gruppe gemischt). „Neu hinzugekommen ist nun die Akrobatik Kür, die vorgeschriebene Elemente wie Sprünge oder Heber enthält. Grundsätzlich sind beim Synchronschwimmen mittlerweile auch Männer erlaubt. Seit 2015 dürfen sie bei internationalen Wettbewerben im Mixed-Duett antreten. „Im Team dürfen theoretisch auch bis zu zwei Männer mitschwimmen“, so Obermark, „allerdings haben wir bei uns im Verein derzeit keinen männlichen Athleten.“ Wie beim Eiskunstlaufen werden bei der Bewertung Punkte vergeben (0,1 – 10). Bewertet werden die Schwierigkeit der Darbietung, ihre technische Umsetzung (Synchronität, Sprunghöhe, Stabilität der Figuren) als auch der artistische bzw. künstlerische Wert der Kür. Bei der Synchronität kommt es sowohl auf die Synchronität zur Musik als auch auf die zwischen den einzelnen Athletinnen an. In der Technischen Kür müssen zudem vorgegebene Elemente ausgeführt werden. Nach einer Regeländerung müssen in der Freien Kür nun eine gewisse Anzahl an freiwählbaren Beinbewegungen und akrobatischen Hebungen/Sprüngen gezeigt werden.

Ausblick in die Zukunft

Corona hat dem Vereinssport in Deutschland flächendeckend einen großen Dämpfer verpasst. Auch am TSB ging diese Zeit nicht spurlos vorbei. „Bei uns durfte nur der Kader trainieren, alle anderen nicht“, so Obermark. „Wir merken jetzt, dass wir quasi zwei Jahre verloren haben, nicht nur im Hinblick auf den Trainingsrückstand, nein, wir haben auch Sportlerinnen verloren, die sich in der Zeit umorientiert haben.“ Zurück zu alter Stärke. Obermark und ihr Team setzen alles daran um die Flensburger Synchronschwimmerinnen wieder in die Erfolgs­spur zurückzuführen. Die Hoffnung, dass es auch in zehn Jahren noch Synchronschwimmen in Flensburg geben wird, treibt sie an. „Manchmal wünsche ich mir zudem etwas mehr Anerkennung für die Leistungen, die die Mädels hier bei uns vollbringen“, so Obermark. „Sie trainieren sehr hart, fahren in Trainingslager, quälen sich jeden Tag und müssen einen nicht unerheblichen Teil der entstehenden Kosten auch noch selbst tragen.“ Geld lässt sich mit dieser Sportart in Deutschland nicht verdienen. Die Kosten für Trainingslager, Ausrüstung und auch die Meldegebühren für die Wettkämpfe sind hingegen hoch. „Der Verein kann die Kosten längst nicht mehr alleine stemmen“, so Obermark, „möglich wird dies nur durch die großartige Unterstützung von Sponsoren und ein gewisses Maß an Eigenleistung durch unsere Schwimmerinnen.“ Alleine ein Kürbadeanzug liegt bei rund 150-200 Euro. Schwimmerinnen, die in den Disziplinen Duett, Solo und Gruppe teilnehmen, brauchen dann schon mal drei dieser Anzüge. „Was man hier bei uns lernt, dass ist nachhaltig, nicht nur für die Ausübung dieser Sportart“, so Obermark. „Disziplin, ein respektvoller Umgang miteinander und besonders auch die Teamfähigkeit: Das sind Grundlagen fürs Leben und den beruflichen Werdegang.“ Als durchaus noch ausbaufähig sehen die Trainerinnen des TSB die Trainingsbedingungen. Das große Schwimmbecken im Campusbad teilen sie sich mit diversen anderen Vereinen und Sparten. „Synchronschwimmen benötigt ziemlich viel Platz, meistens haben wir jedoch nur 2-3 Bahnen in der Halle zur Verfügung, das wird mitunter bereits eng.“

Man bekommt nichts geschenkt

Für Lilith Schwedler und Fenja Jessen ist das Synchronschwimmen mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. „Ich habe lange Ballett getanzt und nebenbei bin ich geschwommen“, so Schwedler, „diese Sportart ist nun die perfekte Kombination aus beidem.“ Trotz des harten und zeitintensiven Trainings kommt die 19-Jährige immer gerne zum Training. „Es ist nicht nur Gewohnheit, sondern einfach meine Leidenschaft, auch während des Abi-Stresses.“ Schwedler nahm bereits an Jugendeuropa- und Jugendweltmeisterschaften teil, gewann mehrere Titel, auch bei deutschen Meisterschaften. „Synchronschwimmen wird oft belächelt, in Richtung Aquafitness geschoben“, so Schwedler, „aber in Wahrheit steckt da viel, viel mehr dahinter, man muss wirklich hart arbeiten und bekommt nichts geschenkt.“ 

Fenja Jessen schwimmt bereits seit 13 Jahren. Hat in einem anderen Verein schwimmen gelernt und wechselte dann zu den Fördenixen des TSB Flensburg. „Streckenschwimmen wurde mir einfach zu langweilig, man fängt an Fliesen zu zählen“, so Jessen, „das Schwimmen einer Kür, das reizt mich jeden Tag aufs Neue.“ Fünf Mal die Woche trainiert die 21-jährige aktuell für Wettkämpfe. Noch lässt sich das zeitinvestive Training auch mit dem aufgenommenen Studium in Flensburg vereinbaren. Besonders stolz ist sie auf die Teilnehme an der Jugendeuropameisterschaft und vier deutsche Meistertitel in der offenen Klasse.  

Text und Fotos: Benjamin Nolte

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