Es sind nur noch wenige Minuten bis zu einem Heimspiel der SG Flensburg-Handewitt. In der GP Joule Arena erlischt das Licht. Einige Volunteers legen den letzten Feinschliff an einen provisorischen Tunnel an, der vom Kabinentrakt auf das Spielfeld reicht. Im dunklen Gang heben sich einige Schatten ab. Plötzlich setzen sie sich in Bewegung. Es sind die Handballer der SG, die unter Musik und frenetischem Applaus in die „Hölle Nord“ einlaufen. Mittendrin Kent Robin Tönnesen, der nach sieben Profistationen in fünf verschiedenen Ländern seit Sommer das SG-Trikot trägt. Der 34-jährige Norweger wird von der Atmosphäre elektrisiert. „Es ist ein tolles Erlebnis, in Flensburg für Flensburg zu spielen“, sagt der 34-jährige Norweger, der einst mit vier verschiedenen Klubs gegen die SG spielte.

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
Gelassener Trainingsauftakt

Der Beginn einer Handball-Karriere

Während der eindrucksvollen Zeremonie flitzen mit ihm ein Junge und ein Mädchen mit in die Halle. Es sind zwei Einlauf-Kids, die davon geträumt haben, einmal einem Handball-Star so nahezukommen. Kent Robin Tönnesen empfängt respektvolle Blicke von Kindern, die so alt sind wie er es war, als er mit dem Handball begann. So ähnlich wird er einst zu seinen beiden älteren Brüdern hochgeschaut haben. 
„Sie waren meine Vorbilder, ich wollte unbedingt besser werden als sie“, verrät der Rückraum-Linkshänder. „Sie sind beide größer als ich und Rechtshänder.“ Die Idole der Kindheit schafften es in die erste norwegische Liga. Das Familien-Nesthäkchen profitierte ebenfalls von der guten Jugendarbeit im Stammklub Fjellhammer (Großraum Oslo), wechselte dann zum Erstligisten Haslum HK und feierte 2010 das erste von insgesamt 148 Länderspielen. Ein Einsatz für Norwegen war den beiden Brüdern nicht vergönnt gewesen.

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
2013-2015: HSG Wetzlar

Mit 21 Jahren zog Kent Robin Tönnesen aus dem Elternhaus aus und wechselte gleich ins Ausland. In Schweden beim IK Sävehof fremdelte der junge Handballer aber keineswegs. Er war in seine Geburtsstadt zurückgekehrt und konnte bereits die Sprache. Sein Vater ist nämlich Schwede und spricht mit seinem Sohn immer Schwedisch. Eine wesentlich größere Umstellung war dann 2013 der Sprung in die stärkste Liga der Welt zur HSG Wetzlar – sowohl sportlich wie sprachlich. „Wir waren dort zehn oder elf ausländische Spieler, sodass wir sehr viel Englisch miteinander redeten“, erzählt Kent Robin Tönnesen. „Nach einem Jahr nahm ich mir dann vor, Deutsch systematisch zu lernen – sonst wäre es nichts geworden.“

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
2015-2017: Füchse Berlin

Von Wetzlar über Berlin und Ungarn nach Paris

An der Seite des genialen Spielmachers Ivano Balic und unter der Obhut von Trainer Kai Wandschneider entwickelte er sich weiter. So wurden die Füchse Berlin auf ihn aufmerksam, und der persönliche Terminkalender verdichtete sich mit Europapokal-Partien. In der riesigen Stadt fokussierte sich das persönliche Leben weitgehend auf den Prenzlauer Berg – mit „Fuchsbau“ und „Füchse-Town“. Und am Ende der zwei Jahre in Berlin wurden Kent Robin Tönnesen und seine Frau Madelen glückliche Eltern ihrer Tochter Philippa.

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
2017-2021: Veszprém KC

Ab Sommer 2017 ging der Handball-Profi den nächsten Schritt: Mit Veszprém spielte er die Champions League, den höchsten Wettbewerb im Vereinshandball. Vorher hatte er sich Gedanken gemacht, wie das Leben in Ungarn wohl sein würde, dann war er positiv überrascht. Am Balaton ließ es sich sehr gut aushalten. Sportlich landeten viele ungarische Titel in der Vita, mit dem Triumph in der Champions League klappte es nicht ganz: 2019 stand Kent Robin Tönnesen mit Vesz­prém im Endspiel. Zwei Jahre später schloss er sich ausgerechnet dem Erzrivalen Pick Szeged an. „Der Wechsel war zu meinem Glück in der Corona-Zeit, da durften kaum Zuschauer in die Hallen“, schmunzelt der Norweger.

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
2021-2023: Pick Szeged

Die Gegenwart bei der SG und das Privatleben

Die nächste Station war Paris Saint-Germain. Er tauchte in den Orbit der starken französischen Liga ein, lernte die gute Organisation in einem Großverein kennen und feierte mit der Handball-Größe Nikola Karabatic dessen letzten Titel. Seit Sommer pocht das Sportler-Herz nun für die SG. Kent Robin Tönnesen hat einen Vertrag für nur eine Saison unterschrieben. Ob sein neuer Klub für seine Position bereits einen anderen Profi im Auge hat, wird sich zeigen. Er selbst denkt zumindest nicht an ein Karriereende im nächsten Jahr. „Körperlich fühle ich mich fit, und mir bringt Handball noch immer Spaß“, erklärt er. „Mich treibt die Motivation an, Titel zu gewinnen.“

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
Nach Paris (2023-2025) nun die SG

Kent Robin Tönnesen wohnt jetzt in Handewitt – mit Frau und Tochter. Wenn es die Zeit zulässt, schätzt er die Ruhe auf dem Glücksburger Golfplatz. „Golf ist ein schöner Ausgleich zum Handball, ich drehe gerne mit Freunden eine Runde“, sagt er und ergänzt mit einem Lächeln: „Ich müsste aber mehr spielen, um mein Handicap von 28 zu verbessern.“ Beim Handball macht man ihm nichts mehr vor. Schon jetzt freut er sich auf das nächste Heimspiel. Das Ambiente spricht Kent Robin Tönnesen sehr an. „In Flensburg ist es sehr familiär“, sagt er. „Nach unserem nicht so guten Start kamen viele Fans zu unserem Training. Sie sagten uns: Wir glauben an euch! Das macht etwas mit uns Spielern.“

Das SG-Spieler-Portrait: Kent Robin Tönnesen
Fokussiert

Text und Fotos: Jan Kirschner

- WERBUNG -