Nicht jeder Flensburger Kopf ist in der Fördestadt geboren und manch einer hat noch nie in ihr gewohnt. Zu dieser Gattung zählt Clemens Teschendorf. Der 50-jährige ist seit fast 13 Jahren der Pressesprecher der Stadt Flensburg. Sein Büro hat er im zehnten Stock des Rathauses, auf derselben Etage wie der Oberbürgermeister. Ein Privileg, das einer Stabsstelle gebührt. Die Tätigkeit ist aber nicht mit der Amtszeit eines Oberbürgermeisters verknüpft, vielmehr vertritt der Pressesprecher die gesamte Stadtverwaltung und weiß bei eintreffenden Fragen der Medien genau, wo im riesigen Verwaltungsgebäude die richtige Ansprechperson sitzt.
Clemens Teschendorf ist ein waschechtes Nordlicht. Zwar steht im Pass Bielefeld als Geburtsort, die ersten Kindheitserinnerungen sind aber mit Jagel und der nahen Kreisstadt Schleswig verbunden. Hier besuchte der Junge den dänischen Kindergarten und die dänische Schule. Nach der sechsten Klasse wechselte er aufs Gymnasium und nahm täglich den recht weiten Weg zur Duborg-Skolen auf sich. Unterricht, Freunde und Hobbys – Flensburg gestaltete nun den persönlichen Orbit. „Für Musik, Deutsch und Geschichte hatte ich ein Faible, für den mathematischen Bereich weniger“, bilanziert Clemens Teschendorf seine Schulzeit. „Das Abitur entsprach nach Aufwand und Ergebnis dem Optimum.“ Dieses Reifezeugnis hatte er 1994 in der Tasche.
Statt Musik ein Studium der Politikwissenschaft
Der junge Mann war auf Zivildienst eingestellt, wurde dann aber ausgemustert. Er dachte daran, Musik zu studieren. Die Gitarre war seine Leidenschaft. Mit einer Heavy-Metal-Band probte er regelmäßig im dänischen Aktivitätshaus. „Ich hatte allerdings Probleme mit dem Handgelenk“, erklärt er. „Da hatte ich Sorge, dass es irgendwann schlapp machen könnte.“ Da er aber keine wirkliche Alternative zur Hand hatte, jobbte er erst einmal im Gitarren-Zentrum in der Norderstraße. Inhaber Ralf Mansfeld war viel in der Werkstatt aktiv, Clemens Teschendorf kümmerte sich inzwischen um den Laden. Es war ein Übergangsjahr, in dem er bald sein Interesse an gesellschaftlichen und politischen Themen erkannte. An der Duborg-Skolen war er Klassensprecher und später sogar Schulsprecher gewesen, nun rückte die Politikwissenschaft als Studienfach in den Fokus.
Es verschlug ihn nach Berlin. Ein Freund lebte schon dort, und ganz in der Nähe fand sich in einem Hinterhof eine Wohnung. Das Badezimmer hatte nur eine Toilette mit Waschbecken. Zum Duschen musste Clemens Teschendorf zum erwähnten Kumpel oder ins Schwimmbad. In den 90er Jahren war die lange Teilung Berlins an vielen Orten noch spürbar. Clemens Teschendorf wohnte im Ost-Stadtteil Friedrichshain, pendelte aber fast täglich zur Technischen Universität, die westlich der früheren Mauer lag und damals auch einen geisteswissenschaftlichen Bereich hatte. Ein Studium war noch nicht so verschult wie heute. Es verlangte viel Selbstorganisation, erforderte Eigeninitiative und auch die Möglichkeit, mal bei der Atomphysik hineinzuschnuppern. Andererseits bestand aber auch immer die Gefahr der Ablenkung, gerade im Kosmos der Millionen-Metropole Berlin.
Ein Diplom-Politologe als persönlicher Referent
Für Clemens Teschendorf war nicht nur die Politikwissenschaft spannend. Er wollte sich auch selbst politisch engagieren. Er stellte sich im Kurt-Schumacher-Haus in Berlin-Wedding vor und trat zum 1. April 1996 in die SPD ein. Er landete bei den „Jusos“ und übernahm bald erste Ämter. Zwischendurch streute Clemens Teschendorf ein paar Monate in Dänemark ein. Wegen der Liebe zog es ihn nach Aarhus, wo er bei einer Zeitung ein Praktikum absolvierte. Zurück in Berlin wechselte er bald den Studienort. An der Technischen Universität wurden die geisteswissenschaftlichen Fächer zunehmend ausgedünnt. Der Student aus Flensburg immatrikulierte sich für den Diplom-Studiengang an der Freien Universität. Schwerpunkte waren das politische System der Bundesrepublik, die Parteien und die Umweltpolitik. In der Diplomarbeit nahm Clemens Teschendorf eine Bewertung der EU-Altauto-Verordnung vor.
2003 erfolgte schließlich der Einstieg ins Berufsleben. Ein Freund hatte einen heißen Tipp: Berlins damaliger Finanzsenator Thilo Sarrazin suchte einen persönlichen Referenten. Der frischgebackene Diplom-Politologe war aber bei weitem nicht der einzige Bewerber, die Stelle bekam ein anderer. Kurz darauf suchte eine Staatssekretärin einen Referenten. Das nächste Bewerbungsverfahren lief. Plötzlich war wieder ein Platz frei bei Thilo Sarrazin. Die Unterlagen wechselten das Büro: Clemens Teschendorf begann nun doch beim Finanzsenator.
Dabei agierte er auch als stellvertretender Pressesprecher. Der Kollege war ein ehemaliger Rundfunk-Journalist und überließ dem Novizen die Kommunikation zu städtischen Beteiligungen und Steuern. „Die Veräußerung der Berliner Landesbank und die Haushaltskonsolidierung waren die großen Themen, und alle zwei Wochen hatten wir eine Demo vor der Tür“, berichtet Clemens Teschendorf von „spannenden und lehrreichen Jahren in einem großen Büro“. Seinen Chef lernte er dabei als „besonderen“ Menschen kennen, der gerne provozierte. Seinen ersten umstrittenen Beststeller „Deutschland schafft sich ab“ schrieb Thilo Sarrazin 2010, als dieser in Diensten der Bundesbank stand. Da war das Nordlicht inzwischen schon bei einem Berliner Staatssekretär beschäftigt – und gedanklich wieder in Flensburg.
Rückkehr in den Norden
Clemens Teschendorf hatte seit 2009 eine Freundin aus der Fördestadt. Das Paar dachte an eine gemeinsame Zukunft im hohen Norden. „Berlin ist als junger Mensch eine tolle Stadt, selbst um 4.30 Uhr ist noch eine Kneipe offen“, erzählt der Flensburger.
„Aber wenn man am nächsten Morgen zur Arbeit muss, zieht man eine Nacht mit ruhigem Schlaf vor.“ Er erfuhr davon, dass unter dem neuen Oberbürgermeister Simon Faber die Pressestelle im Flensburger Rathaus ausgeschrieben werden würde. Clemens Teschendorf klopfte mit einem „prominenten“ Anruf aus einem Berliner Staatssekretariat im Vorzimmer des Oberbürgermeisters an, ob eine Bewerbung Sinn machen würde. Das „Ja“ kam schnell, das Bewerbungsverfahren dauerte allerdings etwas länger.
Im April 2011 lag die Zusage vor. Clemens Teschendorf und seine Freundin Annika mieteten sich ein Einfamilienhaus in Roikier an. „Nach Flensburg wollten wir nicht ziehen“, erklärt er. „Nach Berlin reizte uns das Landleben, der kurze Weg zur Ostsee und viel Platz für Haustiere.“ Er wurde aber noch in der Bundeshauptstadt gebraucht. Der Vertrag beim Staatssekretariat lief bis zum 30. Juni, und am 1. Juli, einem Freitag, war Beginn in Flensburg. So stieg Clemens Teschendorf am Donnerstag nach Feierabend in Berlin in sein vollgepacktes Auto, kam zu später Stunde in Roikier an, schlief kurz und erschien am nächsten Morgen im Flensburger Rathaus.
Simon Faber hatte er seit dem Bewerbungsgespräch nicht mehr gesehen, aber der Auftakt war gleich heiß. Ausgerechnet an jenem Tag führten die Dänen nach zehn Jahren wieder Grenzkontrollen ein – was großen Wirbel auslöste und auch Flensburg tangierte.
Der neue Pressesprecher stimmte kurz mit Simon Faber die Linie ab, dann ging es gemeinsam zum Grenz-
übergang, wo am Seitenstreifen bereits Fernseh-Teams aus Nah und Fern warteten. „Den Oberbürgermeister führte ich von einem Interview zum nächsten“, erinnert er sich. „Ich sagte ihm stets, in welcher Sprache er zu kommunizieren hatte und aus welchem Land die Journalisten stammten.“ Simon Faber ging danach direkt in den Urlaub, Clemens Teschendorf in sein erstes Flensburger Wochenende.
Die Aufgaben eines Flensburger Pressesprechers
Damals saß der Pressesprecher noch in Stock Nummer 13, seit 2017 – mit dem Wechsel auf Simone Lange – ging es zusammen mit dem Stellvertreter Christian Reimer in Etage zehn. Daran hat sich mit dem Amtsantritt von Fabian Geyer nichts geändert. SSW, SPD und parteilos – die drei Vorgesetzten hatten drei verschiedene politische Vitas. Für Clemens Teschendorf kein Problem. „Zum einen bin ich der Sprecher der gesamten Verwaltung, zum anderen besteht das Gebot der Loyalität“, erklärt er. „Nur bei den großen Fragen ist der Oberbürgermeister involviert.“ Nach 13 Jahren hat er schon viele Fragen mehrmals beantwortet und weiß genau, wo im großen Rathaus die richtige Ansprechperson sitzt.
Der Pressesprecher ist ein Job von Montagmorgen bis Freitagmittag – im Prinzip wie die meisten anderen. Es kommt aber schon vor, dass er politischen Ausschüssen oder den Ratsversammlungen beiwohnt, was sich schon mal bis in die Abendstunden ziehen kann. Und in dringenden Fällen ist Clemens Teschendorf auch am Wochenende erreichbar. Medien arbeiten rund um die Uhr. Es kann immer etwas hochkochen. „Mir ist es lieber, wenn Journalisten bei wichtigen Themen anrufen oder mich anschreiben, als dass sie spekulieren“, sagt der Pressesprecher.
Wahlheimat Roikier, ein Ortsteil von Steinbergkirche
Nach Feierabend geht es nach Angeln. Das Haus in Roikier ist inzwischen gekauft, Freundin Annika wurde geheiratet. Die Bude ist voll. „Wir haben einen Hund und derzeit sechs oder sieben Katzen“, schmunzelt Clemens Teschendorf und schiebt nach: „Meine Frau ist Tierärztin – und da gibt es immer mal ein Sorgenkind, um das man sich besonders kümmern muss.“ In Steinbergkirche gehörte er zu den Protagonisten der Kommunalpolitik, war stellvertretender Bürgermeister, Vorsitzender des Zweckverbandes für Abwasser und Leiter des Amtskulturrings.
2017 trat Clemens Teschendorf sogar als Direktkandidat für den Bundestag ab. Es waren 15 anstrengende Monate. Neben dem Job war ein Wahlkampf zu bewältigen. Anfangs sah es gut aus mit einem Mandat, doch dann trübte sich die Stimmung um die SPD ein. „Zwei Wochen brauchte ich, um wieder nach vorne zu blicken“, erzählt der 50-Jährige. „Im Nachhinein ist es auch ganz gut, dass es nichts mit Berlin geworden ist: Die Stadt ist lauter geworden.“ Außerdem habe er nach wie vor Freude an der Arbeit als Pressesprecher der Stadt Flensburg. Außerdem sitzt Clemens Teschendorf seit 2018 für die SPD im Kreistag und begleitet in Schleswig einige regionale Entwicklungen.
Hobbys: Fotografie und Musik
Er beschränkt sich mittlerweile auf dieses eine Ehrenamt, um genug Zeit für Hobbys zu haben. Da war die Musik lange Zeit dominierend. Der Wahl-Angeliter spielte Gitarre in der Band „Triebwerk“. Die lauten Klänge sind aber verklungen. „Nach und nach sind die anderen Band-Mitglieder weggezogen oder gründeten Familien – wie es so ist im Alter von gut 30 Jahren“, erklärt er. „Vielleicht kommt in ein paar Jahren ja das Comeback.“ Mit Freunden besucht er drei bis vier Mal im Jahr Konzerte in Hamburg.
Das aktive Hobby ist nun die Fotografie. Schon in der Jugend hatte Clemens Teschendorf mit einer Spiegelreflexkamera experimentiert. 2018 kaufte er sich eine Systemkamera. Mit dem Wohnmobil ist er gerne für ein paar Tage unterwegs. Frau und Hund sind meistens dabei. Vor allem eine Leidenschaft für Motive mit Wildtieren ist erwacht. Deshalb legte sich der Foto-Enthusiast auch ein riesiges Objektiv zu – um den Vögeln und Vierbeinern ganz nah zu kommen. Seine Erfahrungen und Aufnahmen teilt er in einem Video-Kanal („Teschendorf Naturfotografie“) und auf den sozialen Medien.
Manchmal geht es mit einem oder zwei Gleichgesinnten auf Foto-Tour. Clemens Teschendorf erwischte in Norwegen schon stolze Elche, verpasste aber Moschusochsen. Im Februar ging es auf die Lofoten. Während sich die Mitreisenden vor allem an den Landschaften mit einem beeindruckenden Polarlicht begeisterten, interessierte sich der Flensburger vor allem für den Fels mit den vielen Krähenscharben. 30 Aufnahmen die Sekunde! Und an der Wand im Büro hängt ein Bild mit einem Alpenstrandläufer, den er auf dem Darß fotografierte. Jetzt, wo die Tage wieder deutlich länger und wärmer geworden sind, geht es für Clemens Teschendorf mit dem Feierabend oft direkt vom Rathaus in die freie Natur.
Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, privat