Bis Ende August wirbt in der „Galerie“ direkt neben dem großen Elektronikgeschäft noch eine mit etlichen Plakaten behängte Glaswand für das Innenstadt-Management. Dann erhalten die Räumlichkeiten dahinter eine neue Bestimmung. Das ehemalige Impfzentrum in der Einkaufspassage wird sich für einen Monat in einen sogenannten Bildungsladen der Volkshochschule Flensburg (VHS) wandeln. „Wie machen die Tür auf, wollen ins Blickfeld kommen und zeigen, was bei uns alles passiert“, erklärt VHS-Leiter Jürgen Klee, der sein Büro – eine Rolltreppe höher – im Verwaltungsbereich des kommunalen Weiterbildungsträgers hat.

Am Montag, 2. September, werden die besonderen Wochen um 16 Uhr offiziell eröffnet. Noosha Aubel, Flensburgs neue Dezernentin für Bildung, Integration, öffentliche Dienste und Sicherheit, spricht – umrahmt von Poetry Slam. Dann folgt ein offenes Programm, das sich bis Anfang Oktober streckt und täglich die gesamte VHS-Bandbreite bereithält: den Spanisch-Kurs, eine Diskussion über Elektro-Mobilität, eine Anleitung für gesunde Pausensnacks oder eine öffentliche Dienstbesprechung des VHS-Teams. Kurzum: ein Blick hinter die Kulissen, der mit Mitteln aus dem Projekt „Deine Innenstadt, deine Ideen“ gefördert wird. Und zur Mittagszeit soll der Bildungsladen als Plattform besonderer Begegnungen dienen. Dann sollen Referenten aus ihrem Tätigkeitsbereich berichten und für Fragen zur Verfügung stehen. „Das sind Menschen, die man vermutlich ansonsten nicht einfach so ansprechen würde, wenn man sie zufällig sieht“, verspricht Jürgen Klee.

Jürgen Klee: Kurzportrait des neuen VHS-Leiters

Er leitet seit Mai die gemeinnützige Einrichtung der Erwachsenen-Weiterbildung. „Das wäre ja zurück zu den Wurzeln“, dachte er sich, als er am Jahresanfang auf die Stellenausschreibung der Stadt Flensburg stieß. Denn der 62-Jährige, der aus dem saarländischen 800-Seelen-Ort Steinberg-Deckenhardt stammt, hatte einst in Trier Soziologie studiert – mit dem Schwerpunkt „Außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung“. In den 80er Jahren ergatterte er dann einen Job in der Jugendhilfe und entschied sich später für ein zweites, berufsbegleitendes Studium zum Diplom-Betriebswirt.

2003 verschlug es Jürgen Klee in den Norden. Mit einem sanften Lächeln sagt er: „Aus dem besten Grund von allen.“ Der Liebe wegen. Mit seiner zweiten Ehefrau gründete er in Flensburg eine Patchwork-Familie mit drei Kindern. Beruflich arbeitete der Betriebswirt 17 Jahre bei den „Mürwikern“ als Geschäftsführer zweier Tochtergesellschaften. Seine berufliche Kompetenz umfasste einen Inklusionsbetrieb ebenso wie Logistik und Dienstleistungen.

2020 wechselte Jürgen Klee zum gemeinnützigen Verein „Brücke Rendsburg-Eckernförde“. Dort leitete er den Fachbereich „Arbeit und Inklusion“, zu dem unter anderem eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und ein Inklusionsbetrieb gehörten. Wohnort blieb weiterhin Flensburg, die nötige „Pendelei“ war zeitintensiv. Da kam die Stellenausschreibung für die VHS-Leitung in der Fördestadt wie gerufen. Ab Mai arbeitete sich Jürgen Klee erst einmal in das Innenleben der VHS ein. Sie besetzt im zweiten Obergeschoss der „Galerie“ einen langen Flur, wo sich Pädagogik und Verwaltung verzahnen. Es werden Interessenten beraten, die Honorare von rund 200 Dozenten abgerechnet und die Programminhalte zusammengestellt.

Volkshochschule Flensburg: Neues Programm, neuer Leiter, neuer Laden
Die Bandbreite der angebotenen Kurse ist riesig!

Große Bandbreite der VHS-Kurse

Für 2024 stehen nicht weniger als 1.495 Kurse und 43.500 Unterrichtseinheiten in der Statistik. Eine riesige Vielfalt, die nicht als ausgeschöpft gilt, sondern zu einer weiteren Entfaltung anregen soll. „Am schönsten ist es, wenn sich Dozent*innen und Interessierte selbst melden und Vorschläge machen“, betont Jürgen Klee. Die meisten Angebote konzentrieren sich auf den Nikolaikirchhof und die Schule am Campus. Seit 2020 – dank einer Kooperation mit der Gemeinde Harrislee – kümmert sich die VHS Flensburg auch um den Nachbarort und nutzt auch dort Räumlichkeiten. Für einige kulturelle oder naturwissenschaftliche Themen geht es auch mal in die Umgebung. So wird demnächst eine Pilz-Tour den Wald von Wallsbüll erobern.

Die VHS Flensburg ist auch zuständig für die zahlreichen Deutsch-Kurse für Migranten. Vor dem Tresen in der „Galerie“ kommt es schon mal zu Schlangen. Eine „Aufruf-Anlage“, wie man sie aus dem Bürgerbüro kennt, soll angeschafft werden, damit die Wartenden die verbleibende Zeit besser abschätzen können. Moderne Technik beeinflusst auch das Kurs-System. Die Corona-Zeit stieß einen Trend zu Online-Meetings an. Dänisch kann bei der VHS von zu Hause gelernt werden. Auch Online-Vorträge über nachhaltiges Bauen, Energiesparen oder Patientenverfügung werden angeboten. An der Dominanz des traditionellen Präsenzangebotes soll aber nicht gerüttelt werden. „Eine Stärke der Volkshochschule ist das gemeinsame Lernen, das soziale Miteinander“, betont Jürgen Klee.

Ein Trend zu Online-Kursen?

Sinnvoll ist die Online-Variante in jedem Fall bei Veranstaltungen, die regional nur wenige Teilnehmer rekrutieren, aber zusammen mit anderen Volkshochschulen funktionieren könnten. Für ein gemeinsames Vorhaben laufen unter dem Dach des Landesverbandes die Vorbereitungen, damit es schon bald möglich ist, sich zu speziellen Themen über die VHS-Homepage aus Flensburg dazu zu schalten, obwohl die Dozentin in Neumünster sitzt.

Ein Kern der Erwachsenenbildung sind auch die Vorbereitungskurse für den ersten und den mittleren Schulabschluss (ESA und MSA). Diese Klassiker ernteten zuletzt allerdings eine erstaunliche Zurückhaltung. Jürgen Klee vermutet: „Der Arbeitsmarkt ist aufgrund des Fachkräftemangels derzeit so aufnahmefähig, dass Schulabschlüsse nicht mehr so entscheidend sind.“ Oder liegt es an den Kosten von rund 200 Euro, die nicht jeder aufbringen kann oder mag? In jedem Fall werden ESA und MSA am 18. und 25. September nachmittags im Bildungsladen in der „Galerie“ thematisiert.

Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner

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