„Schreiben als Brücke“ – die digitale Online-Trauerbegleitung des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes vom Katharinen Hospiz am Park in Flensburg.
Wer wir sind und was wir machen
„Schreiben als Brücke“ das ist ein Team aus acht ehrenamtlich tätigen jungen Erwachsenen (Peers) und zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen. Das Ziel ist es, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem eigenen Umgang mit Trauer, Tod und Abschiednehmen zu unterstützen, sie zu begleiten. Bereits seit 2019 gibt es die Online-Trauerbegleitung unter www.schreiben-als-bruecke.de und seit 2020 auch auf instagram.com/schreiben.als.bruecke.
Seit Januar 2021 ist die SG Flensburg-Handewitt Botschafter – Zusammen etwas bewirken
Die SG Flensburg-Handewitt möchte mit ihrem Namen und ihrem Engagement dazu beitragen, Menschen für die Bedürfnisse schwerstkranker und trauernder junger Menschen und deren Angehörigen zu sensibilisieren. Diese Gemeinschaft macht stark und hilft, Berührungsängste zu verlieren. Den Sportlern und Mitarbeiterinnen der SG ist es eine Herzensangelegenheit, Unterstützung zu geben und den Kindern und Jugendlichen Aufmerksamkeit zu schenken und schöne und glückliche Stunden zu bereiten. Der aktuellen Situation angemessen ist das erste gemeinsame Projekt die Förderung der Online-Trauer-Begleitung „Schreiben als Brücke“. Das Engagement der SG soll dabei helfen, diese Hilfsmöglichkeit noch bekannter zu machen und jungen Trauernden den Weg zum Team der Online-Trauerbegleitung zu erleichtern. Die SG nutzt ihre Bekanntheit und Social- Media-Reichweite, um noch mehr Sichtbarkeit zu schenken. So sind bereits zwei Videos entstanden (siehe instagram.com/schreiben.als.bruecke).
Was bewegt junge Menschen dazu, bei uns als ehrenamtliche Online Begleiterinnen mitzuarbeiten?
Das sagt Clara* (w, 21):
„Ich bin jetzt schon seit fast drei Jahren Teil des Schreiben-als-Brücke-Teams. Angefangen haben wir damals im Winter 2019, wobei ich mich zu dieser Zeit ganz bewusst in Richtung Hospiz orientiert habe. Ich war gerade nach Flensburg gezogen und wollte mich sozial engagieren. Mein Vater hatte mir von dem Hospiz erzählt, was direkt mein Interesse geweckt hat. Meine Motivation war der Wunsch, andere Menschen während ihrer schwierigen Lebensphasen zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, zurück ins Leben zu finden. Ich selbst habe auch schon Trauer erfahren und weiß, wie wichtig es ist, die Möglichkeit zu haben, sich jemandem anzuvertrauen. Es ist nicht selbstverständlich, dass jede*r ein Umfeld hat, in dem es möglich ist, sich auch mal fallen zu lassen. Ich möchte ein solches Umfeld schaffen. Auch heute treibt mich diese Motivation immer noch an. Das Online-Format finde ich dabei besonders wertvoll, da es eine andere Form der Nähe, aber eben auch Distanz ermöglicht. Wir können einen sicheren Ort für all jene schaffen, die sich von der Vertraulichkeit oder eben auch dem Konzept an sich angesprochen fühlen.“
Das Leben wieder spüren
Das Team möchte dabei helfen, dass die Jugendlichen wieder ihr Leben spüren und es voll leben, denn jeder einzelne ist wichtig in seiner Trauer. Daher wurde vom Team der Name „Schreiben als Brücke“ gewählt. Die Brücke zwischen Tod und Leben und zwischen einem Leben mit und einem Leben ohne den verstorbenen Menschen.
„Du bist richtig so, wie du bist,“ sagt das Team der Online-Trauerbegleitung einstimmig. Es kann helfen, in der Trauer und dem Verlust den eigenen Weg wieder zu finden. Das Team geht mit, während der oder die Begleitende den Weg und das Tempo bestimmt. Wichtig sind die Achtung und der Respekt voreinander. Jeder und jede wird so angenommen, wie er oder sie ist, mit allen Gefühlen, Gedanken und Handlungen. Es ist egal, welche Religion jemand hat, wie er oder sie lebt, wer und wie geliebt wird oder wie lange der Todesfall zurückliegt. Trauer ist ein überwältigendes Gefühl, das einen ohnmächtig und leidend zurücklassen kann. Die Peers und die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen von „Schreiben als Brücke“ glauben, dass jede/jeder die innere Stärke hat, die hilft, diese Krise zu überwinden und ins Leben zurückzufinden, denn jeder Jugendliche oder junge Erwachsene ist selbst die Expertin oder der Experte seines oder ihres Lebens!
Wie läuft eine Begleitung ab?
Die Trauerbegleiterinnen sind auf drei verschiedenen Wegen für Hilfesuchende da: über EMail, im Gruppenchat und im Einzelchat. Sandra Püschel von „Schreiben als Brücke“ erzählt, dass am Anfang immer der erste Schritt steht: eine Anmeldung auf dem Beratungsportal. „Dies geht anonym, sicher und kostet nichts. Direkt nach der Anmeldung können Nachrichten geschrieben werden, auf die wir uns innerhalb von 48 Stunden melden, um gemeinsam zu schauen, auf welchem Weg wir am besten unterstützen können. Die Entscheidung, in welcher Form oder wie intensiv die Begleitung erfolgen kann, liegt am Ende bei den Ratsuchenden“, so Sandra Püschel weiter. Über das Beratungsportal können Nachrichten und Antworten abgeholt oder an offenen Gruppen- und Einzelchats teilgenommen werden. Wer bereits eine persönliche Begleiterin oder einen Begleiter hat, kann mit ihr oder ihm zudem jederzeit Einzelchats vereinbaren.
Die Anfragen sind sehr unterschiedlich
Ben (m, 17), ist gerade nach Flensburg gezogen und beginnt eine Ausbildung zum Friseur. Ursprünglich kommt er aus einem kleinen Dorf in Angeln. Auf dem Rückweg von einer Grillparty hat sein bester Freund einen tödlichen Autounfall. Ben zieht sich in den Monaten nach dem Tod immer weiter aus der Familie und aus seinem Freundeskreis zurück, verbringt viel Zeit allein und reagiert wütend, wenn andere versuchen, ihn aufzumuntern. Er schafft es nicht mehr, zur Berufsschule zu gehen. Dort weiß niemand von seiner Trauer und er steht kurz davor, seinen Ausbildungsplatz zu verlieren. In Flensburg hat er noch keine Freunde gefunden. „Warum soll ich überhaupt noch morgens aufstehen? Ist doch sowieso alles sinnlos“, sagt er, und sein Herz tut ihm weh.
Eva* (w, 23) arbeitet als Verkäuferin in Kiel. Vor kurzem ist ihr Partner bei ihr eingezogen, was für beide noch eine ungewohnte Situation ist. Evas Freundeskreis ist eher klein. Sie trifft sich am Wochenende gerne zu Spieleabenden. In ihrer Jugend ist ihr Vater nach längerer Krankheit an Krebs gestorben. Ihre Mutter war damals von dem Tod sehr betroffen und Eva hat sich um vieles kümmern müssen.
Ihre Gefühle waren ein Auf und Ab, es gab immer die Hoffnung, dass ihr Vater doch überleben könnte. Das war anstrengend und hat sie erschöpft zurückgelassen. Sie hat das Gefühl, „den Verlust gut mit sich selbst verarbeitet zu haben“, am Geburtstag ihres Vaters ist sie trotzdem häufig mit ihrer Trauer überfordert und möchte ihre Freundinnen damit nicht belasten. „Wie kann ich den Tag gut überstehen?“ fragt sie.
Wie werden Peers auf die Online-Begleitung vorbereitet?
Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen werden mit Hilfe des Celler Modells auf ihre Aufgaben vorbereitet. Dieses ist das gemeinsame Vorbereitungskonzept der Diakonie Deutschland und der Deutschen Malteser zur Qualifizierung Ehrenamtlicher in der Hospizarbeit.
Der letzte Vorbereitungskurs fand von Juni bis September dieses Jahres statt und beinhaltet auch eine lange Online-Übungsphase. Das Team konnte sich danach von vier auf acht Peers vergrößern.
Was ist die Motivation, am Vorbereitungskurs teilzunehmen?
Hannah* (w, 23): „Ich habe selbst viel Trauer erfahren in meinem Leben und es allein durchstehen müssen, was ich niemandem wünsche. Deshalb möchte ich gerne jungen Menschen mit ihrer Trauer helfen. Trauer ist eine Situation der absoluten Grenzerfahrung. Ich möchte da sein, zuhören und so verhindern, dass sich jemand allein fühlt. Besonders schön finde ich den Gedanken, dass junge Menschen anderen jungen Menschen zur Seite stehen. So von gleich zu gleich. Ich empfinde die Anonymität und Distanz bei der Online-Trauerbegleitung als eine tolle Sache. Außerdem hat mich das wertschätzende Team der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes direkt überzeugt. Der Kurs regt dazu an, sich mehr mit dem gesellschaftlich tabuisierten Thema Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen und andere Menschen dafür zu sensibilisieren. Diese Erfahrung durfte ich bereits in Gesprächen mit Freunden und Bekannten in den letzten Wochen mehrfach machen. Offen über das Thema zu sprechen, kann Erleichterung bringen und gehört für mich mittlerweile dazu.“
Wie werden der Kurs und die Online Übungsphase erlebt?
Hannah: „Ich erlebte den Kurs als intensiv. Ein wertschätzender, positiv stimmender Ort, der sofort eine ungewohnte Vertrautheit und Ehrlichkeit zwischen uns Teilnehmer*innen erzeugt hat. Die Inhalte sind interessant gewählt, praktisch orientiert aufgebaut und regen zur weiteren eigenen Reflexion an. Was ich besonders berührend fand, war die Phase der persönlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Die dann überleitete in eine generelle Auseinandersetzung mit Trauer, möglichen Vorurteilen und verschiedenen Aspekten von Sterben, Tod und Trauer. Wie trauern junge Menschen? Wie lässt sich eine E-Mail am besten lesen und beantworten? Die Übungsphase erlebte ich als äußerst hilfreich, da sie im geschützten Rahmen das Ausprobieren ermöglicht hat. Und obwohl wir mit fiktiven Beispielen geübt haben, hat sich alles so echt angefühlt. So konnten wir in die Software
und unsere Rolle als Begleiterinnen langsam hineinfinden und herausfinden, was genau unser ganz persönlicher Beitrag sein kann. Sowohl im Kurs als auch in der Online-Übungsphase hatte ich das Gefühl, unterstützt zu werden und immer einen Ansprechpartner zu haben.
Danke dafür, dass das Team eine solch besondere Insel des Zuhörens, der Akzeptanz und Wertschätzung kreiert hat. Jetzt bin ich gespannt auf Nachrichten, die mich dann erreichen werden!“
Auf der Webseite sind viele Tipps zur Trauer zu finden, z. B. im Trauer-ABC. 5 Tipps bei Traurigkeit und Einsamkeit
Cry. Erlaube dir, zu trauern. Trauer ist keine Krankheit, aber ein starkes Gefühl, was sich überwältigend anfühlen kann. Lass deine Tränen raus.
Connect. Bleib nicht allein. Wenn es dir schlecht geht, versuch deine Freunde anzurufen oder in Kontakt mit deiner Familie zu sein. Such dir Hilfe. Wir sind gerne online für dich da auf www.schreiben-als-bruecke.de.
Create. Du kannst gut sehen, wie sich deine Stimmung verändert, wenn du ein Tagebuch schreibst. Versuch das mal. Und alles, was du selbst gestalten kannst, wird dir jetzt helfen. Schreib einen Brief an deinen Verstorbenen. Sprüh ein Graffiti. Tauch deine Finger in Farbe.
Find Joy. Tu dir was Gutes. Mach dir ´ne heiße Schokolade. Leg ein gutes Hörbuch auf. Geh mal wieder auf eine Party. Du hast das Recht zu lachen und Spaß zu haben.
Move. Trauer lässt dich und deinen Körper erstarren. Versuch in Bewegung zu kommen. Geh doch mal vor die Tür. Vielleicht hast du Lust, bei einem Spaziergang zu fotografieren oder zu tanzen bis sich alles etwas leichter anfühlt.
Hintergrundinfos zum Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst
Die Unterstützung, die Menschen bei uns bekommen, ist umfangreich und vielschichtig. Unsere fünf hauptamtlichen Mitarbeiterinnen werden dabei unterstützt durch 42 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen. Der Dienst wird zu über 90% durch Spenden finanziert.
Dafür steht der AmbKiJuHoDi: Schwersterkrankte junge Menschen und ihre Familien brauchen jemanden an ihrer Seite, der sie auf ihrem Weg stärkt und begleitet. Kinder und Jugendliche mit schwersterkrankten Eltern werden aufmerksam unterstützt. Ein Bereich ist die Trauerarbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Interessierte und pädagogische Einrichtungen können sich mit ihren Fragen den AmbKiJuHoDi wenden und Fortbildungen bei uns anfragen. Man findet uns in der Wrangelstraße 6 in Flensburg.
Projektverantwortliche von „Schreiben als Brücke“ ist Sandra Püschel, Telefon: 0461-503 23 81, E-Mail: sandra.pueschel@katharinen-hospiz.de.
*Namen geändert
Text und Fotos: Katharinen Hospiz