Fünf Teams prägten in der letzten Saison die Spitzengruppe der Handball-Bundesliga. Der THW Kiel wurde am Ende deutscher Meister, der SC Magdeburg hievte sich auf den Thron der Champions League, die Rhein-Neckar Löwen ergatterten sich den DHB-Pokal, und die Füchse Berlin feierten mit der Trophäe der European League. Aus diesem Quintett ging ausgerechnet die SG Flensburg-Handewitt leer aus. Das soll sich in der Spielzeit 2023/24 nicht wiederholen. Die Nordlichter lechzen nach zumindest einem Titel.
Mitte Juli begann die Mission. Laufen und Laktat-Tests, dann Athletik-Übungen, Gegenstöße, Zweikämpfe und Würfe – die SG setzte zum Auftakt ihrer Saison-Vorbereitung in und an der Glücksburger Rudehalle auf die klassischen Inhalte. Allerdings tummelten sich mehr neue Gesichter als sonst unter den Handballern. Da passten sich die beiden neuen Dänen Simon Pytlick und Lukas Jörgensen wie zuletzt bei GOG Gudme den Ball zu, während der norwegische Rechtsaußen Aksel Horgen erste Kostproben seines Könnens abgab. Sekunden später zeigte der niederländische Linkshänder Kay Smits seine Dynamik beim Werfen. Und Blaz Blagotinsek wischte sich nach der Übungseinheit zunächst den Schweiß von der Stirn, um dann das erste Interview im SG-Dress zu geben. „Wir haben eine sehr starke Mannschaft und können alle Titel angreifen“, sagte der slowenische Kreisläufer.
Damit deutete er zugleich an, weshalb die Vereinsführung den größten Umbruch seit fünf Jahren vorgenommen hatte. 2018 waren die Nordlichter nach langer Zeit mal wieder Meister geworden, mussten dann ein halbes Dutzend Akteure austauschen und wiederholten – ein wenig überraschend – den Coup. Dieses Mal ist alles etwas anders. Verpasste Titelchancen, Frust, Unruhe und ein größerer Personalwechsel prägten das Frühjahr. Mit Hilfe eines neuformierten Kaders soll es nun zurück an die nationale und internationale Spitze gehen.
Wohl am meisten ist es der Trainer, der diesen Neustart personifiziert: Nicolej Krickau feierte im Frühling mit GOG noch das dänische Double, jetzt begleiten ihn die Vorschusslorbeeren auf seiner ersten Auslandsstation. „Es war der perfekte Zeitpunkt, mir den Traum von der Bundesliga zu erfüllen“, sagt der 36-Jährige. Er hat in der Kürze der Zeit schon leidlich Deutsch gelernt, greift nur noch selten auf Dänisch oder Englisch zurück. Derzeit analysiert er alle Klubs der Bundesliga und tauscht sich rege mit seinem Co-Trainer Mark Bult aus. Eine große Revolution des Spielsystems ist nicht zu erwarten. Nicolej Krickau setzt auf viel Tempo und eine 6:0-Abwehr. „Eine andere Deckung bietet sich auch nicht an, wenn man Leute wie Johannes Golla, Blaz Blagotinsek oder Mads Mensah in seinen Reihen hat“, erklärt der neue Chefcoach und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Wir wollen variabler werden.“
Etwas mehr als fünf Wochen hat die SG Zeit, um alles abzustimmen, ehe am 24. August um 19 Uhr gegen den HSV Hamburg das erste Pflichtspiel angepfiffen wird. Und es geht knackig weiter. Am 3. September gastiert die SG beim SC Magdeburg, und bereits am 7. September soll das 109. Landesderby gegen den THW Kiel stattfinden. „Das ist ein Super-Auftaktprogramm“, meint SG-Geschäftsführer Holger Glandorf. „Da wissen wir sofort, wo wir stehen.”
Im Juli standen noch andere Themen auf der Agenda.
Einlauf-Trailer, Portraits und Mannschaftsfotos wurden produziert. Dann fuhr der SG-Tross nach Damp, damit die Spieler eine umfangreiche medizinische Untersuchung absolvierten. Es folgte ein mehrtägiges Trainingslager in Lübeck. Das hatte der neue Sportliche Leiter Ljubomir Vranjes organisiert.
Einst war der Schwede Spieler, Team-Manager und Trainer bei der SG gewesen, nach sechs Jahren kehrte er in neuer Funktion an seine alte Wirkungsstätte zurück. An den großen Ambitionen hat sich nichts geändert. „Bei diesem Kader ist es unser Anspruch, in jedem Wettbewerb vorne mitzuspielen“, betont Ljubomir Vranjes.
Gewöhnen müssen sich die Fans an einige neue Rückennummern. Blaz Blagotinsek hat die 43, Lukas Jörgensen die 25 und Aksel Horgen die 27. Kay Smits übernahm von Aaron Mensing die 33. Simon Pytlick durfte seine Nummer zwei behalten. „Als ich als Junge zu GOG kam, war ich größer als die anderen und mir passte nur das Trikot mit der Zwei“, erinnert sich der dänische Nationalspieler. Mit dieser Zahl wurde er groß und räumte in der letzten Serie mit GOG und dem Danebrog-Team gnadenlos ab. Weltmeister, dänischer Meister und Pokalsieger. Nun soll es mit der SG so erfolgreich weitergehen. „Ich weiß natürlich, dass ich nun in der stärksten Liga der Welt spiele“, sagt Simon Pytlick. „Mein Ziel ist dennoch die deutsche Meisterschaft. Der Kader spricht dafür, dass wir es schaffen können.“
Text und Fotos: Jan Kirschner