Veranlassung zum Konzept
Mir als Flensburger ist die zukünftige Stadtentwicklung sehr wichtig und ein neuer Bahnhof im Herzen der Stadt wird dieses Bild und unsere Gemeinschaft in der Stadt beeinflussen.
Ich bin in einer sehr schönen Stadt aufgewachsen und habe dies lange nicht genug wertschätzen können. Nun möchte ich mich dafür einsetzen, in Flensburg lebenswerte Lebensräume zu schaffen.
Ein neues Flensburger Bahnkonzept beschäftigt die politisch Verantwortlichen in Stadt und Land sowie NAH.SH GmbH (als Organisatorin und Aufgabenträgerin des Nahverkehrs im Land Schleswig- Holstein) bereits seit vielen Jahren. Im Raum steht ein Konzept mit Fernbahnhof in Weiche und einem regionalen Bahnhof in der Innenstadt.
Ein neuer Bahnhof am ZOB wird das Stadtbild Flensburgs langfristig prägen und die Entwicklung der Stadt sowie das Zusammenleben der Bevölkerung widerspiegeln. Er ist nicht nur ein funktionaler Verkehrsknotenpunkt, sondern auch ein Ort der Gemeinschaft, der Kultur und der Verbundenheit mit der Umwelt. Ein rein utilitaristischer Bahnhof kann leicht zu einem „No-Place“ werden, der von den Menschen gemieden wird – ein Phänomen, das in Deutschland aus verschiedensten Gründen bei vielen, sowohl modernen als auch alten Bahnhöfen zu beobachten ist. Ein solcher Bahnhof würde die Nutzung und die Wahrnehmung des Ortes und der Stadt negativ beeinflussen.
Am Knotenpunkt, im Herzen von Flensburg, darf es keinen „No-Place“ geben. Ein gut gestalteter Bahnhof fördert nicht nur die Nutzung des öffentlichen Verkehrs, sondern auch das Gefühl der Verbundenheit zwischen den Menschen, dem Zweck des Bahnhofs und der Stadt selbst. Dies ist eine kritische Entwicklung für Flensburg und hat sowohl großes Potenzial als auch Risiken, die die Lebensqualität der Stadt langwierig beeinflussen werden.

Über die Geschichte des Ortes
Der Sage nach war es der Ritter Fleno, der zu einem kleinen Ort an der Förde entsandt wurde, um dort einen Turm zum Schutz der lokalen Bevölkerung zu errichten. Diese Legende stammt wahrscheinlich daher, dass die damalige Bevölkerung abseits der Förde siedelte, da zu dieser Zeit noch regelmäßig Angriffe durch Seefahrer stattfanden.
Gleichlautend zu dieser Sage wurde ein Wehrturm errichtet und infolge der Stadtentwicklung wurde er als wichtiger Teil der Stadtbefestigung in verschiedenen Bauphasen neu- und umgebaut. Es galt das Stadtrecht, welches 1284 erworben wurde, und den wachsenden Einfluss lokaler Gilden als Gemeinde zu beschützen. Der Standort des Turms war am Fußende der heutigen Toosbüystraße, wo damals eine Flussmündung in die Förde führte.
Flensburg wuchs mit der Zeit zu einer zunehmend wichtigen Handelsstadt im dänischen Orbit heran. Geprägt wurde das Bild zum einen durch Baustoffproduktion aufgrund eines großen Vorkommens an Kies und Lehm (angeblich gab es Ende des 19. Jahrhunderts bis zum 70 Ziegeleien von der Einfahrt bis zur Mündung der Förde, zu dieser Zeit die größte Konzentration in Nordeuropa und der gelbe Flensburger Ziegel war ein beliebter Baustoff) und zum anderen durch den Handel und Weiterverarbeitung von Kolonialware, insbesondere Rum und Spirituosen. Flensburg als Hafenstadt hat eine lang etablierte Seemannskultur, von welcher viele Spuren ihrer Geschichte bis heute an Gebäuden, in Museen und Bars (wie z. B. dem Irish Pub und Lord Nelson Pub) zu finden sind.

Mit der Eroberung durch die Preußen im Jahr 1864 begann eine rapide Industrialisierung. In diesem Zuge erlebte die Stadt den Bau des Militärhafens, Schulen und Kasernen sowie einen massiven Ausbau des Bahnnetzes, der unter dem Ringbahngesetz durchgeführt wurde, um die Bevölkerung Angelns effektiv miteinander zu verbinden. In diesem Rahmen wurden innerhalb weniger Jahre 3 Bahnhöfe in der Innenstadt gebaut. Zum einen der Neubau des Stadtbahnhof (damals „Englischer Bahnhof“ genannt) als Staatsbahnhof 1883 – (heutiger ZOB), der Kieler Bahnhof 1881 – (heutiger Parkplatz zwischen dem Restaurant Gosch und dem Kontor) sowie der Kreisbahnhof 1901 (die Kreisbahn wurde 1885 in Betrieb genommen mit vorheriger Endstation am Güterbahnhof).
Der Innenstadtverkehr veränderte sich mit der Zeit und 1907 bekam Flensburg eine Straßenbahn und erst durch Privat, dann durch Staatsangebote zunehmenden Busverkehr. Zu dieser Zeit begann der Rückbau/Umzug der Industrie vom Hafen in die Südstadt, wo heute der Großteil zu finden ist. Es folgten weitere strukturelle Umbauten für die Nutzung durch PKWs. In den 20/30er erfolgte der erste größere Umbau der Verkehrsführung, um einen direkten Weg für das Auto in die Innenstadt zu ermöglichen. Dies bedingte den Abriss des Kieler Bahnhofs. Folgend wurde der neue Bahnhof 1927 erbaut (heutiger HBF), um den Bahnverkehr umzulegen und der Staatsbahnhof wurde zum ersten ZOB in Deutschland umgebaut (1931).

Im Jahre 1935 wurde die erhobene Bahntrasse mit Brücken und Schutzbunker fertiggestellt, um neben dem Straßennetz unter anderem weiterhin der militärisch wichtigen Fabrik FFG/Rheinmetall und dem Marinestützpunkt die Anbindung zum Bahnnetz zu gewähren. Im Jahr 1934 wurde die Nutzung der Ringbahn eingestellt, da diese durch die strukturelle Entwicklung an Bedeutung verlor (Verdrängung durch PKW und für den Staat kostengünstigeres Busangebot) und schließlich 1954 größtenteils abgebaut. Mit der Forderung, den Holm auto- und bahnfrei zu gestalten, wurde 1973 dann auch die Straßenbahn eingestellt. Der Staatsbahnhof wurde 1951 abgerissen und 1955 erfolgte ein Neubau in einem zeitgemäßen Stil mit Restaurant (dem „UFO“). Dieser wurde 1997-98 durch den heutigen Stahlbau ersetzt.
Entwicklung des Designs
Mit diesem vorgenannten Kontext habe ich lange überlegt, was zu unserer Stadt, den Menschen und der Kultur passt und versucht, ein Bauwerk zu designen, was dies repräsentiert. So bin ich zum Flensburger Turm gekommen.

Ein einzigartiges Gebäude nicht nur in seinem Aussehen, sondern auch in seiner Verbindung zur Geschichte und Kultur der Stadt, welche die Bürger über Jahrhunderte verbunden hat und der Stadt als Symbol ihrer Identität dient. Es festigt unsere Verbindung mit der Geschichte Flensburgs, zeigt diese stolz und teilt sie mit anderen. Er wird von allen gesehen, egal wie man nach Flensburg kommt oder sich in Flensburg bewegt. Ob mit Auto, Bus, Bahn, Boot, Fahrrad, zu Fuß oder mit dem Zug, dieses Gebäude wird alle bei uns willkommen heißen und kann von sehr vielen Orten in der Stadt gesehen werden. Besonders schöne Blicke gibt es von den Seitenhängen der Stadt, wie z. B. von den St. Jürgen Treppen oder von der Duborg, sowie vom Wasser aus. Ebenso kann dieser neue Anziehungspunkt zur Innenstadtbelebung und zur Verringerung der Leerstände in der Innenstadt beitragen.
Das architektonische Design verkörpert die einzigartige lokale Mischung aus Deutsch/Skandinavischem Flair aus Baustilen wie der Backsteingotik, dem Weimarer und Jugendstil sowie typisch skandinavischen Bauten, die das Stadtbild prägen, wie zum Beispiel Deutsches Haus, Kompagnietor, Flensborghus, Museumsberg, Nordertor, Goethe Schule, AVS, St. Jürgen Kirche, Alte Post, Gericht, Marienschule und den kleinen charmanten alten Innenhöfen der Stadt.
So kann der Turm als Symbol für eine Verbindung aus Vergangenheit und Zukunft dienen, welche als Herz der Stadt beide Uferseiten miteinander verbindet. Er steht nicht nur für die wertvolle Geschichte unserer Stadt, sondern auch für die Wertschätzung ihrer kulturellen Entwicklung und kann uns als Vorbild und Orientierung für unsere Zukunft dienen.
Das Bahnhofkonzept
Um mein Konzept zu realisieren, habe ich vor Ort 3D-Scans erstellt, um akkurate Daten zu erhalten, und diese mit digitalen Karten ergänzt. Mit einer 3D-Software habe ich so ein Stadtmodell erstellt und das Konzept nach den vielen in der Stadt vorhandenen Abbildungen des Turmes visualisiert.

Alle mir zur Verfügung stehenden Informationen und Auflagen vom DB-Gutachten, NSH.SH LNVP und Denkmalschutz habe ich in diesem Konzept berücksichtigt.
Ich möchte Ihnen ein konkretes Konzept auf Basis der bestehenden Diskussionen um das neue Bahnkonzept für Flensburg präsentieren, was mit dem kleinen Raum gemacht werden kann, der auf der denkmalgeschützten Bahntrasse Platz hat. Details müssen im weiteren Verlauf konkretisiert, überprüft und angepasst werden. Hierbei handelt es sich um eine Visualisierung für die grundlegende Philosophie des Baus, an die alle Kriterien angepasst werden können.
Viele Fragen sind noch offen, wie zum Beispiel, ob es eine Personenbrücke zum ZOB geben soll, oder ob die Verbindungen zur FFG und zum Westkontor erhalten bleiben soll. Hier stellt sich die Frage, ob dies militärisch kritische Infrastruktur ist, da die Schiene auf der Westseite sowie die Erhöhung ursprünglich für militärische Zwecke 1935 gebaut wurden und dies seit Jahrzehnten anders gelöst ist. Den Personenbahnhof unter Erhalt der Anbindungen zu erbauen, die nicht genutzt werden und das Design auf dem schon sehr kleinen Bauraum sowie den Zugang für die Fahrgäste und die Qualität des Aufenthalts mächtig beeinträchtigen würden, sollte gut begründet sein.
Dieses Konzept ist ein 2-gleisiger Bahnhof mit Ausweichgleisen und berücksichtigt nicht den Fortbestand der Anschlüsse an die FFG etc. und auch nicht die Personenbrücke. Für letzteres habe ich jedoch eine konkrete Idee, die den Neubau und ZOB harmonisch verbindet.

Auf die 5m Erhöhung des Bahnhofes gelangt man von 3 Seiten. Auf beiden Seiten der Hafenspitze führen Wege durch kleine Parks auf den alten Bahntrassen, sowohl für Fußgänger als auch Fahrradfahrer und für Mobilitätseingeschränkte zum Bahnhof hoch. Diese Wege werden ergänzt durch Treppen, welche direkt auf die Brücken führen. Des Weiteren führt ein zum ZOB gewandter Eingang mit zwei Treppen auf direktem Wege zur Ampel zum ZOB. Und drittens gibt es einen Treppenaufgang vom Mauseloch direkt auf den Bahnsteig. Durch den Ausbau der Unterführung ist weiter Platz für einen Fahrstuhl und so ist ein zweiter direkter Übergang zum ZOB möglich.
Auf dem Vorplatz um den Turm herum gibt es einen schönen Aufenthaltsbereich mit Blumen und Sitzmöglichkeiten, mit Blick auf die Förde und die Stadt. Der Turm ragt 20m von diesem Platz in die Höhe. Im Innenraum gibt es im ersten Geschoss Raum für ein DB-Büro und einen Treppenaufgang, der zu einem Aufenthaltsraum vor dem Aufstieg auf die Aussichtsplattform führt. Von dieser hat man einen wunderschönen Panoramablick über die Stadt, den circa 10 Personen zur gleichen Zeit genießen können. Sehr passend zu dem Stadtspruch, „zwischen Himmel und Förde“.
Im Turm-Aufgang und Aufenthaltsraum ist Platz für lokale Kunst und Kultur. An der Fassade des Gebäudes sind die Schleswiger Löwen als Flaggen und das Holstein Wappen ist über dem Fahrstuhl zu sehen. Das Dach im Fischschuppenmuster gehalten und die Stützpfeiler sollen in ihrer Form an Ziegeleischornsteine aus der Vergangenheit erinnern.
Um den Bahnhof herum gibt es viele Ausbau- und Anpassungsmöglichkeiten, wie das große Potenzial der Hafenspitze. Hierzu bin ich mit einem Landschaftsarchitekten konkretere Ideen durchgegangen, wie dieser Ort an den Bahnhof sowie seinem Zweck als Event-Location und öffentlichen Raum gerecht angepasst werden kann. Hier gibt es viele Möglichkeiten wie Wasserspiele, Erweiterung der Begrünung, wie die genannten kleinen Parks auf den alten Bahntrassen, Sitzmöglichkeiten oder ein Selfie-Punkt für Touristen. Das kann den Ort lebendiger machen und die Lebensqualität fördern. So kann eine schöne Harmonie zwischen Bewegung und Aufenthalt an einem prägenden Ort geschaffen werden.
Da der Bahnhof auf kleinem Raum Platz finden muss, gibt es Limitierungen, dennoch gibt es Raum für Bedarf wie Toiletten, Kiosk oder einen geschützten Aufenthaltsraum. Nicht nur in den alten Schutzbunkern unter der Bahntrassenerhöhung direkt beim Bahnhof, sondern auch bei der Angelburger Bushaltestelle sind viele Räume unter der Erhöhung frei, die aktuell mit Werbung zugebrettert sind. In meinem Konzept finden Sie einen solchen Ausbau eines der Schutzbunker beim Aufgang neben dem Treppenaufgang auf der Ostseite der Hafenspitze, mit einer Fahrradgarage für 75-150 Fahrräder.
Schlusswort
Dieses Projekt stellt in seinem Vorhaben einen direkten Vergleich zu dem damaligen Projekt vor 140 Jahren in der preußischen Monarchie her. Es sollen neue Bahnhöfe mit einem neuen Nah- und Fernverkehrskonzept gebaut werden, um die Menschen der Stadt besser zu verbinden.
Bis heute erinnern sich die Menschen an den alten Staatsbahnhof, und immer, wenn es um einen Neubau geht, ist dieser im Bild. Während Bahnhöfe in der Monarchie aus anderen Gründen wie zum Beispiel das Prestige und das Zeigen von Reichtum ihr Design bekommen haben, stellt sich heute die Frage, welches Zeichen die repräsentative Demokratie an diesem Ort setzen wird. Statt gemeinschaftlicher Werte und sozialer Bindung steht oft der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund. Architektur sollte die Menschen nicht nur funktional bedienen, sondern auch inspirieren und verbinden.

Viele Menschen fühlen sich nicht mit „Moderner/Zweck“ Architektur verbunden und es bringt eine negative Atmosphäre in unsere Lebensräume. Genau aus diesen Gründen sind Bewegungen zu Revitalisierung unserer Architektur modern, die unseren kulturellen Reichtum mit Vielfalt schätzen und zeigen will.
Mit diesem Design verbindet der Bahnhof den Ort mit den Menschen, unserer Kultur, der Geschichte, der Umwelt durch Erhalt der grünen Lunge der Stadt und ermöglicht eine direkte Anbindung an den Busverkehr. Es ist eine einmalige Möglichkeit, ein einzigartiges, zeitloses Wahrzeichen in der Stadt zu errichten. Wir müssen uns nicht neu erfinden, wir müssen zusammenfinden.
Jonas Heil