Flensburger Musiker: Martin Wind

Die neue Flensburger Musik-Initiative „ComingHome Concerts“ wurde in Corona-Zeiten gegründet, um Musiker*innen aus Flensburg, die heute in anderen Städten leben und arbeiten, emotional und materiell zu helfen. Der Verein organisiert in der Heimatstadt Live-Auftritte vor Publikum im Museum von Robbe&Berking und an anderen Spielorten. Zum fulminanten Eröffnungskonzert am 21. Oktober begrüßte Bürgermeister Henning Brüggemann das „Ulf Meyer/Martin Wind Quartet“.

Martin Wind wurde 1968 in der Flensburger Diakonissenanstalt geboren

Er lebte mit seinen Eltern und seiner Schwester zunächst in der Nähe des Mühlenfriedhofs, bevor sie in eine große Altbauwohnung in den Marienhölzungsweg zogen.
„Ich hatte ein riesiges Zimmer für mich und konnte im Flur Fussball spielen“, sagt Martin, der in die Waldschule eingeschult wurde. Er verbrachte viel Zeit draußen auf dem Fußballplatz und spielte beim TSV Nord-Harrislee Handball.
Als er 13 Jahre alt war, zog die Familie in ein Haus unweit vom Ostseebad. An der Küste und im Wald ging er dann jahrelang täglich mit dem Labrador „Jule“ spazieren. Oft fuhr die Familie Wind im Sommer auch mit ihrem VW-Käfer nach Holnis, diesem damals wie heute beliebten Ausflugsort.

Die Anfänge als Musiker

In Martins Zuhause gab es eine ausgewogene Plattensammlung mit Sinfonien von Beethoven und Brahms bis zu den typischen Hits der Siebziger Jahre von ABBA oder The Rubettes. Sein Vater spielte Flöte und ermutigte den 12-jährigen, Gitarrenunterrricht im Jugendtreff Exe zu nehmen. Diese Anfänge haben sich eingeprägt.
„Ich werde nie das erste Spiritual ‚He’s got the whole world in his hands“ vergessen, welches wir am Anfang lernten“, meint Martin zu dem damals noch nicht absehbaren Beginn seiner Musikerlaufbahn. Das musikalische Talent war unüberhörbar und so wurde er wie viele andere Musiker auf dem Alten Gymnasium von seinem Musiklehrer Hans Letschert gefördert, der ihm die Position des E-Bassisten in der Jugendbigband anbot.
Das war Martins Instrument! Er interessierte sich für Funk- und Popbands wie Earth, Wind and Fire, Mezzoforte oder Level 42 und durfte neben der Bigband auch im Orchester mitspielen. Von 1987-1989 gehörte er dem Marinemusikkorps Ostsee an.
Später beginnt Martin mit dem „ordentlichen“ Studium des Akustischen Basses in Köln, das er 1996 als „Diplom Orchestermusiker“ abschließt. Und der junge Musiker träumt von einem Aufenthalt in New York, einer der wichtigsten und einflussreichsten Jazz-Metropolen der Welt.

Hinaus in die Welt – eine erfolgreiche Karriere

Es dauert nicht lange, da wird der Traum mit einem Stipendium des DAAD Wirklichkeit. Martin geht zunächst für ein akademisches Jahr an die New York University. Schon nach dem ersten Semester als Graduate Student wird er als Lehrkraft angeheuert und verliebt sich prompt in eine temperamentvolle „echte“ New Yorkerin, Tochter eines griechischen Vaters und einer armenischen Mutter. Sie heiraten und bekommen zwei Söhne, die heute beide schon über 20 Jahre alt sind. Seit 2003 wohnt die Familie in ihrem Haus in Teaneck/New Jersey, einem typischen Vorort ca. 30 Minuten von Manhattan entfernt. Auf die Frage, wie Musiker in Amerika leben, antwortet Martin: „Grundsätzlich herrscht in den USA die Freie und nicht die Soziale Marktwirtschaft wie in Deutschland. Das bedeutet z. B., daß es hier keine Künstlersozialkasse oder gesetzliche Krankenversicherung gibt.
Diverse meiner Musikerfreunde und -freundinnen können sich keine private Krankenversicherung leisten, und auch Altersarmut ist ein Problem. Aber in einer Metropole und Medienstadt wie NYC gibt es immer Arbeit auch für Musiker, die im Vergleich mit Deutschland, bzw. Europa recht anständig bezahlt wird. Auch hier müssen die meisten Jazz-Musiker sich neben ihren Konzerttätigkeiten alternative Einnahmequellen erschließen, wie z. B. Lehrtätigkeiten oder Engagements an Broadway Shows. Ich habe es glücklicherweise geschafft, mich über die lokale NY Jazz Szene auch national zu etablieren und genieße es, auf diesem Wege dieses nach wie vor faszinierende Land zu entdecken.“

Zuhause zwischen Flensburg und New York

Normalerweise fliegt Martin 2-4mal im Jahr nach Deutschland, auch um seine Familie und Freunde zu besuchen. Seine Mutter und Schwester leben in Flensburg, der Vater wohnt in Schuby. Und Ulf Meyer, Martins langjähriger musikalischer Partner und bester Freund ist in Felde bei Kiel sesshaft. Bei den Abitreffen im Fünfjahresrhythmus ist Martin dabei und ein Besuch beim ehemaligen Musiklehrer und Leiter der Bigband am Alten Gymnasium, Hans Letschert ist immer drin.
„Nach all den Jahren fühle ich mich in den Staaten auch zu Hause, aber ich bin hier natürlich nicht so verwurzelt wie in Flensburg und der Förderegion. Es wird immer etwas Besonderes sein, meine Familie und Freunde, sowie die Stätten meiner Kindheit und Jugend zu besuchen. Als ich im Oktober anlässlich der „Coming Home“ Konzerte in Flensburg war, bin ich manchmal einfach für eine halbe Stunde durch die Stadt gefahren, und für einen Besuch an der Förde musste auch Zeit übrig sein. Aber ich freue mich auch immer wieder auf meine eigene Familie und meine vielen Freunde in den USA, unser Haus und natürlich die einmalige Jazz Community hier. Ich habe mich daran gewöhnt, ein gewisses Maß an Sehnsucht zu empfinden, egal auf welcher Seite des Atlantiks ich mich gerade befinde.“

Ein Musikerleben in Corona-Zeiten

Im Jahr 2020 hat Martin Glück im Unglück. Zwar sind komplett alle Konzerte, Tourneen und Aufnahme-Projekte ausgefallen, doch er kann zumindest weiterhin seinen Lehrtätigkeiten an zwei Universitäten nachgehen und somit ein Gehalt beziehen. Seine Frau ist im medizinischen Bereich eingespannt und beide haben sich mit ihren Söhnen, die wieder eingezogen sind, während des Lockdowns häufig im großen Garten aufgehalten.
Im Oktober konnte er mit dem „Ulf Meyer / Martin Wind Quartett“ eine 5-tägige Live-Tour durch Schleswig-Holstein in ausverkauften Häusern spielen.
Das Eröffnungskonzert der von Stefanie Oeding neu gegründeten Live-Musikreihe „ComingHome Concerts“ wurde von mehr als 100 Zuhörern bejubelt.
Der NDR sendete gleich zweimal ein Musiker-Porträt vor der Flensburger Hafenkulisse und dem Spielort Robbe & Berking-Museum im Fernsehen und schickte zusätzlich ein Interview mit Martin über den NDR1 Welle Nord. Auch das ausverkaufte Zusatzkonzert geriet für viele Flensburger zu einem kulturellen Highlight vor dem nächsten Lockdown, der schon wenige Tage später verhängt wurde.
Nun ist Martin wieder in New York und schmiedet neue Pläne: „Wenn ich im nächsten Jahr in Europa, und natürlich auch in Norddeutschland auftreten will, muss ich mich jetzt darum kümmern: Veranstalter ansprechen, Touren und Zeiträume koordinieren.
Es wird nie langweilig bei mir, aber genauso mag ich es! Ich bin ein unverbesserlicher Optimist und glaube immer daran, daß sich die Dinge letztendlich zum Guten wenden werden.
2020 war ein schlimmes Jahr, und es kann ja wirklich nur besser werden. Trotzdem gibt es Lichtblicke: Ich glaube, dass die Erfahrungen der Corona Epidemie uns gelehrt haben, dass weder Soziale Medien, noch die perfektesten Zoom-Calls oder Online-Chats das Erlebnis eines richtigen Live-Konzerts oder einer Unterrichtsstunde mit einem Studenten werden ersetzen können. Ich finde es schön und beruhigend, daß sich gewisse Dinge eben NICHT ändern werden.“

Text: Stefanie Oeding

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