Feiertag in Dänemark, Abschied für Lasse Svan: Der 38-jährige Handballer wurde in den letzten zwei Dekaden zwei Mal Weltmeister, einmal Europameister und einmal Olympiasieger, an Gründonnerstag bestritt er in Kopenhagen sein letztes von 246 Länderspielen für Dänemark. Nach dem glatten Erfolg über Polen folgten in der Royal Arena zu Kopenhagen eine offizielle Ehrung und stehende Ovationen. „Fantastisch, überragend, großer Stolz – ich muss all diese Wörter benutzen, um diesen Moment zu beschreiben“, strahlt Lasse Svan noch immer, wenn er darauf angesprochen wird. „Als ich schließlich nach Hause kam, hat mir nichts leid getan. Es war der richtige Zeitpunkt aufzuhören.“
Dieser Schritt steht ihm in Kürze auch bei der SG Flensburg-Handewitt bevor. Die Zahl der verbliebenen Spiele ist an einer Hand abzuzählen. Einen Vorgeschmack auf eine Abschiedszeremonie erhielt der SG-Kapitän Anfang Mai, als er in Sonderborg der letzten Partie von Thomas Mogensen beiwohnte. Die beiden verbindet eine Freundschaft, seitdem sie vor 20 Jahren gemeinsam für das dänische Spitzenteam GOG Gudme aufliefen. „Beim Abschiedsspiel von Mogi habe ich gefühlt, dass meine Zeit nun auch bald kommen wird“, erzählt Lasse Svan. „Ich versuche, die Gedanken zu verdrängen und den Fokus auf die Spiele zu legen.“
Seine Bilanz ist unglaublich: In 14 Jahren für die SG spielte er 650 Mal – so viel wie kein anderer in der Vereinsgeschichte – und traf rund 2500 Mal ins Tor. Ich erinnere mich noch gut an meine erste persönliche Begegnung mit ihm. Es war der 8. August 2008, der Tag, an dem die Olympischen Spiele in Peking eröffnet wurden. Lasse Svan, der damals noch den Nachnamen „Hansen“ trug, war an der dänischen Vorbereitung beteiligt, schaffte es aber nicht in den Kader, der nach China reiste. Stattdessen schloss sich der Rechtsaußen als Neuzugang der Testphase in Flensburg an. „Wir haben den schnellsten Spieler Dänemarks verpflichtet“, schnalzte SG-Sportdirektor und Landsmann Anders Dahl-Nielsen mit der Zunge.
Lasse Svan war mit Sören Stryger unterwegs. Der Positionskollege hatte gerade seine Karriere bei der SG beendet und fungierte nun als Berater. Ich führte mit dem neuen Spieler ein Interview für die Tagespresse. Wir saßen im „Förde-Fitness“, sprachen auf Deutsch und Englisch. Es ging um seine bisherige Vita, seinen neuen Klub, seinen neuen Nachbarn Thomas Mogensen und sein Talent im Billard. Über Flensburg lag gewittrige Luft. Am Ende des Gesprächs fiel der Strom aus. Die Musik im Hintergrund verstummte, wir redeten im Halbdunkeln weiter. So entstand eine ganz besondere Atmosphäre. Aber ich hatte nicht geahnt, dass ich mit dem zukünftigen Rekordspieler der SG zusammensitzen würde.
Einen Monat später bestritt Lasse Svan sein erstes Spiel für die SG. Es war gegen Balingen. „Für mein erstes Tor kam ich über den Rückraum, wobei ich von Frank Ettwein voll einen auf die Brust bekam“, erinnert sich der Linkshänder. „Das war schmerzhaft – aber der Ball war im Tor.“ Schnell wurde er Stammspieler und trug mit dazu dabei, dass sein Verein ab 2012 wieder zur europäischen und nationalen Spitze zählte. Die SG gewann die Champions League, zwei Mal die deutsche Meisterschaft, den DHB-Pokal und den Europacup der Pokalsieger. Alle wichtigen Titel errang Lasse Svan zumindest einmal. „Ich hatte stets die Lust, mich zu verbessern“, erklärte er einmal seinen großen Titel-Hunger. „Auch mit 30 oder 32 Jahren war ich nicht mit dem erreichten Niveau zufrieden, sondern sah immer noch Potenzial.“ Jetzt ist offenbar der Zeitpunkt gekommen, an dem es anders geworden ist.
Von der Zukunft hat der Profi-Handballer klare Vorstellungen. Ab Mitte Juni will er erst einmal nichts anderes machen als Urlaub mit Familie und Freunden. „Ich will“, betont er, „meine Tage selbst gestalten.“ Sie werden nicht mehr dem Ablauf des Spielbetriebs gehorchen. Im November soll ein gemeinsamer Traum von ihm und Ex-Handball-Kollege Anders Eggert in Erfüllung gehen. Die beiden wollen in die USA fliegen und zwei Wochen lang in verschiedenen Städten Sport schauen: American Football, Basketball, Baseball und Eishockey.
Ab August beginnt für Lasse Svan in Kolding, wo seine Familie bereits wohnt, ein neuer Lebensabschnitt. Er möchte sich dann mit dem Mental-Coaching beschäftigen. Bereits vor zwei Dekaden hatte er selbst einen solchen Spezialisten getroffen. „Da lernte ich nicht so viel über Handball, aber umso mehr, wie ich mich auf dem Spielfeld und außerhalb verhalte“, verrät Lasse Svan. Vor rund zehn Jahren machte er parallel zum Handball eine Ausbildung.
Das Wissen nutzte ihm auch auf dem Spielfeld und in seiner Karriere. „Ich lernte mich viel besser selbst kennen“, erklärt der 38-Jährige. „Am wichtigsten ist es zu wissen, wie man aus einem Tief herauskommt. Denn ein solches Tief erlebt jeder Leistungssportler irgendwann. Es zu verkürzen kann letztendlich der Unterschied sein, ob man das höchste Niveau erreicht oder es nur für die Zweitklassigkeit langt.“
Lasse Svan schaffte es auf die absolute Spitze. In Kürze wird der Handball eine eher kleine Bedeutung in seinem Alltag bekommen. Die „Hölle Nord“ bleibt im Blickfeld. Denkbar ist, dass der diesjährige Jacob Cement Cup zu einem offiziellen Abschiedsspiel umgewandelt wird. Lasse Svan ist ohne Zweifel eine Vereinslegende und muss in die „Hall of Fame“ der Flens-Arena aufgenommen werden. Das wäre ein Feiertag in Flensburg.
Text und Fotos: Jan Kirschner