Kommunalpolitik in einer gewachsenen Gemeinde, die den Status Quo zumindest halten oder sich weiterentwickeln möchte, lebt von Ideen und Konzepten. Und immer sehen sich die Verantwortlichen mit Projekten konfrontiert, die trotz überschaubarer finanzieller Rahmenbedingungen umzusetzen sind. Dann geht es darum, das richtige Förderprogramm anzustechen, um an finanzielle Mittel von Land, Bund oder gar Europäischer Union zu gelangen. Vor wenigen Wochen gedieh in Glücksburg eine Vision: Sollte man sich nicht für die Landesgartenschau 2027 bewerben und so beachtliche Gelder generieren?

Es klang alles sehr vielversprechend, als Mitte Oktober die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie präsentiert wurden: Die Komponenten aus Schloss, Meer und vielen Gärten würde sich sicherlich zu einem bunten Mosaik zusammenfügen, das sich glänzend touristisch vermarkten ließe und als zusätzlicher Magnet wirken könnte. Die Zahl von 450.000 Besuchern schwirrte durch den Schulungsraum des Yachthafens, dem Sitzungsort – aber auch Kosten von 25 Millionen Euro.

Ein großer Teil dieser gigantischen Summe war aber für Infrastruktur-Maßnahmen vorgesehen, die von Dauer gewesen wären – und in Glücksburg ohnehin gewünscht sind. „Wir haben ein Ortskernentwicklungskonzept aufgestellt“, erklärt Bürgermeisterin Kristina Franke. „Da sind auch Radwege und Verkehrsverbindung für unser verwinkeltes Städtchen aufgeführt.“ Es klang nach der großen Chance, für Wander- und Radwege, neue Pflasterungen oder Stationen für E-Mobilität eine Förderkulisse abgreifen zu können. Für den Trubel, den eine Landesgartenschau in einem Jahr auslösen würde, könnte Glücksburg dann über zwei bis drei Dekaden die errichtete Infrastruktur nutzen.
Doch bevor die Bevölkerung über die Bewerbungsabsichten unterrichtet wurde und der Stadtrat einen Beschluss fassen konnte, schwappte die Ernüchterung an den Glücksburger Strand. Von den übergeordneten Stellen wurde – völlig entgegen der Hoffnungen – gar keine Förderung der Großveranstaltung in Aussicht gestellt. „Wir werden uns daher nicht für die Landesgartenschau bewerben“, verkündete Kristina Franke. „Nun werden wir versuchen, die guten Ideen in anderen Förderprojekten – zum Beispiel grenzübergreifend mit Dänemark – umzusetzen.“

Die jüngste Entwicklung ist gewiss eine Enttäuschung, aber kein Grund für ein Wehklagen. In ihrer Position ist es Kristina Franke gewohnt, dass auch mal dicke Bretter gebohrt werden müssen. Seit 2009 lebt die Diplom-Bauingenieurin in Glücksburg, schätzt die Nähe zum Meer und den hohen Entspannungsfaktor in ihrem Städtchen. „Nach Feierabend kann man hervorragend abschalten“, sagt sie. 2014 wurde sie zur hauptamtlichen Bürgermeisterin gekürt und fünf Jahre später von den Bürgerinnen und Bürgern wiedergewählt.
Nun ist Kristina Franke die einzige Beamtin der gut 6000 Einwohner zählenden Stadt Glücksburg. Eine Rarität, die aus der seit 2008 bestehenden Verwaltungskooperation mit dem nahen Oberzentrum Flensburg resultiert. 2011 kreuzte am Glücksburger Schinderdam sogar der Abrissbagger auf, um das wenig geliebte Rathaus, ein Klotz der frühen 70er Jahre, dem Boden gleich zu machen. Seither teilt sich die Verwaltung das ehemalige Nachbargebäude mit Apotheke und Tourist-Information. Die Angestellten stehen seither auf der Gehaltsliste der Stadt Flensburg. Kristina Franke ist somit gegenüber ihren Büro-Nachbarn nicht direkt weisungsbefugt und fährt oft zu Terminen nach Flensburg, wo die Abteilungen für Steuern, Finanzen oder Recht residieren. „Diese Struktur macht die Dinge manchmal leichter, manchmal aber auch schwerer“, sagt Glücksburgs Bürgermeisterin mit einem Lächeln. Diese besondere Konstellation heißt aber nicht, dass das kleine Städtchen stets dem großen Nachbarn folgt. Erst im letzten Jahr löste sich Glücksburg aus der „Tourismusagentur Flensburger Förde“, setzte für die „weiße Industrie“ wieder auf eine Eigenständigkeit und kehrte zum altbekannten Berater GLC („Glücksburg Consulting AG“) zurück. „Wir fühlten uns von der TAFF gut betreut, hatten aber andere Vorstellungen bei der Vermarktung von Glücksburg als touristische Marke“, erklärt Kristina Franke. Im August belebte die GLC nach zehnjähriger Pause die Veranstaltung „Strandmeile“. Ende Oktober legten die Apfelfahrten von der Glücksburger Seebrücke ab.

Mit dem Mix aus Strand, Meer und beschaulicher Landschaft hat sich der Tourismus zum wichtigsten Wirtschaftszweig der Ostseeperle entwickelt. „Wir sind zufrieden mit dem Sommer, die Vermieter sind es auch“, äußert sich Babette Schultz. Die stellvertretende Tourismus-Leiterin residiert eine Etage unter dem „Rathaus“. Gerade erst wurde das neue Urlauber-Magazin aufgelegt – zusammen mit den Bettenanbietern. Das aktuelle Zauberwort: Saison-Verlängerung.
Es gibt verschiedene Ansätze, um den überwiegend sommerlich geprägten Fremdenverkehr verstärkt auf die anderen Jahreszeiten auszudehnen. Ein Element sind Wanderwege, die in Glücksburg neu beschildert und verfeinert wurden. Inzwischen gibt es acht verschiedene Rundwege, die das Schloss, den Strand, den Bach Schwennau, das Wildschweingehege, Wälder und historische Gräber („Dolmen“) berühren.

Ein anderer wichtiger Baustein ist die ganzjährig geöffnete Fördeland-Therme. Das anspruchsvolle Schwimmbad produziert allerdings regelmäßig ein Millionen-Defizit – ganz besonders zu Zeiten der Corona-Pandemie und nun wegen der grassierenden Energiepreise. Schon Anfang Oktober wurden Außenbecken und Außensauna geschlossen, im Innenbereich die Wassertemperaturen abgesenkt und die Öffnungszeiten angepasst. Das alles, um Kosten einzusparen.
Die kostenintensive Infrastruktur soll erhalten werden. Nicht nur als Tourismus-Leuchtturm, sondern auch als Stätte zum Schwimmen lernen, als Freizeit-Angebot für die Menschen in der Region und als Übungsort für die DLRG. Zum 15-jährigen Thermen-Geburtstag im Oktober kamen rund 300 Kinder. „Ich sehe eine Daseinsvorsorge-Funktion“, sagt Kristina Franke und betont: „Wir wollen das Schiff halten.“ Derzeit befindet sich eine Kombi-Ausschreibung in Vorbereitung, um einen Investor anzulocken. Der Parkplatz gegenüber der Fördeland-Therme darf mit Ferienwohnungen oder einem Hotel bebaut werden, das Schwimmbad soll im gleichen Zug verpachtet werden.
Zwei Glücksburger Neubaugebiete, das eine auf dem Bremsberg, das andere an der „Alten Reithalle“ sind weitgehend abgeschlossen. Über diese rund 50 Einfamilienhäuser hinaus ist derzeit kein größeres Projekt geplant. Um eine kleine Restfläche am Klimazentrum „Artefact“ wird noch gerungen, womöglich hat sie Biotop-Charakter. Hin und wieder flammen einzelne Ideen von Investoren auf. Zuletzt war die Umwandlung des alten Postgebäudes in ein Wohnquartier ein Thema.

In Glücksburg gibt es immerhin fünf Kindergärten und eine Grundschule, was dem Klischee einer überalterten Bevölkerung entgegensteht. Ein Blick auf die Statistik zeigt aber sehr wohl, dass das kleine Städtchen an der Flensburger Förde einen hohen Altersdurchschnitt aufweist und ein Hort der Besserverdienenden ist. „Es kommt oft vor, dass Menschen, die Glücksburg vom Segeln oder von ihrer Zeit bei der Marine kennen, später bei uns ihren Alterswohnsitz wählen“, erzählt Kristina Franke. „Und das kommt durchaus unserem Ort zugute. Viele von den neuen Bürgerinnen und Bürgern sind nämlich rege, aktiv und engagieren sich ehrenamtlich.“ Als Beispiel nennt die Bürgermeisterin den emsigen Verein „Schönes Glücksburg“. Eines ist sicher: Glücksburg ist auch ohne Landesgartenschau immer einen Besuch wert.

Text und Fotos: Jan Kirschner

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