Allgemein ist immer viel los auf den Transfermärkten des Profi-Sports, wechseln Sportler x-fach vom einen zu einem anderen Verein. Bei der SG Flensburg-Handewitt war es hingegen im Sommer ruhig: Nur Niclas Kirkelökke heuerte an der Förde an, nachdem er die Rhein-Neckar Löwen verlassen hatte. So waren vor ein paar Wochen, zur Saison-Premiere in der „Hölle Nord“, die Augen der Fans besonders auf den 30-jährigen Dänen gerichtet. Der Linkshänder zeigte keinerlei Lampenfieber, warf gleich die ersten beiden Tore und freute sich am Ende über einen glatten 42:28-Erfolg gegen den HC Erlangen. „Nach den vielen Niederlagen mit den Löwen konnte ich endlich das erste Mal in Flensburg gewinnen“, strahlte er. „Ich war vorher ziemlich nervös, denn auf dieses Spiel hatte ich mich schon lange gefreut.“

Denn es ist wirklich lange her, dass seine Verpflichtung eingetütet wurde. Es war noch Ex-Trainer Maik Machulla, der den dänischen Rückraumspieler ab der Serie 2024/25 in seinen Kader integrieren wollte. Vor gut zwei Jahren gab es schon einen Medizin-Check und die Vertragsunterschrift. Die Rhein-Ne­ckar Löwen wollten diese Personalie allerdings erst später kommunizieren, um Niclas Kirkelökke nicht zu früh gegenüber den badischen Fans als „Abgang“ bezeichnen zu müssen. Die SG gilt wie bei vielen Dänen auch für ihn als der Traumverein in der Bundesliga. „Schon in meiner Jugend habe ich die Spiele der SG gerne im Fernsehen verfolgt“, erzählt Niclas Kirkelökke und nennt ein paar private Faktoren: „Freundin und Familie sind nun viel näher, und ich habe auch das Wasser vermisst.“

Das SG-Spieler-Portrait: Niclas Kirkelökke
Mit den Rhein-Neckar Löwen gegen die SG

Der Weg zum Nationalspieler

Seine ersten Handball-Schritte machte er auf Fünen in der Kleinstadt Ringe, die einst für ein großes Musik-Festival bekannt war. „Meine Eltern spielten beide Handball“, erzählt der 30-Jährige. „Ich war schon als Kind oft in der Halle. Man kann sagen, dass ich den Ball schon bei der Geburt in der Hand hatte.“ Recht schnell spürte Niclas Kirkelökke, dass er besser als der Durchschnitt spielte. Und der Handball brachte ihm mehr Spaß als der Fußball. Als er sich mit 12 Jahren dem 30 Minuten entfernten Top-Klub GOG anschloss, war klar, dass er ein guter Ballwerfer werden wollte. Bei GOG leiten seit Dekaden die besten Jugend-Trainer die Übungseinheiten, und die Konzentration der besten Talente befeuert die interne Konkurrenz und damit auch das Leistungsniveau.

Allerdings schlidderte dieser Verein vor 15 Jahren in eine Insolvenz und musste als Zwangsabsteiger die erste dänische Division verlassen. Während andere zweifelten, ob Fünen noch die beste Adresse im Nachwuchshandball sein würde, befand sich Niclas Kirkelökke an der Schwelle zu den Männern. Er nutzte die Gunst der Stunde, schaffte in der Zweitklassigkeit relativ einfach den Sprung ins Team und stieg 2013 mit GOG in die erste Liga auf. Als er im selben Jahr bei der U19-Weltmeisterschaft Gold gewann und ins All-Star-Team gewählt wurde, ging ein Linkshänder-Stern auf. Bis zum A-Länderspiel-Debüt am 3. November 2016 gegen die Niederlande dauerte es dann doch etwas. „Das kam damals überraschend, da ich zuvor anderthalb Jahre wegen einer Schulter-Verletzung nicht spielen konnte“, verrät Niclas Kirkelökke. „Dann ging aber alles sehr schnell, und ich war plötzlich inmitten der vielen Olympiasieger von 2016.“

Das SG-Spieler-Portrait: Niclas Kirkelökke
Austausch der Goldjungs – mit Lukas Jörgensen

Weltmeister und Olympiasieger

Das dänische Nationalteam ist so stark, dass es keine Formdellen duldet und keine Stammplätze garantiert. So musste Niclas Kirkelökke bei den Großturnieren häufiger zuschauen. Nicht anders war es im Januar 2023, als die Weltmeisterschaft in Schweden stattfand. Er war zunächst nur TV-Zuschauer. Dann rief plötzlich Nationaltrainer Nicolaj Jacobsen an. „Er wollte mit mir die Abwehr verstärken“, erzählt Niclas Kirkelökke. „Ich reiste nach Malmö – und ein paar Tage später waren wir tatsächlich Weltmeister.“ Und in diesem Sommer gesellte sich das Olympia-Gold hinzu. Paris und Lille waren ein ganz besonderes Erlebnis. „Das Finale gegen Deutschland war unser bestes Spiel in meiner gesamten Länderspiel-Karriere“, schwärmt er.

Nun also die SG: Natürlich muss der Neu-Flensburger aufgrund des Spielsystems einige neue Dinge erlernen, aber die meisten seiner neuen Teamkameraden sind ihm gut bekannt. Lukas Jörgensen, Simon Pytlick, Emil Jakobsen und Kevin Möller waren Wegbegleiter bei der olympischen Gold-Mission. Aber auch einige der anderen SG-Profis kannte der Neuzugang zuvor nicht nur als Gegner. Mit Mads Mensah spielte er ein Jahr gemeinsam bei den Rhein-Neckar Löwen und natürlich schon lange im dänischen Nationalteam. Dort bekleidete er zeitweise zusammen mit Johan Hansen die rechte Angriffsseite. Und bei GOG spielte er einst zusammen mit Lasse Möller und trainierte unter dem heutigen SG-Chefcoach Nicolej Krickau.

Das SG-Spieler-Portrait: Niclas Kirkelökke
Das erste Tor für die SG

Ruhige Freizeit in Flensburg

Und wenn der Handball mal nicht im Vordergrund steht? Dann trifft sich Niclas Kirkelökke viel mit Freundin Marie, die in Kopenhagen lebt, aber häufiger zu Besuch kommt. Sie essen und kochen gemeinsam und verbringen die Zeit so oft zusammen, wie es geht. „In Heidelberg hatten wir auch ein Badminton-Court gefunden, hier suchen wir noch“, erzählt Niclas Kirkelökke. Er lächelt, denn er weiß, dass er seine sportliche Mission in Flensburg natürlich nicht mit dem Federball, sondern mit dem Handball erfüllen muss.

Text + Fotos: Jan Kirschner

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