Das Telekom-Gebäude formt sich auf einem Eckgrundstück an der Eckernförder Landstraße wie ein Krake. Im nordwestlichen Arm sitzt die Bundespolizei. Unter einem gemeinsamen Dach finden sich Leitstelle, Büros und mehrere Besprechungsräume. In dem mit der Nummer zwei trifft sich jeden Morgen eine Runde mehrerer Einsatzleiter. Mittendrin Hanspeter Schwartz, der Pressesprecher der hiesigen Bundespolizeiinspektion. Im Austausch mit den anderen Beamten filtert er, was für die Medien von Interesse sein kann – und was mitgeteilt werden muss, um den Anforderungen des Landespressegesetzes gerecht zu werden. Der 59-Jährige bekleidet dieses Amt seit über einem Vierteljahrhundert. Seit rund 40 Jahren ist er Polizeibeamter. Die breite Öffentlichkeit bringt ihn vor allem mit dem Blaulichttag in Verbindung. Eine Großveranstaltung, die im Juli rund 25.000 Menschen an den Flensburger Hafen lockte. Mittendrin auch da Hanspeter Schwartz. Als Organisator ist er ein vertrauter „Flensburger Kopf“ – und laut Personalausweis sogar ein gebürtiger Flensburger. Was das offizielle Dokument allerdings nicht verrät: Er wuchs in Nordfriesland auf. Seine Mutter und der jüngere Bruder leben noch immer in Leck.

Die Anfänge beim Bundesgrenzschutz
Nach der Realschule bewarb sich Hanspeter Schwartz erfolgreich beim Bundesgrenzschutz – so hieß die Bundespolizei damals. Den Polizeidienst hatte der Teenager als attraktiv empfunden. Sicherlich spielte bei der Berufsentscheidung auch der Vater eine Rolle. Dieser war Verwaltungsbeamter im Amt Karrharde und wünschte auch seinem Nachwuchs eine unkündbare Stelle und ein sicheres Gehalt. Hanspeter Schwartz selbst machte sich mit gemischten Gefühlen auf den Weg zur Grundausbildung in Lübeck und saß satte dreieinhalb Stunden im Zug. „Ich war damals das erste Mal weg von Mutters Rockzipfel und außerhalb der vertrauten Umgebung“, erinnert er sich heute. Er musste sich eine Stube teilen mit vier anderen jungen Männern, die allesamt unbekannte Gesichter waren und erst allmählich vertrauter wurden. „Privatsphäre war gleich null“, erzählt er. „Großgeschrieben war hingegen die Ordnung. So war für den Schrank genau festgelegt, was wie aufzubewahren war. Ein Hemd beispielsweise musste auf Zeitungsgröße gefaltet werden.“

Rechtskunde, Schießen und Marschieren im Verbund gehörten zu den Unterrichtsinhalten – und viel Sport. Es kam schon mal vor, dass das Mittagessen kurz vor dem 5000-Meter-Lauf angesetzt wurde, was dem Magen nicht immer passte und manch jungem Mann die Leidenschaft am Laufen verdarb. Nach einem Jahr ging Hanspeter Schwartz nach Ratzeburg. Zu den Aufgaben seiner ersten Einsatzstelle gehörten Demonstrationen und Fußballspiele, aber auch Patrouillen direkt an der damaligen Zonengrenze. Auge in Auge mit den DDR-Grenzpolizisten. Einmal ratterte ein russisches Hubschrauber-Modell über dem äußersten Zipfel der DDR – wohl mit Raketen an Bord. Eine Szene, die eine mulmiges Gefühl auslöste, denn zu heiß war in den 80er Jahren der Kalte Krieg.
Ratzeburg, Bredstedt und dann Flensburg
Das letzte halbe Jahr der Grundausbildung war Hanspeter Schwartz in Bredstedt. Das nordfriesische „Heimspiel“ diente der Prüfungsvorbereitung. Im Februar 1986 war er Polizeihauptwachtmeister und kehrte nach Ratzeburg zurück. Eine regelmäßige Fortbildung paarte sich mit Einsätzen. Bei Demos auf dem Hamburger Jungfernstieg wurden die Geschäfte gesichert, während im Rücken ein Wasserwerfer vorbereitet wurde, der sich dann durch die sich öffnende Polizisten-Kette schob und seine 9000 Liter Flüssigkeit auf gewaltbereite Personen feuerte. Das Nordlicht war auch in Bayern im Einsatz, und zwar bei den massiven Protesten, die die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf begleiteten. Großangelegte Terroristen-Fahndungen standen ebenfalls im Wochenplan. Häufiger musste auch am Wochenende Dienst geleistet werden – manchmal auch ganz unvorbereitet. Hanspeter Schwartz erinnert sich: „Da ging auch am Freitagnachmittag mal das Tor zu. Dann hieß es: Wir haben eine andere Lage!“

Nach zwei Jahren entdeckte der Polizeihauptwachtmeister eine Stellenausschreibung. Das Profil für einen internen Fahrdienst der Polizei versprach eine Dienstzeit von Montag bis Freitag – das war besser planbar. Noch besser: Der Einsatzort war Bredstedt. Und am besten: Hanspeter Schwartz wurde genommen. Mit einem Lächeln im Gesicht betont er: „Ich hatte viel Glück an der richtigen Stelle gewesen zu sein.“ Das galt auch für eine weitere Stellenausschreibung: Der Amtsleiter des Bundesgrenzschutzes in Flensburg suchte einen Adjutanten. So kam er 1992 in seine Geburtsstadt. Der Dienstsitz befand sich damals noch in der Schleswiger Straße.
Private Veränderungen
Hanspeter Schwartz wohnte mit seiner Freundin Bettina zunächst in Weding. 1994 sicherte sich das junge Paar eine Baulücke in Schafflund. 1995 zogen beide in die Geestgemeinde und heirateten im Jahr darauf. Zwei Töchter – Jule und Rieke – kamen bald zur Welt. Lange Zeit gehörte auch ein Hund zur Familie. Beruflich kam es kurz vor der Jahrtausendwende zu einer Veränderung. Klaus-Peter Heldt, der Leiter der Presseabteilung, lief Hanspeter Schwartz häufiger über den Weg. Man kam ins Gespräch – und auf den Geschmack. Er ging 1999 als Stellvertreter in die Presseabteilung und trat die Nachfolge an, als sich sein Vorgänger in den Ruhestand verabschiedete.

Die Aufgaben der Presseabteilung
Während ein Kollege Kiel, Lübeck und die östlichen Kreise betreut, hat Hanspeter Schwartz die Einsätze im westlichen Schleswig-Holstein im Blick – von Flensburg bis Hamburg. Zu seinem Gebiet gehören die 69 Kilometer lange Grenze mit Dänemark, insgesamt 750 Kilometer Bahnstrecke und die Küstenbereiche zweier viel befahrener Meere. Da passiert natürlich jeden Tag etwas. Der Pressesprecher hat 70 Journalisten in seinem Verteiler. Als „Sprachrohr des Dienststellenleiters“ fragt er in den Runden mit den Einsatzleitern viel nach, schreibt eine Menge auf und überlegt, was in die Öffentlichkeit soll. „Ich muss alles wissen“, erklärt er. „Ich kann aber nicht alles herausgeben und darf vor allem nichts Falsches schreiben.“

Vieles läuft telefonisch und digital. Oft ist Hanspeter Schwartz aber auch an den Einsatzstellen anzutreffen. Für einen Unfall am Bahngleis in Tornesch sind es zwei Stunden mit dem Auto. Manchmal bietet sich der Luftweg an. „Wenn der Einsatzleiter einen Hubschrauber bestellt, bin ich der erste, der sich meldet und mitfliegt“, verrät Hanspeter Schwartz. Er steht dann für Interviews bereit und bespricht mit den Journalisten, wann sie ihre Aufnahmen machen können. „Wenn ich den Medien-Teams sage, dass sie ihre O-Töne und Fotos bekommen, dann bekommen sie diese auch“, erklärt der Pressesprecher der Bundespolizei. „Den richtigen Zeitpunkt muss ich aber abstimmen und festlegen.“
Besondere Einsätze der Pressearbeit
Wenn keine Fotografen vor Ort sind, dann verschickt Hanspeter Schwartz selbst Bilder-Dateien. Ein extremes Beispiel datiert von Januar 2014. Es stürmte kräftig. Auf dem Autozug nach Sylt befand sich ein mit Styropor beladener Lastwagen. Dieses Leichtgewicht war auf dem Waggon nicht ausreichend befestigt und wurde ins Wattenmeer gepustet. Der Fahrer starb, der Verkehr mit der Insel war mehrere Stunden unterbrochen. „Sylt hat einen besonderen Stellenwert“, weiß der Pressesprecher. „Wenn die Lieblingsinsel vieler Deutscher von der Außenwelt abgeschnitten ist, interessieren sich dafür auch Medien in München.“ Natürlich ist dann auch Bildmaterial gefragt. Doch bei diesem rauen Wetter konnte kein Fotograf zur Unglücksstelle ins Wattenmeer. Hanspeter Schwartz hingegen kletterte in den Polizei-Hubschrauber und machte die Aufnahmen aus der Luft. Das Fotografieren gehört übrigens zu seinen Hobbys. Seit einigen Jahren ist er Mitglied in der Schafflunder Foto-Gruppe. „Dort erhält man immer mal wieder Tipps, wie man die Blende hätte einsetzen sollen, um ein noch besseres Ergebnis zu erhalten“, erzählt der 59-Jährige.

Beruflich steht er häufig vor der Kamera. Das sicherlich kurioseste Foto entstand beim Empfang des „Metal-Trains“ zum Wacken-Festival. Ein Agenturbild ging viral durch die Republik: Hanspeter Schwartz vor einem Einsatzfahrzeug – mit einer aufblasbaren Gummi-Gitarre in den Händen. Er ist schon mal für einen Spaß zu haben und blickt auch gerne über den Tellerrand. Er war schon zu großen Politiker-Treffen im Schloss Elmau oder in Hamburg und gab dann als Polizeibeamter Interviews vor einer Alpenkulisse oder in einem Hauptbahnhof. „Häufiger werden bundesweit einige Pressesprecher für mehrtägige Einsätze gesucht“, erklärt Hanspeter Schwartz. „Ich arbeite gerne in einem mobilen Team.“ Auch als Dozent an der Landesfeuerwehrschule Harrislee ist er tätig und schult Feuerwehrleute für die richtige Pressearbeit.

Der Blaulichttag
Zu seinem Bereich gehört auch die Öffentlichkeitsarbeit. Darunter fällt der Blaulichttag. Kleinere Auflagen gibt es an anderen Dienststellen in Schleswig-Holstein, am größten fällt er in Flensburg aus. 2012 hatte Hanspeter Schwartz diese Veranstaltung ins Leben gerufen, um „zu zeigen, was wir können und was wir machen“. Ein weiteres Anliegen war die Nachwuchswerbung. Als Location war zunächst der Carlisle Park am Bahnhof angedacht. Dann schlug ein Bekannter von der Berufsfeuerwehr vor: „Lass uns doch etwas zusammen machen!“ Die Premiere fand auf der Exe statt. Beim zweiten Mal wechselte der Blaulichttag an den Hafen. Der Vorteil: Es konnten auch Schiffe anlegen, sodass auch Einsatzlagen auf der See berücksichtigt werden konnten. Im Sommer war es die fünfte Auflage. 31 Hilfs- und Rettungsorganisationen – auch aus Dänemark – wirkten mit. Das Interesse war riesig. Hanspeter Schwartz erntete viel Lob und Anerkennung – bis hin zu einem Dankesorden vom Malteser Hilfsdienst.

Zufrieden bilanziert er: „Es ist mein Baby geworden, aber es steckt auch viel Arbeit dahinter.“ Telefonate und E-Mails lassen sich gar nicht zählen. Dazu ergeben sich plötzlich besondere Aufgabenstellungen. Dieses Mal war es die unterbrochene Kaikante. Die Frage: Wie lässt sich trotz Absperrgitter eine lückenlose Veranstaltungsfläche schaffen? Die Lösung war eine Sondergenehmigung, die Schiffbrücke für den Straßenverkehr zu sperren, um so zwischen den Aktionsbereichen an der Hafenspitze und den Fahrzeugwerken ein 900 Meter langes Band mit Vorführungen und Ständen zu schaffen. Und wann kommt der nächste Blaulichttag? „Wenn ich ihn noch einmal organisieren soll, muss er 2027 stattfinden“, sagt Hanspeter Schwartz. „Denn in zweieinhalb Jahren gehe ich in den Ruhestand.“

Campen, Joggen und Handball
Dann werden sicherlich seine Hobbys einen größeren zeitlichen Raum einnehmen. Neben dem Fotografieren ist da vor allem das Campen zu nennen. Häufiger lenkt der Schafflunder das Wohnmobil für einen Kurztrip nach Kollund, Fünen oder Röm. Dann ist er mit dem „Wohnzimmer“ zum Abschalten direkt am Wasser. Früher war er oft zum Surfen am Ringköbingfjord. Er joggt gerne. Der Halbmarathon in Flensburg, Handewitt oder Kiel muss es aber nicht mehr sein. Eine andere sportliche Leidenschaft: die Handballer der SG Flensburg-Handewitt. Tochter Rieke kommt mit zu den Heimspielen. „Diese Stimmung kann man nicht am Fernseher erleben“, erzählt Hanspeter Schwartz. „Man muss hautnah dabei sein, wie die Zuschauer in der Halle mehr stehen denn sitzen.“

Ehefrau Bettina wird es sicherlich am meisten freuen, wenn mit dem Ruhestand die beruflichen Pflichten der Vergangenheit angehören werden. „Man muss immer sprechfähig sein“, erklärt der Bundespolizist. „Auch abends oder am Wochenende können Anrufe von den Journalisten kommen, da immer etwas passieren kann.“ Hanspeter Schwartz hat das Dienst-Handy immer dabei. „Wenn es klingelt, bin ich gedanklich sofort beim Einsatz“, verrät er. „So einen Job kann man nur mit Herzblut machen und wenn man den Rückhalt in der Familie hat.“ Der Reiz seines Amtes liegt auch in der Vielfalt. Kein Tag ist wie der andere. Aktuell hat er das Intranet und ein Rundschreiben auf der To-Do-Liste. Plötzlich geht das Telefon. Nach diesem Anruf ist klar: Der Rest des Tages wird anders verlaufen als geplant.
Text: Jan Kirschner
Fotos: Kirschner, privat















