Das Flensburg Journal (Herr Adler) sprach aus gegebenen Anlass mit Herrn Pfeiffer (dem stellvertretenden Leiter des Sachgebiets Prävention der Polizeidirektion Flensburg).

Das Sachgebiet Prävention ist in Flensburg, Schleswig-Flensburg und Nordfriesland zuständig für die Kriminal- und Verkehrsunfallprävention. Die 13 Mitarbeiter halten vom Kindergartenalter an für alle Generationen Präventionsangebote vor. Feste Netzwerkpartner sind hierbei die Schulen, die bis zur 9. Klasse mindestens viermal aufgesucht werden. Im Erwachsenenalter seien beispielhaft die Einbruchsprävention sowie Elternabende genannt bis hin zum Seniorenalter, in dem wir Vorträge für Personengruppen anbieten, um sie vor den typischen Delikten zu bewahren, die überwiegend diese Altersgruppe betreffen.

flj: Herr Pfeiffer, fast täglich liest man in den Medien von erneuten Opfern durch Betrugsdelikte, die überwiegend im Seniorenalter erfolgreich sind. Woran liegt das?
Herr Pfeiffer: In erster Linie an dem Gefühl jedes Einzelnen, dass es ihm nicht passieren könne. Ich frage am Anfang meiner Vorträge immer, wem die Masche des Enkeltricks oder des falschen Polizeibeamten bekannt sei. Anschließend melden sich grundsätzlich fast alle. D. h., dass die Aufklärungsarbeit der vergangenen Jahre sehr erfolgreich war. Unterschätzt wird hierbei, dass allein das Wissen um die Art der Betrügereien uns nicht schützt. Denn das ist auch bei den Opfern, die bei uns Anzeige erstatten, vorhanden gewesen.

flj: Was machen Sie denn in Ihren Vorträgen, wenn das Wissen grundsätzlich schon vermittelt wurde?
Herr Pfeiffer: Ich versuche die Herzen anzusprechen. Ich zeige auf, dass weder die Opfer noch die Täter dumm sind. Die Täter sind professionell und psychologisch geschult. Sie machen nichts anderes. Und wie jeder, der spezialisiert ist, beherrschen sie den Job, ihre Opfer zu manipulieren. Auch die Opfer haben meist eine Biografie vorzuweisen, bei der man nicht auf die Idee kommt, sie für naiv zu halten. Ich versuche aufzuzeigen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es auch bei uns versucht wird, und der überwiegende Anteil von uns reagiert dann für den Täter leider sehr berechenbar.

flj: Was meinen Sie mit berechenbar?
Herr Pfeiffer: Wir reagieren unter bestimmten Voraussetzungen nicht bewusst. Wenn wir ans Telefon gehen, sind wir mit den Gedanken meist noch bei der Sache, die wir kurz zuvor gemacht haben. D. h.: Unsere Aufmerksamkeit gilt noch nicht dem Telefonat. Dann werden die Täter sehr schnell versuchen, Emotionen in uns hervorzurufen. Die stärksten Emotionen in diesem Bereich sind Angst, Liebe und Gier. Jedes einzelne dieser Gefühle reicht, um unser bewusstes Denken herabzusetzen. Wenn also der vermeintliche Enkel oder der falsche Polizeibeamte uns über ein verunglücktes Familienmitglied informieren, werden schon zwei sehr starke Emotionen, nämlich Liebe und Angst, kombiniert, sodass rationales Denken und Handeln fast nicht möglich ist. Dass wir Emotionen nicht kontrollieren können, können wir im Positiven nachvollziehen, wenn wir versuchen, bei einer Reihe von erzählten Witzen nicht zu lachen.

flj: Aber wie geht es dann weiter? Irgendwann ist die Emotion doch wieder vorbei.
Herr Pfeiffer: Leider erst, wenn es zu spät ist. Wenn die Täter feststellen, dass die erwünschte Emotion beim Opfer eintritt, dann legen sie nach. Sie spüren sofort, was wirkt und machen entsprechend weiter. Sie bauen beispielsweise Zeitdruck auf, der ebenfalls nicht beim bewussten Denken hilft. Bei leichten Zweifeln schreien sie beispielsweise auf und suggerieren starke Schmerzen oder der falsche Polizist droht empfindliche Konsequenzen für den Angehörigen an. Die Emotionen werden während des ganzen Telefonats gehalten und, wenn nötig, gesteigert.
Dann werden die Opfer mittels Anweisungen in Routinehandlungen verwickelt, die ihnen leichtfallen und über die sie ebenfalls nicht nachdenken müssen. Bis sie schließlich in der Abfolge der Handlungen auch das Geld zusammensuchen.
Um diese Wirkweise den rationalen Zuhörern in den Vorträgen näher zu bringen, lese ich am Anfang der meisten Vorträge eine Geschichte vor, die von Literaten der Uni Hildesheim nur zu einem Zweck aufgeschrieben wurde. Nämlich, um bei den Zuhörern das Bewusstsein zu wecken, dass es ihnen so wie in der Geschichte tatsächlich auch passieren könnte.

flj: Dann fange ich an, darüber nachzudenken. Das wäre nicht der Fall, wenn ich der Meinung bin, es könne mir nicht passieren, richtig?
Herr Pfeiffer: Genau! Der beste „Komplize“ des Täters bin ich selbst, wenn ich mich nicht vorbereite. Meine Erfahrung ist, dass ich nach der Geschichtslesung auf sehr viel offenere Ohren treffe, um dann meine Verhaltenstipps zu geben.

flj: Bevor wir dazu kommen: Was sind denn die gängigsten Taten, bei denen überwiegend Senioren betroffen sind?
Herr Pfeiffer: Es sind tatsächlich die genannten Beispiele. Die sog. „falschen Polizeibeamten“ können auch falsche Amtspersonen genannt werden. Diese treten dann fürsorglich auf und geben vor helfen zu wollen, indem sie Wertgegenstände „amtlich verwahren“ um sie zu schützen. Sehr viel häufiger wird gedroht, einen nahen Verwandten ins Gefängnis sperren zu müssen. Vor diesem Hintergrund wird dann eine Kaution angeboten, die gezahlt werden könne, um das Familienmitglied vor dem Gefängnis zu bewahren. Hier wird das hohe Vertrauen in staatliche Institutionen ausgenutzt.

Aber auch der Enkeltrick wird nicht alt und funktioniert nach wie vor. Entweder gibt der Täter vor, der Enkel zu sein und dringend finanzielle Hilfe zu benötigen für eine meist medizinisch dringliche Behandlung, oder ein vermeintlicher Arzt meldet sich und berichtet von der dringend benötigten Hilfe eines nahen Verwandten.
Eine weitere Ausprägung des Enkeltricks ist die Kurznachrichten-Masche. In einer Kurznachricht meldet sich der vermeintliche Enkel oder das Kind und bittet die neue Nummer abzuspeichern. Ist das erledigt, wird schnell um Geld gebeten, das dann elektronisch übersandt wird. Mit diesen Maschen entstand allein in Schleswig-Holstein in 2023 ein Schaden von fast 4 Millionen Euro.
Es gibt dann noch weitere Bereiche, wie falsche Gewinnversprechen und Anlagebetrug, aber das würde jetzt zu weit führen.

flj: Was sind denn ihre besten Tipps, um möglichst nicht Opfer eines Betruges am Telefon zu werden?
Herr Pfeiffer: Der Beste ist, aufzuhören zu glauben, es könne mir nicht passieren. Dann setzen wir uns mit dem Thema auseinander, sind vorbereitet und eher Gegner als Opfer.

Die besten Verhaltenstipps sind folgende:

  • Bei unbekannten oder unterdrückten Nummern nicht an das Telefon gehen und auch nicht zurückrufen.
  • Vereinbaren Sie ein Familienkennwort. Wenn ein naher Verwandter in Not ist und das vereinbarte Kennwort kennt, ist er echt.
  • Im besten Fall auf den Telefonbucheintrag verzichten! Vornamen und kurze Telefonnummern können auf das höhere Alter hindeuten. Auch die Adresse bekommen die Geldabholer oft aus dem Telefonbuch.
  • An keinen Umfragen teilnehmen. Abgesehen, dass die anrufende Nummer in diesen Fällen nicht bekannt ist, geben wir einer unbekannten Person zu viel von uns preis, was gegen uns verwendet werden kann.

Wissen, dass die Polizei:

  • nie mit der 110 anruft,
  • nie etwas Schlimmes am Telefon mitteilt,
  • am Telefon keine Wertsachen zur Sicherung erfragt,
  • keine Wertsachen zur Sicherung entgegennimmt,
  • niemals eine Kaution fordert.
  • Wissen, dass es keine seriösen Gewinnspiele gibt, an denen man nicht teilgenommen hat, die den Gewinn am Telefon mitteilen und die eine Vorleistung durch den Gewinner verlangen.

flj: Vielen Dank Herr Pfeiffer!

Text: flj, Pfeiffer
Foto: Presse Polizei

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