Wer Profi werden will und dabei auch das normale Berufsleben nicht außer Acht lassen möchte, hat lange, anstrengende Tage. Davon kann Jannek Klein ein Lied singen. Oft kann man den talentierten Handballer schon um sechs Uhr morgens im Kraftraum der Flensburg-Akademie antreffen. Dem einstündigen Frühsport folgt der Gang zur Arbeit. Seit Sommer absolviert der 19-Jährige beim Unternehmen „Lohndirekt“ eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Gegen 16.30 Uhr ist er zurück. Er isst etwas, aber nicht viel. Jannek Klein hat sich fünf kleinere Sportler-Mahlzeiten am Tag angewöhnt. Das passt besser zum Tagesablauf, der am Abend eine Übungseinheit mit dem Junior-Team der SG Flensburg-Handewitt vorsieht. Müde kehrt er zurück. Angesichts seines sportlichen Programms ist es ein Vorteil, dass sich vieles unter einem Dach befindet. Bett, Küche und Trainingsraum.
Die Flensburg-Akademie stellt derzeit jungen Handballern 14 Internatsplätze zur Verfügung. Jannek Klein zog vor vier Jahren ein, wohnte damals als Jüngster im vorderen Bereich des Gebäudes – und hatte häufiger Heimweh. Heute ist er wesentlich athletischer, hat von 70 auf 100 Kilogramm zugelegt und ist volljährig. Nur noch zwei sind älter. Einer ist David Bleckmann, der „halbe“ Zimmergenosse aus Essen, mit dem er sich eine kleine Einbauküche und ein Bad teilt. „Wenn ich mal nach Hause fahre, dann bleibt David eigentlich immer“, erzählt Jannek Klein.
Seine heimische Scholle liegt noch vor dem Kanal, im Rendsburger Raum, wo er in Schülp aufwuchs. Zunächst wollte der Dreikäsehoch seinem Vater nacheifern und Fußball-Torwart werden. Dann nahm ein Kumpel den Filius mit zum Handball-Training der HSG Schülp-Westerrönfeld. Dort war Jannek Klein als Linkshänder schnell eine Stammkraft. In der E-Jugend trainierte ihn Morten Dibbert, mit dem er nun gemeinsam im Junior-Team aufläuft. Als der sich schon vor etlichen Jahren der SG anschloss, schlüpfte er damit in die Rolle des Idols. Die Nachwuchshoffnung erinnert sich: „Es war das Größte, was man sich als kleiner Butscher vom Dorf vorstellen konnte: Zu einem Bundesligisten zu wechseln.“
Mit seinem Stammverein spielte Jannek Klein in der C-Jugend gegen die SG-Vertretung und gab eine Duftnote ab. Sascha Zollinger, der langjährige Akademie-Sportdirektor und heutige Trainer der Drittliga-Truppe, dachte sich: „Der wäre etwas für uns!“ Das Talent erhielt eine Einladung zum Probe-Training. Dessen Blick ging aber auch zum THW Kiel. Dort faszinierten Christian Zeitz und Dominik Klein, den der Schülper seinen damaligen Teamkameraden scherzhaft als Verwandten anpries. „Die Kieler hatten noch kein Internat, das wäre sehr viel Fahrerei geworden“, stellte Jannek Klein fest. Die Entscheidung fiel zugunsten der SG – und er hat sie nicht bereut. Im November saß er erstmals bei einem richtigen Derby auf der Bank und atmete das besondere Feeling des Klassikers hautnah ein. „Leider hat der THW gewonnen“, sagt der junge Handballer. Am aufgesogenen SG-Stallgeruch lässt er keinen Zweifel. Schließlich hat der Youngster, der erst im Sommer in das Junior-Team und den Männerbereich aufstieg, seit 2014 mit seinem Verein schon vieles erlebt. Zum Beispiel 2016 das Endspiel um die deutsche Meisterschaft der B-Jugend. „In der Handewitter Wikinghalle erlebten wir für unsere Altersklasse eine beeindruckende Kulisse“, erinnert sich Jannek Klein. Trotz seiner vielen Tore reichte es nicht zum Gesamterfolg. Der siegreiche Füchse-Coach und DHB-Vizepräsident Bob Hanning schnalzte mit der Zunge: „Dieser Linkshänder ist überragend.“
Wenige Monate später reiste der Gelobte mit der Bundesliga-Truppe nach Plock. Johan Jakobsson war verletzt, David Bleckmann scherzte: „Vielleicht nehmen sie ja dich mit.“ Am nächsten Tag in einer Schulpause rief Maik Machulla, damals noch Co-Trainer, an: „Kannst du in zwei Stunden beim Training sein und am Wochenende mit nach Plock kommen?“ An Unterricht war nicht mehr zu denken. Jannek Klein sollte erstmals die große Handball-Welt erleben. Die Profis machten auf den Novizen einen sehr aufgeschlossenen und sympathischen Eindruck. Coach Ljubomir Vranjes sowie die Rückraum-Strategen Thomas Mogensen und Rasmus Lauge nahmen ihn in ihre Mitte, um die wichtigsten Spielzüge zu erklären. Jannek Klein glückte in Polen tatsächlich sein erstes Tor, nach dem Spiel durfte er mit zur Pressekonferenz und gab sein erstes Interview auf Englisch. „Wie es sich gehört, habe ich ein paar Tage später eine Kiste Bier in den Trainingsraum gestellt“, erzählt er. Als der junge Linkshänder im November gegen Brest erstmals in der Flens-Arena Torjubel auslöste, musste er wieder eine Kiste spendieren.
Das Talent absolvierte bislang 30 Jugend-Länderspiele, verpasste allerdings 2016 die U18-Europameisterschaft. „Nationalmannschaft – bei diesem Thema war ich zunächst total aufgeregt und stets verkrampft“, erinnert sich Jannek Klein. „Dann platzte vor zwei Jahren bei einem Länderspiel gegen Polen der Knoten.“ Im letzten Jahr gehörte er bei der U19-Weltmeisterschaft dem DHB-Kader an, reiste mit ins ferne Georgien und staunte bei den Bus-Transfers über krasse Gegensätze zwischen Arm und Reich. Kleine Hütten am Straßenrand prägten das Bild, dann plötzlich noble Neubauten. Sportlich reichte es nur zu Platz neun. „Wir hatten mit mehr gerechnet“, bilanziert der SG-Akteur. „Ich war aber mit mir zufrieden und habe auch zahlreiche Einsätze bekommen.“ Im August möchte er an der U20-EM in Slowenien teilnehmen. Ob er dann noch bei der SG spielt? Im Moment laufen Gespräche mit Bundesliga-Trainer Maik Machulla und Geschäftsführer Dierk Schmäschke. „Ich würde gerne bei der SG bleiben“, stellt Jannek Klein klar. „Ich könnte noch ein Jahr im Junior-Team spielen, meine Ausbildung fortsetzen und noch mehr an den Profibereich herangeführt werden.“ Vor 6000 Zuschauern würde er gerne häufiger auflaufen.
Text und Fotos: Jan Kirschner
Spieler-Portrait: Jannek Klein von der SG Flensburg-Handewitt
- WERBUNG -