Nur vier Wochen Pause hatte der deutsche Meister, inzwischen stehen die Handballer der SG Flensburg-Handewitt schon wieder in den Startlöchern für die neue Saison. Und nach dem tollen Finale im Juni war es gar nicht so einfach, von 100 auf null herunterzufahren. Diese Erfahrung machte auch Trainer Maik Machulla. Er war gleich am Dienstag nach der Meisterschaftsfeier mit seiner Frau in den Urlaub gefahren. „In Griechenland angekommen merkte ich, dass noch alles arbeitet“, erzählt der Erfolgscoach. „Ich wurde nachts mehrfach wach – vor Glücksgefühlen und Adrenalin.“ Etwas später hatte eine zweite Reise, diesmal auf eine griechische Insel, einen größeren Erholungsfaktor.
Mitte Juli stimmte Maik Machulla der erste Eindruck schon einmal zufrieden. Als er zum Trainingsauftakt in der Marineschule Mürwik eintraf, sah er gut erholte Spieler mit gebräunten Gesichtern, hörte viele Scherze und registrierte eine rege Kommunikation untereinander. „Ich habe mich auf meine Jungs gefreut und sehe nun, dass sie auch mit Lust hergekommen sind“, sagte der Coach. „Das ist wichtig, denn vor uns steht eine lange Saison, in der wir nur wenig Zeit zum Regenerieren haben werden.“
Die SG bereitet sich vor für eine Spielzeit mit über 50 Partien und einen Tanz auf drei Hochzeiten. Nach zuletzt zwei Meisterschaften weiß Maik Machulla um das große Selbstvertrauen in seiner Truppe, arbeitet erneut für einen Spitzenplatz, doch mit Saisonzielen wollte sich der Coach am ersten Trainingstag noch zurückhalten. „Wir stehen zunächst vor der Herausforderung, dass wir den besten Angreifer der letzten Spielzeit und den besten Abwehrakteur der Welt ersetzen müssen“, betont Maik Machulla. Rückraumass Rasmus Lauge zog es bekanntlich nach Veszprém, Defensivchef Tobias Karlsson, zugleich auch Kapitän, beendete seine Karriere.
Das Hauptthema in der Testphase wird die Abwehr sein. Dort möchte Maik Machulla am bewährten 6:0-System festhalten, muss aber ohne Tobias Karlsson neue Aufstellungen, Abstimmungen und Hierarchien einstudieren. Mit Anders Zachariassen, Johannes Golla und Simon Hald sind drei Kreisläufer für das Deckungszentrum erprobt. Zumindest im Hinterkopf steckt aber auch die 5:1-Variante, mit der schneller auf die Offensive umgeschaltet werden könnte.
Ein Vorteil für die SG: Viele Neuzugänge müssen nicht integriert werden. Neben dem jungen Niederländer Niels Versteijnen, der aus dem Junior-Team in den Bundesliga-Kader aufrückt und die Nummer drei im rechten Rückraum sein wird, gibt es nur einen echten Neuzugang: Michal Jurecki. „Mir war es immer wichtig, in einer Mannschaft mit großen Zielen zu stehen“, sagte der 34-jährige Pole. „Ich spielte neun Jahre lang mit Kielce in der Champions League. Nun bin ich wieder in der besten Liga der Welt und hoffe auf Meisterschaft und DHB-Pokal.“ Er kennt aus seiner Zeit in Hamburg und Lübbecke zwar schon die Bundesliga, muss aber nach einem Daumenbruch aus der letzten Serie noch mit Vorsicht agieren.
Bei der Leistungsdiagnostik, die die SG zum Auftakt zusammen mit der Universität Paderborn durchführte, mischte der polnische Routinier schon voll mit. Sprünge und Sprints wurden vermessen, die Belastungen beim Laufen kontrolliert. Obwohl der Himmel auf dem Sportplatz der Marineschule wolkenverhangen war, floss der Schweiß – bis die Sportwissenschaftler endlich ausreichend Daten gewonnen hatten. „Danke für dieses letzte Mal“, grinste Holger Glandorf, „im nächsten Jahr bin ich nicht mehr dabei.“ Der Linkshänder geht in die letzte Saison seiner Laufbahn und wird womöglich Kapitän. Die beiden anderen Kandidaten heißen Jim Gottfridsson und Lasse Svan. Während des Trainingslagers in Südschweden sollten auch Gespräche über die Vergabe der Kapitänsrolle geführt werden. Nun folgt eine Reihe von Tests mit dänischen Top-Klubs. Es beginnt mit Aalborg Handbold (3. August) und setzt sich mit TTH Holstebro (4. August) fort. Am 7. August tritt die SG in Leck gegen Skjern Handbold an. Für diesen Klub spielen bekanntlich Thomas Mogensen und Anders Eggert. Diese beiden SG-Legenden werden am 10. August in der „Hölle Nord“ erscheinen, wenn im Rahmen des Jacob Cement Cups das Abschiedsspiel für Tobias Karlsson ausgetragen wird. Große Emotionen sind garantiert.
Nur eine Woche später beginnt der Reigen der Pflichtspiele: Die ersten beiden Runden im DHB-Pokal machen den Anfang. Die SG muss sich in Lübeck gegen die Mecklenburger Stiere behaupten, tags darauf geht es gegen einen Zweitligisten – entweder gegen den VfL Lübeck-Schwartau oder den VfL Gummersbach. Der Super Cup steigt am 21. August zum zweiten Mal in Düsseldorf. Die SG bekommt es mit dem Pokalsieger THW Kiel zu tun. Es ist das 100. Landesderby.
Bereits am 25. August beginnt die Bundesliga mit der Auswärtspartie bei der MT Melsungen. Vier Tage später beschert die Heimpremiere das nächste Spitzenspiel: Die Rhein-Neckar Löwen kommen in den Norden. Der Vereinshandball sputet sich in dieser Saison. Der Saisonabschluss ist bereits für den 23. und 24. Mai mit dem Final Four der Champions League terminiert. Der Grund: Die Vorbereitung der Nationalmannschaften auf die Olympischen Spiele 2020, die vom 26. Juli bis zum 9. August auch die besten Handballer der Welt nach Tokio bewegen wird, erfordert mehr Zeit.
Text und Fotos: Jan Kirschner

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