Um das Getränkeglas zu füllen, geht die Hand zur Wasserflasche. Darauf steht: „Druck frisch“! Das „Druckhaus Leupelt“ im Handewitter Ortsteil Weding produziert auch Etiketten für ein eigenes Mineralwasser. Die ganze Bandbreite der eigenen Referenzen reiht sich im Eingangsbereich auf. Bücher, Visitenkarten, Verpackungen, Broschüren oder Magazine – all das findet sich in einem großen Regal. Der Vorstand dieses mittelständischen Unternehmens mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist Franziska Leupelt. Sie ist seit Februar zudem ehrenamtliche Präsidentin der hiesigen Industrie- und Handelskammer und damit die erste Frau in diesem Amt in einer 154-jährigen Historie.
Das war nicht zu erahnen, als sie 1981 als Franziska Cornely in Thüringen geboren wurde und dann im brandenburgischen Städtchen Kyritz an der Knatter aufwuchs. „Die Landschaft ist schön, aber ich wollte dort nicht für immer wohnen bleiben“, erzählt sie. Nach der Schule sollte es woanders hingehen. Aber wohin? Als begeisterte Erdkunde-Leistungskurs-Schülerin nahm die frischgebackene Abiturientin eine Karte und einen Zirkel zur Hilfe. Mit dem Zeichengerät zog sie einen 100-Kilometer-Kreis – zu nah. Dann 200 Kilometer. Lieber noch weiter! Bei 300 Kilometern ritzte der Zirkel eine Linie durch Flensburg. „Das ist gut“, dachte sie. „Ich würde nicht jedes Wochenende nach Hause fahren, und ich würde auch nicht jedes Wochenende Besuch bekommen.“ Und eine Universität gab es an der deutsch-dänischen Grenze auch. Dann konnte es ja losgehen.
Die Anfänge in Flensburg
Im September 2001 bezog Franziska Leupelt im Habichtshof – ganz in der Nähe der Harrisleer Straße – eine kleine Wohnung mit Balkon. Diese versprach Unabhängigkeit und bot vor allem eine nette Nachbarschaft. Und die Marienhölzung war nicht weit. „Wenn man vom Dorf kommt, darf der Wald nicht weit sein“, lacht die Unternehmerin. Damals hatte sie sich das Studium „International Management“ ausgesucht. Allerdings war sie zu spät dran, alle Plätze waren belegt.
Um die Zeit bis zum nächsten Studienbeginn zu überbrücken, entschied sich die Neu-Flensburgerin für eine Ausbildung als Mediengestalterin. Diese absolvierte sie bei einem Lithografen, einer aussterbenden Zunft. Nach einem halben Jahr gab der Betrieb dann auch auf. Franziska Leupelt hätte nun das eigentlich verschobene Studium aufnehmen können, doch sie wollte unbedingt ihre Ausbildung abschließen. Bei der Suche nach einem neuen Ausbildungsbetrieb kam sie das erste Mal mit der Industrie- und Handelskammer in Kontakt. Diese vermittelte ihr eine Druckerei in Schleswig.
Druckerei in Schleswig, dann Medien-Fachwirtin
Gut, dass die junge Frau den „Ford Fiesta“ von Opa noch hatte. Eigentlich wollte sie ihn verkaufen und ein hübsches Fahrrad erwerben, aber Flensburg war hügeliger als erwartet. Und nun musste sie jeden Tag nach Schleswig und häufiger zur Berufsschule in Neumünster. Da bot ein Auto viel mehr Flexibilität als die Bahn. Ab 2004 durfte sich Franziska Leupelt als ausgebildete Mediengestalterin bezeichnen. Daten prüfen und fertigen – dieser Berufsalltag genügte ihr aber nicht. Sie wollte auch in die Kundenbetreuung, was in Schleswig nicht möglich war.
Die Flensburgerin begann ein betriebsbegleitendes Studium zur Medien-Fachwirtin – und das drei Mal die Woche in Hamburg. Montags arbeitete sie lange, damit sie dienstags um 16 Uhr Feierabend machen konnte, um bis in den späten Abend an der Elbe die Lehrveranstaltungen zu besuchen. Auch donnerstags musste sie los – und den gesamten Samstag. Aber es lohnte sich: Die Studentin lernte auch Personalführung oder Psychologie. Jetzt könnte man noch ein BWL-Studium draufsatteln, dachte sie. Oder lieber die Praxis? 2006 wechselte Franziska Leupelt, die damals noch Cornely hieß, zum „Druckhaus Leupelt“ nach Weding – als Assistentin im Büro. Sie widmete sich vor allem der Buchhaltung und der Kalkulation. „Alle meinten immer, dass Zahlen nichts für mich seien“, schmunzelt sie. „Schließlich hatte ich im Abitur in Mathe eine Fünf.“ Aber das Interesse eliminierte schnell alte Schwächen.
Aufstieg im „Druckhaus Leupelt“
Das Studium in Hamburg lief noch. Als es abgeschlossen war, machte die frischgebackene Medien-Fachwirtin den Vorschlag, im „Druckhaus Leupelt“ zur zweiten Geschäftsführerin aufzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt war Ulrich Leupelt der geschäftsführende Inhaber des gewachsenen Familienbetriebs. Sein Vater hatte bereits 1962 eine noch ältere Druckerei gekauft. Der Filius übernahm 1990 und baute schließlich im Wedinger Gewerbegebiet „Heideland“ neu. Mit der engagierten und qualifizierten Mitarbeiterin einigte sich Ulrich Leupelt auf Gesellschafter-Anteile im Verhältnis 50:50. Es entstand die „Druckhaus Leupelt GmbH & Co. KG“. Die Geschäftsführung wurde auch privat ein Paar und heiratete 2009.
Da hatte Franziska Leupelt neben dem Alltag als Geschäftsführerin ein Ehrenamt. Es waren Kunden, die sie für die „Wirtschaftsjunioren Flensburg“, die eng mit der Industrie- und Handelskammer zusammenarbeiten, anwarben. In der Vereinigung gefiel es dem neuen Mitglied auf Anhieb. Es gab interessante Projekte wie die Vermittlung von osteuropäischen Jugendlichen für ein achtwöchiges Wirtschaftspraktikum, den Austausch in einem lebendigen Netzwerk und den berühmten Blick „über den Tellerrand“.
Das Netzwerk der Wirtschaftsjunioren
2011 wurde Franziska Leupelt zur Kreissprecherin gewählt und hatte dadurch auch Kontakt zum Bundesvorstand in Berlin. Häufiger ging es zu Kongressen und Konferenzen, sehr bald gehörte das Nordlicht mit dem Ressort „Unternehmertum“ dem Bundesvorstand an und wurde schließlich sogar zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Bis dahin hatte Franziska Leupelt wenig mit politischen Interessensvertretungen zu tun, doch nun traf sie bei Podiumsdiskussionen auf bekannte Bundespolitiker und kam aufgrund der internationalen Beziehungen der Wirtschaftsjunioren sogar ins UNO-Hauptquartier in New York und zu einem Weltkongress der jungen Unternehmer nach Rio de Janeiro. Kurz darauf liebäugelte die Flensburgerin mit einer Kandidatur zum Bundesvorsitz, nahm dann aber davon Abstand. Sie erhielt die Senatoren-Würde der Wirtschaftsjunioren, zog sich aber komplett aus dem Ehrenamt zurück.
Investitionen im Betrieb, Veränderungen im Privatleben
Das enorme Arbeitspensum hatte seinen Tribut gezollt. Franziska Leupelt war viel unterwegs und zu wenig im Unternehmen. Und dort standen nun einige Investitionen an. Zudem kam es 2014 zur privaten Trennung des Geschäftsführer-Duos. „Ulrich und ich hatten festgestellt, dass wir beruflich hervorragend zusammenarbeiten konnten, privat aber kein Paar waren“, erklärt Franziska Leupelt. Das „Druckhaus Leupelt“ wurde unverändert als Tandem geführt.
Mit dem neuen Lebenspartner Thomas ging es ab 2015 daran, eine erworbene Immobilie in Mürwik in das Traumhaus umzubauen. Eine durchaus kraftraubende Phase, in der auch mal Pausen zum Abschalten eingeschoben werden mussten. Das Paar streute regelmäßig ein längeres Wochenende im Monat für ein Freizeit-Highlight ein. „Wir schenken uns zu unseren Geburtstagen, zu Weihnachten und zu Ostern immer Reisen“, verrät Franziska Leupelt. Sankt Peter-Ording wurde zum schnell erreichbaren Lieblingsziel.
Es ging auch weiter, 2018 sogar erstmals nach Übersee. Mit dem Auto wurde einmal die USA gequert – von Los Angeles nach Miami. Ein Abstecher nach Las Vegas war gebucht. „Wir haben uns getraut“, hieß es danach. Kreditkarte und Reisepass genügten in der Wüstenstadt für eine kleine Zeremonie und ein Dokument, mit dem die Ehe auch bei einem hiesigen Standesamt Anerkennung gefunden hätte. Aber so formell sollte es nicht bleiben. In Deutschland gab es eine richtige Hochzeit.
Naturnähe nach Corona-Lockdown
Für 2020 war die Hochzeitsreise nach Sambia und Simbabwe geplant. Es blieb beim Plan. Der Corona-Lockdown schloss die Grenzen. Urlaub war plötzlich Utopie, zumal die Druckerei eine Menge Aufträge bekam. „Einige unserer Kunden wollten ihre Lager gefüllt haben“, berichtet Franziska Leupelt. „Wir durften sehr viele Verpackungen drucken und arbeiteten teilweise sogar in drei Schichten.“ Nach einigen Monaten öffnete sich dann doch ein Tor ins Ausland. Schweden drängte sich im Corona-Sommer 2020 auf. Franziska Leupelt und ihr Mann fuhren mit einem Jeep immer weiter gen Norden und landeten schließlich hinter der Industriestadt Kiruna in einem wunderschönen Nationalpark, wo sie spontan im Auto übernachteten.
Diese Naturnähe brachte sie auf den Geschmack. Wäre ein Van, mit dem man größere Touren unternehmen könnte, nicht eine tolle Sache? Das Paar ließ einen alten Mercedes-Sprinter zum Bus umbauen. Dann wurde Europa erkundet. In zwei Wochen ging es bis zum Nordkap und zurück über Finnland und das Baltikum. Ein anderes Mal wurde Frankreich besucht, es folgten die kroatische Adria oder Griechenland. „Dann fragte Thomas plötzlich, warum wir eigentlich keine Rallye fahren“, erzählt Franziska Leupelt mit einem Lächeln. Sie saß schon sehr bald am Steuer („Ich bin eine schlechte Beifahrerin“) eines 30 Jahre alten Jeep Cherokee und düste durch das nördliche Skandinavien – von Ort zu Ort mit Logbuch statt Navigationsgerät. In einer anderen Rallye kletterte das Fahrzeug die Pässe der Alpen hoch.
„Druckhaus Leupelt“: Zäsur und Standort-Treue
Im „Druckhaus Leupelt“ kam es im September 2023 zu einer Zäsur. Ulrich Leupelt zog sich aus Altersgründen aus dem Tagesgeschäft zurück. Das Unternehmen wurde deshalb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Aktien wurden im Verhältnis 50:50 aufgeteilt. Franziska Leupelt nennt sich nun Vorstand, erstellt die Bilanz, die von einem dreiköpfigen Aufsichtsrat geprüft und dann in der zweiköpfigen Aktionärsversammlung verabschiedet wird.
Die Zeichen im „Druckhaus Leupelt“ sind auf Zukunft gestellt. Gerade wurden zwei alte Maschinen ausrangiert und durch ein größeres, effizienteres Modell, das weniger Strom benötigt, ersetzt. Demnächst soll eine Photovoltaik-Anlage auf das Dach kommen. Ein Grundstück ein paar hundert Meter entfernt wird allerdings zurückgegeben: Nach vier Erweiterungen und der Integration aller ehemaligen Betriebsleiter-Wohnungen schien der Firmen-Standort restlos ausgereizt zu sein. Dann sagte ein erhoffter Großkunde ab, und die aktuellen Kapazitäten genügten. Überhaupt ist das Druckgewerbe keine Wachstumsbranche. Schließungen, Fusionen, höhere Papierkosten und ein kleineres Marktvolumen skizzieren die Rahmenbedingungen. „Wir schlagen uns aber gut durch“, erklärt Franziska Leupelt mit überzeugendem Unterton. „Print-Produkte wird es weiter geben, gerade Bücher oder hochwertige Image-Broschüren werden gefragt bleiben.“ Auch der individuelle Ansatz ist vielversprechend. „Wenn eine Firma ihren Hammer originell verpackt haben möchte, finden wir eine Lösung und drucken das in Serie“, betont die Unternehmerin.
Sprachrohr der Wirtschaft
Seit 2017 hat Franziska Leupelt übrigens wieder ein Ehrenamt. Mit der Senatorenwürde der Wirtschaftsjunioren wollte sie nicht mehr auf Kreisebene der Nachwuchsvereinigung einsteigen, aber doch wieder als Sprachrohr der Wirtschaft fungieren und vor allem Menschen kennenlernen. So bewarb sie sich für die IHK-Vollversammlung als Vertreterin des Bereiches „Industrie/verarbeitendes Gewerbe“ im Kreis Schleswig-Flensburg. Kurz darauf war sie eines von 60 Mitgliedern dieses Organs, das insgesamt 38.500 Betriebe zwischen Flensburg und Heide vertritt. Die Vollversammlung kommt allerdings nur einmal im Quartal zusammen. Franziska Leupelt wünschte sich persönlich einen intensiveren Kontakt und wurde nur wenige Monate später zur Vize-Präsidentin gekürt. Mit ihr wurden eine weitere Frau und vier Männer in dieses Amt gewählt. Sitzungen, Austausch und Fachausschüsse füllten fortan den Terminkalender. Die Tagesthemen ergeben sich aus den Aufgaben einer Industrie- und Handelskammer. Diese Institution unterstützt Arbeitgeber bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften, hilft bei der Betriebsgründung und berät in unternehmerischen Fragen. Einmischungen in die Tarifpolitik oder in die Debatte um eine Vier-Tage-Woche sind hingegen einer Kammer gesetzlich untersagt.
Zur letzten Jahreswende war klar, dass IHK-Präsident Rolf Sörensen nach sechs Jahren im Amt zum Februar ausscheiden würde. „Ich werde mich zur Wahl stellen“, beschloss Franziska Leupelt. „Aber nur, wenn das gesamte Präsidium als Team auftritt.“ Sie wurde von der Vollversammlung gewählt. Beim Blick in den Kalender hat sie nun das Gefühl, das jeden Tag etwas los ist. Die Veranstaltungen und Termine der Gremien werden unter den Präsidiumsmitgliedern aufgeteilt. Abstimmungen und Telefonate mit dem IHK-Hauptgeschäftsführer oder der Bereichsleiterin sind fest verankert im Tages-Rhythmus. Neuaufgelegt wurde ein „Business Lunch“ für Frauen. Dieser fand bei der Premiere große Resonanz. Franziska Leupelt setzt auf einen „authentischen Stil“ – im Ehrenamt und natürlich auch im Beruf.
Text: Jan Kirschner,
Fotos: Kirschner, IHK, Marcus Dewanger, Privat