Simone Lange hat im Januar 2017 als erste Frau das Amt der Oberbürgermeisterin von Flensburg angetreten und ist nun seit 5 Jahren im Amt. Über ihre Erfahrungen und ihre persönlichen Einstellungen haben wir deshalb mit ihr gesprochen.
Frau Lange, welches Feedback erhalten Sie zu Ihrer Arbeit als Oberbürgermeisterin? Welche Komplimente macht man Ihnen?
Wenn ich in der Stadt unterwegs bin oder spazieren gehe, werde ich häufig von Flensburgerinnen und Flensburgern angesprochen. Sie geben mir mit auf den Weg, dass sie viel Hochachtung haben vor dem, was ich tue. Und dass ich meine Arbeit gut mache. Das ist eine schöne Bestätigung, gerade in den letzten zwei Jahren, in denen Corona-bedingt einfach alles anders kam als gedacht. Wir haben in meiner Amtszeit sehr viele Projekte vorangetrieben. Allein der Neubau eines Klinikums ist ein Jahrhundertprojekt. Viele Jahre wurde darüber diskutiert. Umso mehr freue ich mich, dass es während meiner Amtszeit gelungen ist, diesen Knoten zu durchschlagen und in die Planung und Umsetzung einzusteigen. Aber auch der Neubau der Schule Ramsharde, der bevorstehende Neubau der Schule Fruerlund und die Modernisierung unserer Feuerwehren sowie der bevorstehende Neubau der Hauptfeuerwache sind große Schritte in der Stadtentwicklung. Wir gestalten eine wachsende Stadt mit wachsenden Bedürfnissen, deshalb gibt es auch eine so große Zahl von Projekten und ehrgeiziger Ziele. Unsere Gesellschaft verändert sich rasant, weil sie sich verändern muss und unser Anspruch muss es sein, Flensburg weiterhin zu einer erfolgreichen Stadt zu entwickeln. Deshalb kommt es gar nicht darauf an, welche Komplimente ich erhalte, sondern dass es gut ist für unsere Stadtentwicklung.
Und welches Lob bekommen Sie privat?
Am meisten freue ich mich über positives Feedback meiner Töchter. Sie finden oft gut, was ich tue und das ist eine schöne Motivation.
Wie bewegen Sie sich von A nach B?
Unsere Töchter fahren Bus. Wir haben privat inzwischen kein Auto mehr, sondern auf Carsharing umgestellt und buchen uns immer nur dann ein Auto, wenn wir es brauchen. Um berufliche Auswärtstermine wahrzunehmen, fahre ich mit der Bahn oder nutze den städtischen Pkw, der komplett CO2-frei ist und zu 100 Prozent mit Wasserstoff fährt. Als ich 2017 ins Amt kam, war eine meiner ersten Entscheidungen, den „alten Diesel“ abzuschaffen.
Das klingt innovativ!
Ja, denn Worte allein helfen ja nicht. Wir müssen handeln, etwas tun, um das Klima zu schützen und unsere Umwelt zu erhalten. Diesen Umsetzungswillen habe ich mit ins Rathaus getragen, zuletzt mit dem Start der neuen Stadtentwicklungsstrategie „Flensburg 2030“. Unser Leben wird aufgrund des Klimawandels in weniger als 10 Jahren ein anderes sein, ja ein anderes sein
müssen. Wie schwer jedoch Veränderungen sind, erleben wir in Flensburg auch. Vielen Menschen geht es zu schnell, anderen nicht schnell genug. Deshalb wird es darauf ankommen, immer wieder Ausgleich zu schaffen und Interessen gegenseitig anzuerkennen.
Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Ich habe Freude daran, neue Wege zu gehen. Und ich habe keine Scheu, Dinge anzupacken. Dabei bin ich ungeduldig und gleichzeitig sehr ausdauernd. Wenn etwas nicht gleich klappt, probiere ich es durchaus zwei-, drei- oder auch x-mal.
Was könnten Ihre größten Kritiker Ihnen vorwerfen?
Es gibt Stimmen, die sich daran stoßen, dass ich eine starke Meinung habe und diese auch zum Ausdruck bringe. Manche sagen, man müsse sich als OB total zurückhalten. Ich finde aber, dass es meine Rolle als direkt von der Bevölkerung gewählte Oberbürgermeisterin ist, deutlich zu machen, wo ich stehe.
Was ist Ihr Anspruch an sich selbst?
Es hilft nicht, viel Papier zu beschreiben, sondern mein Anspruch ist es, für die Umsetzung der Beschlüsse zu sorgen. Der Anspruch an mich selbst ist auch, mich dabei nicht zu verbiegen, auch wenn der Gegenwind mal etwas stärker wird. Leider gibt es heutzutage auch aggressive Reaktionen bis hin zu Drohungen, nur weil man eine andere Meinung hat. Diese Entwicklung muss uns zu denken geben. Generell halte ich es für ganz natürlich, dass meine Meinung nicht immer zu 100 Prozent geteilt wird. Ich möchte Dinge tun, die Gemeinschaft erzeugen und fördern. Wir alle sollten miteinander und füreinander arbeiten – jeder auf seinem Platz. Ohne Gemeinschaft ist keine Gesellschaft lebensfähig und kein Mensch glücklich. Gerade in der Pandemie haben wir alle gemerkt: Wir Menschen sind nicht digitale, wir sind soziale Wesen.
Sie sind selbst zweifache Mutter. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gemacht?
Dass ich mich beruflich verwirklichen kann, ist für mich ein großes Glück – aber die Familie ist und bleibt für mich das Allerwichtigste. Ich lebe in einer wunderbaren Patchwork-Familie mit drei Töchtern. Unsere knappe Freizeit verbringen wir nach Möglichkeit alle zusammen. Familie und Beruf, in meinem Fall Familie und das Oberbürgermeisteramt, zu vereinbaren, ist nach wie vor ein Spagat zu allen Seiten und streckenweise sehr anstrengend. Dabei müssen alle in der Familie Entbehrungen hinnehmen. Viel Zeit bleibt für Freizeit und Familie nicht. Umso wichtiger ist es, die wenige gemeinsame Zeit qualitätsvoll zu verbringen. Geholfen hat dabei auch das Verständnis der Kolleginnen und Kollegen im Rathaus. Ich denke, wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es gut funktioniert, Oberbürgermeisterin mit schulpflichtigen Kindern zu sein.
Haben Sie bei alledem Hobbies?
Mein Partner und ich gehen sehr gerne in unser Landestheater. Mein ganz persönliches Hobby ist noch immer das Klavierspielen und das Handwerken zu Hause. Wir sind vor gut einem Jahr innerhalb der Flensburger Innenstadt umgezogen und im neuen Zuhause gibt es viel zu tun. Teppich oder Fußboden verlegen und Tapezieren und Malern machen mir viel Spaß. Von meinen Töchtern lasse ich mir gern zeigen, welche sozialen Netzwerke es gibt und was gerade „in“ ist.
Wobei könnte man Ihnen etwas „vom Pferd“ erzählen?
Beim Reiten (lacht). Alles rund um Prominente oder TV-Shows. Da wir ohne Fernseher leben, habe ich davon kaum Ahnung.
Inwiefern sind Sie eine Verfechterin der Emanzipation?
Noch heute verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als Männer, mit einer Ausnahme: Im Öffentlichen Dienst wird kein Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht. Gesamtgesellschaftlich gibt es jedoch nach wie vor viel zu tun, die faktische Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Deshalb ist es auch wichtig, dass Frauen weiterhin in Führungspositionen ankommen. Es gibt beispielsweise bundesweit ca. 80 Oberbürgermeister – und nur eine Handvoll davon sind Frauen. Wir sind also völlig unterrepräsentiert. In Flensburg bin ich auch die erste Frau, die dieses Amt innehat und in einigen Gremien noch immer ziemlich allein. Deshalb war es mir sehr wichtig, die Gleichstellung auch innerhalb der Stadtverwaltung voranzutreiben und zu erreichen. Vor mir gab es einen männlichen Oberbürgermeister und einen männlichen Bürgermeister. Heute haben wir nicht nur im Verwaltungsvorstand die Parität erreicht, sondern auch in der nächsten Führungsebene, den Fachbereichen, und das in nur 5 Jahren. Und wir stellen fest, dass die gemischten Teams der Arbeit sehr gut tun. Frauen und Männer haben unterschiedliche Herangehensweisen und deshalb ist es meines Erachtens nicht nur gerecht sondern auch klug, für Gleichberechtigung zu sorgen.
Inwiefern hat Ihre Sozialisierung in der DDR noch heute Einfluss auf Ihre Einstellungen?
Sich in unserer freiheitlichen Demokratie überall einbringen zu können, empfinde ich als hohes Gut. Umso
mehr wundert es mich, wenn Menschen auf der Straße für Freiheit demonstrieren. Wir leben sie doch! Wir dürfen in unserem Land alles denken und sagen – ohne Konsequenzen. Natürlich läuft nicht alles gut, und natürlich gibt es Unzufriedenheit. Man darf nie aufhören, Dinge zum Wohle seiner Mitmenschen anzupacken und Probleme zu lösen. Dafür setze ich mich in meinem Amt täglich ein.
Was wollen Sie für die jungen Menschen unserer Stadt erreichen?
Dass sie eine lebenswerte Zukunft erhalten. Unsere Lebensbereiche sind durch Klimawandel und Umweltveränderungen stark bedroht. Das alles wirkt sich auch auf das soziale Leben aus. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir die Entscheidungen, die wir gemeinsam treffen, auf die Zukunft ausrichten und immer vor Augen haben, dass unsere Kinder und Kindeskinder ebenfalls ein gutes Leben haben sollen.
Das Interview wurde geführt von Ulrike Bremm