Als wir Clemens Teschendorf, den Pressesprecher der Flensburger Stadtverwaltung, 2017 besuchten, mussten wir uns noch bis in die 13. Etage des Rathauses hocharbeiten. Der Fahrstuhl endet in der 12. Jetzt drücken wir die 10. Die Verwaltungsleitung ist abgestiegen um 3 Stockwerke. Ein symbolischer Schritt? Damals, unter der Führung des OB Simon Faber, wurde der Umzug der Verwaltungsspitze vom Hochparterre ins oberste Geschoss kritisiert und belächelt. „Abgehoben“, sagten einige, „überheblich“ andere. Die Wohlwollenden gönnten dem OB und seinen Zuarbeitern den ‚Überblick‘ über die Stadt. Zunächst hatte die neue Verwaltungschefin Simone Lange die Räume von Faber übernommen. Jetzt ist Ruhe eingekehrt und die Spitze der Flensburger Verwaltung hat sich im 10. Stock ‚vermittelt‘. Raum 1012 also ist Clemens Teschendorfs Büro, das er sich mit Christian Reimer teilt. „Die einzige 100% männliche Abteilung in der Stadt“, meint Teschendorf augenzwinkernd und zeigt auf seinen Mitarbeiter. Der Umzug allerdings hätte rein praktische Gründe gehabt, ohne Symbolcharakter.
Clemens Teschendorf hat bei den letzten Bundestagswahlen den Schritt in die große Politik gewagt. Er kandidierte als SPD-Vertreter gegen die CDU-Kandidatin Petra Nicolaisen und verlor. Sein Arbeitsplatz als Pressesprecher im Flensburger Rathaus wurde ihm offengehalten, die Rückkehr war gesichert. Wechsel bei Arbeits- und Wohnorten sind dem geborenen Bielefelder nicht fremd. Aufgewachsen nahe Flensburg, lebte er nach der Schulzeit 16 Jahre in Berlin, studierte Politologie, Geschichte und Philosophie an der TU und FU Berlin und machte einen Abschluss als Diplom-Politologe. Erste Berufserfahrungen konnte er als Pressesprecher in der Berliner Senatsverwaltung sammeln. Flensburg suchte 2011 einen neuen Pressesprecher. Clemens Teschendorf bekam die Stelle, war damit auch privat wieder zurück in der Heimat seiner Jugendzeit.

His Master‘s Voice?

Es liegt nahe, ihn als Sprecher der Oberbürgermeisterin anzusehen. Doch da betont Teschendorf: „Ich spreche nicht nur für den jeweiligen Oberbürgermeister, die Oberbürgermeisterin, sondern für die gesamte Stadtverwaltung.“ Diese Differenzierung hat einen Grund. Der Pressesprecher wurde 2011 von dem damals neu gewählten OB Simon Faber eingestellt. Jetzt dient er der amtierenden OB Simone Lange. Auch ihr könnte in einigen Jahren ein neuer Kopf in der Flensburger Verwaltung folgen. Ein Grund für den Pressesprecher sich nicht zu sehr an die amtierende Amtsleitung zu binden. Zumal sein Amt kein politisches Mandat hat. Da muss der SPD-Mann deutlich trennen, gerade jetzt, nachdem er bei seiner Kandidatur zum Bundestag politisch Stellung bezogen hatte.
Christian Reimer und er teilen sich die Aufgaben, zum einen die reine Pressearbeit, das Formulieren von Pressemitteilungen, die Beantwortung von Fragen der Journalisten, zum anderen das Verfassen von Grußworten und Reden für die Bürgermeisterin und den Stadtpräsidenten.
Manchmal sind die Anfragen lapidar. „Wie viele Mitarbeiter hat die Stadtverwaltung“, „Wie hoch ist der Durchschnittsmietpreis der Wohnungen“ oder „wie viele Briten haben sich in Flensburg angemeldet“. Die Anfragen umfassen das gesamte Spektrum städtischen Wirkens, Soziales, Feuerwehr, Schulen, Verkehr bis hin zu politischen Bereichen wie der Stadt-
entwicklung. „In Berlin habe ich in der Finanzverwaltung gearbeitet. Da hatte man ein Thema. Hier gibt es eine bunte Themenvielfalt mit der kompletten Bandbreite städtischer Anliegen.“
„Bei aller Vielfalt“, sagt Teschendorf, „hat man die Aufgabe, um die diversen Themen eine Klammer zu setzen, die deutlich macht, was die Stadt Flensburg ausmacht. Man kann Fragen nicht nur mit JA oder NEIN beantworten, sondern muss die Stellungnahmen in Geschichten einbetten.“
Die Kür, so meint er, sind die großen politischen Themen: Zur Zeit die geplante Umleitung der Bahn nach Skandinavien über Puttgarden. Ein Projekt, das direkte Bedeutung für die Verkehrsanbindung Flensburgs hat. Auch die Rader Hochbrücke war ein solches Thema. Näher am Puls der Stadt ist der Osthafen, für den es weitreichende Umbaupläne gibt. Das sind Themen, bei denen die Pressestelle des Rathauses nicht nur Anfragen beantwortet, sondern aktiv an die Öffentlichkeit geht und selbst Themen setzt. Ein besonders aktuelles und heikles Thema, das die Verwaltungsspitze und Politik zum Zeitpunkt unseres Gespräches umtreibt, war im Frühjahr der Kollunder Wald. Ein Kuriosum, bisher ohne Brisanz, jetzt zum Politikum erhoben. Die Flensburger Exklave auf dänischem Staatsgebiet erregt die Gemüter beiderseits der Grenze. Der Wald wurde von der Stadt 2006 an einen privaten dänischen Investor verkauft. Die Nutzung des Waldes wurde aber festgeschrieben. Er sollte als Erholungsgebiet auch den Flensburgern weiterhin zur Verfügung stehen. Im Grundbuch wurde eingetragen, dass der Wald nicht bebaut werden darf. So weit, so gut. Jetzt kommt der von dänischer Seite geplante Wildschweinzaun in Spiel. Durch eben dieses Waldgebiet soll er verlaufen. Nach Flensburger Auslegung ist der Zaun ein ‚Bauwerk‘ und damit nicht genehmigungsfähig. Das Flensburger Rathaus wartete lange auf einen Anruf aus Dänemark und einen Vorschlag, wie die Kuh vom Eis geholt werden könnte. Dass es nicht nur um den Schutz vor mit der Schweinepest infizierten Wildschweinen geht, sondern um ein politisches Signal, das weder Flensburg noch dem EU-Land Deutschland gefällt, ist offenbar. Nicht undenkbar, dass sich Brüssel noch mit dem Kollunder Wald beschäftigen muss. So weit geht allerdings Clemens Teschendorf in seiner Stellungnahme nicht. Durch Schlagzeilen wie „Flensburg kippt den Schweinezaun“, ist besonders die dänische Seite alarmiert, was dazu führte, dass Teschendorf von dänischen Journalisten schon morgens um 7 aus dem Bett geklingelt wurde. Diplomatisches Geschick ist gefragt, um zum einen die Ansprüche der Flensburger Politik, zum anderen die nationalen dänischen Interessen zu befriedigen. Inzwischen ist man einen Schritt weiter. Es hat eine Begehung stattgefunden mit der Überlegung, den Zaun nördlich um den Wald herumzuführen und damit den baurechtlichen Konflikt zu umgehen. Das Kuriosum an dieser Lösung allerdings: Jetzt könnten die gefürchteten Schweine ungehindert auf dänisches Hoheitsgebiet vordringen und die dortige Population mit der Schweinepest infizieren.
Getrennte Sichtweisen gelten nach Teschendorf auch für die groß geplanten Feiern 2020 zu den Volksentscheiden von 1920. Aus dänischer Seite eine „Wiedervereinigungsfeier“, aus deutscher Sicht ein „Friedensfest“. Hier, so vom Pressesprecher gelobt, rede man miteinander, plane gar gemeinsame Veranstaltungen, trotz der unterschiedlichen Sichtweisen.

Alles im Kopf?

Schnelles Reagieren auf Anfragen, das Verfassen von Stellungnahmen, die Vielfalt der Themen erfordern ein besonderes Informationsmanagement. „Es ist wichtig, dass man viel – auch im Kopf – abspeichert, aber nicht unbedingt viel Material ansammelt. Dazu verändern sich die Fakten zu schnell“, meint Clemens Teschendorf. Für den Informationsaustausch gibt es eine regelmäßige Leitungskonferenz mit OB und Fachbereichsleitungen. Dort werden die Ausschüsse und damit Themen für die nächste Woche vorbereitet. Bei konkreten Anfragen etwa zum Projekt des Krankenhausneubaus gibt es einen direkten Draht zu den Fachleuten, die den Pressesprecher auf den neuesten Stand bringen.
„Entscheidend ist dann, dass ich es verstanden habe. Dann kann ich auch zum Journalisten gehen und ihm den Sachverhalt erklären.“ Teschendorfs Aufgabe ist es dann, ein Thema in die Gesamtkonzeption der städtischen Planung einzubetten. Der Weg zur Oberbürgermeisterin ist kurz. „Wir sind Stabsstelle“, sagt der Pressesprecher erklärend. „Wir können jederzeit zu ihr rein, wenn hier die Hütte brennt.“ Beide teilen den selben Flur im 10. Stock. In der Regel gibt es darüber hinaus ein festes Treffen pro Woche, in dem die aktuellen Themen ausgetauscht werden. Durch den ständigen Austausch mit Politik und Verwaltung „weiß man sehr viel“, sagt Teschendorf. „Es gibt kaum ein Thema, mit dem man uns noch überraschen kann.“ „Ich bin Sprecher der Stadt und nicht meiner eigenen Person und Meinung.“ Das zu trennen muss ein Pressesprecher lernen und beherrschen. Insbesondere, wenn er selbst politisch aktiv ist, wie Clemens Teschendorf. In der Regel hat Teschendorf damit keine Probleme. Er kann sich an einen Fall erinnern, wo er Bauchschmerzen mit einer Stellungnahme hatte.
Nennen wollte er ihn nicht. Ansonsten ist er überzeugt, dass die Stadt Flensburg „eine tolle Arbeit macht. Ich vertrete gerne die Linie, die hier gefahren wird.“

Zukunftspläne

Eines der großen Themen der Stadtentwicklung ist der Hafen-Ost. Langfristig soll der Wirtschaftshafen auf das Westufer verlagert werden. Von Harniskai bis Hafenspitze ist eine vielfältige Nutzung geplant, ein Mix aus Wohnen, Gewerbe und Erholungsflächen. Ziel ist ein Gesamtkonzept, keine Aneinanderreihung von Einzelprojekten, wie es teilweise in der Vergangenheit geschah.
Ein weiteres großes Thema ist die Umnutzung des gesamten Bahnhofviertels. Ein großer Druck lastet auf dem Wohnungsmarkt. Lösungen müssen mit den Nachbargemeinden gefunden werden, aber auch durch Nachverdichtung im Innenstadtbereich.
Die dritte ‚Baustelle‘ betrifft den Krankenhaus-Neubau. Das Nebeneinander von ‚Diako‘ und ‚Franziskus‘ soll der Vergangenheit angehören. Schon jetzt tauschen die Anstalten Wissen und Kapazitäten aus. Eine Expansion auf dem bestehenden Gelände ist nicht mehr möglich. So soll der große Schritt zu einem gemeinsamen neuen Krankenhaus geschaffen werden. Hier ist die Stadt gefragt. Das Gelände südlich der Bahntrasse und westlich der Osttangente muss baurechtlich vorbereitet werden. Hier kommt auf die Stadt einiges an Arbeit zu.
Viel Arbeit in Zukunft auch für die Pressearbeit der Stadt. Clemens Teschendorf und Christian Reimer fühlen sich gut vorbereitet.
Christian Reimer kommt aus der Erwachsenenbildung, hat im Kreisbüro und dem Büro der Ratsfraktion der SPD gearbeitet. In der Zeit Simone Langes als Landtagsabgeordnete war er für sie tätig und wechselte dann in das Rathaus.
Er und Teschendorf sind auf dem gleichen Informationsstand und können sich gegenseitig vertreten, auch wenn intern die Schwerpunkte der Arbeit unterschiedlich sind. Wenn es um die Faktenvermittlung geht, sind beide autonom und benötigen nicht die Zustimmung der Fachbereichsleiter oder der OB. Werden Mitarbeiter zitiert, werden die zitierten Äußerungen vor Veröffentlichung abgestimmt. Bei Statements der Oberbürgermeisterin hat Christian Reimer einen kleinen Vorteil. Er arbeitet Simone Lange schon seit Jahren zu und kennt ihre ‚Denke‘.
Clemens Teschendorf hat mit der Arbeit als Pressereferent seine Bestimmung gefunden. Ihm gelingt der Spagat zwischen Sprachrohr der Verwaltung und eigenem politischen Engagement, trauert seinem nicht gewonnenen Bundestagsmandat nicht nach. „Ich habe viel gelernt in der Zeit des Wahlkampfes“, sagt er und ergänzt, dass er auch erlebt hat, dass auf der politischen Bühne der „Wind härter weht“, auch den menschlichen Umgang betreffend. Insofern ein Ausflug in die Politik, der sich für ihn trotz Verlust zu einem Gewinn gewandelt hat.

Bericht: Dieter Wilhelmy, Fotos: Benjamin Nolte, Archiv TAF

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