Es war Anfang Juni 2017: Die SG Flensburg-Handewitt hatte gerade ein „Tal der Tränen“ durchlebt. Nur knapp zwei Wochen zuvor schwirrten die größten Meister-Gefühle durch den norddeutschen Frühling. Eine Heimniederlage gegen die Rhein-Neckar Löwen, den direkten Kontrahenten, und ein weiteres Desaster in Göppingen verursachten allerdings die größte Katerstimmung. Nach dem letzten Heimspiel gegen Wetzlar hatte Anders Eggert Tränen in den Augen. Nicht aus Enttäuschung, sondern aus Rührung. Der Linksaußen stand nach einer Dekade letztmals für die SG auf dem Spielfeld. Seine Teamkameraden warfen ihn dreimal hoch. Ein versöhnlicher Abschied.
Ein Wiedersehen gab es mehrfach. Denn Anders Eggert schaute immer mal wieder in der „Hölle Nord“ vorbei, er wurde sogar in den Status „SG-Legende“ erhoben. Und im Sommer öffnete sich plötzlich ein neues Kapitel: Der 42-Jährige ist als Co-Trainer zurück, unterstützt in dieser Funktion Chefcoach Nicolej Krickau. Mal muss er etwas im Spiel genauer beobachten, mal eine Übung weiter ausarbeiten oder seine Einschätzung zur Taktik eines Gegners abgeben. „Die Video-Analysen macht Nico für die Spieler, ich hauptsächlich dafür, um die Kompetenz für vertiefende Gespräche zu haben“, erklärt Anders Eggert.
Die Arbeit eines Co-Trainers
Die hauptsächliche Arbeit fällt zwischen den Spielen an, wenn trainiert und analysiert wird. Ein Spieltag ist so ganz anders als früher im Spieler-Modus. Man geht ganz entspannt in Vor- und Nachmittag. Erst zwei Stunden vor einer Partie trifft sich der SG-Tross in der „Hölle Nord“. Es gibt ein paar Gespräche, aber die meisten sind auf ihre Aufgaben und das Warmup fokussiert. Anders Eggert geht zur technischen Besprechung, in der auch die Seitenwahl entschieden wird. Als Team-Offizieller „A“ ist er es, der den Spielbericht unterschreiben muss. „Während eines Spiels verfolge ich die Partie und spreche mit Nico, wenn mir etwas auffällt“, erklärt der Co-Trainer. „Wenn der Gegner etwa einen bestimmten Spielzug immer wieder erfolgreich probiert oder einer unserer Spieler etwas müde wirkt.“ Von früher sind noch Jim Gottfridsson und Kevin Möller dabei. Ljubomir Vranjes, der damalige Trainer, ist nun Sportlicher Leiter.
Der Rollenwechsel erwies sich nicht als Problem. „Aus meiner Sicht ist es leichter gefallen als gedacht“, verrät Anders Eggert. „Manchmal ist es so, dass man nach nur einer Minute merkt, dass es wieder so wie früher ist.“ Bei der SG war es so in diesem Sommer. Und wenn er in der Duburghalle oder auf dem Campus auftaucht, muss er auch immer wieder mal an seine aktive Zeit denken. Zwischen 2006 und 2017 trug er das SG-Trikot. Es war exakt eine Dekade, da sich der Linksaußen in der Spielzeit 2007/8 nach Skjern ausleihen ließ, um mehr Spielpraxis zu sammeln. Danach setzte er sich gegen den zehn Jahre älteren Vorgänger Lars Christiansen durch, wurde zur Stammkraft, musste sich aber etwas gedulden, bis die Titel-Lorbeeren nach Flensburg kamen.
Die alten Erfolge
2012 bejubelte Anders Eggert den Europacup der Pokalsieger, 2015 den DHB-Pokal und 2014 sogar die Champions League. „Es war eine überragende Zeit, ich fühlte mich immer wohl“, erzählt er. „Es war so wie in der Efterskole, einem besonderen Schuljahr in Dänemark, von dem viele Menschen viele Jahre später noch immer schwärmen. Ich hatte nicht eines, sondern zehn von diesem einen Jahr.“ Allerdings verschoben sich die Schwerpunkte im Leben. Anders Eggert heiratete, gründete eine Familie und wurde Vater. Die langen Auswärtsfahrten oder die Trainingseinheiten, die den Alltag ungünstig stückelten, waren nicht mehr so angenehm wie einst. Im Sommer 2016 traf der Profi-Handballer eine Entscheidung: Nach einer letzten Saison sollte es zurück nach Dänemark gehen, die Familie in den Vordergrund rücken. So verpasste Anders Eggert die deutschen Meisterschaften von 2018 und 2019. „Das hätte weh getan, wenn ich nicht mit Skjern dänischer Meister geworden wäre“, verrät der 42-Jährige mit einem Grinsen. „So konnte ich mich für die SG aber so richtig freuen.“
Pendeln zwischen Kolding und Flensburg
Jetzt wohnt er nicht in Flensburg und Umgebung. Der Co-Trainer pendelt. Kolding ist sein Wohnsitz. Seine Frau arbeitet dort. Morgens bringt Anders Eggert den kleinsten seiner drei Sprösslinge zum Kindergarten, dann holt er noch einen Kaffee und fährt zum Training nach Flensburg. „Es war mir sehr wichtig, dass die Arbeit bei der SG mit meiner Familie zusammenpasst“, sagt er. Der Zeitplan spielte fast ebenso wie die Aufgaben eine zentrale Rolle bei den Gesprächen im Januar, als Nicolej Krickau und Anders Eggert ausloteten, ob die Chemie passen würde. Da beide aus dem Aarhuser Stadtteil Braband stammen und sich seit rund drei Dekaden vom Sehen kennen, fiel vieles einfacher.
In Kolding hat Anders Eggert übrigens einen bekannten Nachbarn. Es ist Lasse Svan, der sogar von 2008 bis 2022 für die SG gespielt hat. „Manchmal sehen wir uns ständig, dann auch länger nicht“, erzählt Anders Eggert. „Ende August war zunächst ich eine Woche mit der SG unterwegs, dann war er zehn Tage als Mental Coach mit seinem E-Sport-Team unterwegs.“ Sonst spielen die beiden häufig Padel-Tennis, verabreden sich mit ihren Familien zum Essen oder sie trainieren in der Handball-U11 von Kolding IF gemeinsam ihre Kinder. Nur eines hat noch nicht geklappt: Eine lang angedachte Reise zu den Hotspots des US-Sports wurde immer wieder verschoben.
Text und Fotos: Jan Kirschner