Wenn Testamente missverständlich, mehrdeutig oder juristisch falsch formuliert sind, kommt es immer wieder zu Streitigkeiten, die oft langjährige und kostenträchtige Gerichtsverfahren nach sich ziehen, sei es in Erbscheinsverfahren oder auch in Verfahren, in denen es um die Verteilung des Erbes geht. Oft führt dies dazu, dass danach die Familie dauerhaft zerstritten ist und bleibt.
Einer der typischen Fehler, der in handschriftlichen gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten immer wieder enthalten ist, ist die fehlerhafte Formulierung der Schlusserbeneinsetzung bei sogenannten „Berliner Testamenten“. Solange sich Eheleute nur gegenseitig als Alleinerben einsetzen und nichts weiter regeln ist die Testamentsauslegung unproblematisch. Wenn Kinder vorhanden sind, wollen Eheleute in der Regel ihr „Berliner Testament“ so aufsetzen, dass sie sich zunächst gegenseitig als Alleinerben und nach dem Tod des Längstlebenden von ihnen als Schlusserben dann ihre Kinder einsetzen. Damit soll sichergestellt werden, dass zunächst der länger lebende Ehepartner alles erhält und nach seinem Tod dann das, was übrigbleibt, an die Kinder geht.
Oftmals findet man in diesen Ehegattentestamenten aber eine etwas andere Formulierung, die leider zu ganz anderen juristischen Konsequenzen führt. Oftmals steht in den Ehegattentestamenten geschrieben, dass die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben und als Nacherben ihre Kinder einsetzen. Ich bin mir sicher, dass in der Vielzahl der Fälle die Eheleute, wenn sie ihr Testament so verfassen, auch davon ausgehen, dass sie damit regeln, dass zunächst der Längerlebende von ihnen alleiniger Vollerbe wird, der über das geerbte Vermögen völlig frei und ohne Beschränkungen verfügen und dieses auch verkaufen kann und die Kinder dann erst nach dem Tod des Längstlebenden das erben, was dann noch aus dem Vermögen beider Eltern vorhanden ist. Dies ist rechtlich gesehen aber nicht so! Denn es gibt im Gesetz neben den Regelungen, dass die Eltern sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben, zu Vollerben und die Kinder erst nach dem Tod des Längstlebenden als ihre Schlusserben einsetzen, so dass die Eheleute über das geerbte Vermögen völlig frei verfügen und dieses auch verkaufen können, auch die Regelung der Vor- und Nacherbschaft. Bei der Vor- und Nacherbschaft gelten völlig andere Regeln: Ein Vorerbe darf über den Nachlass, das was er geerbt hat, nur ganz eingeschränkt verfügen. Er darf das Geerbte nur nutzen und erhält nur die Erträge des Nachlasses, darf aber nicht die Substanz verbrauchen. Mit anderen Worten: Der Vorerbe darf bei einem Sparkonto die Zinsen verbrauchen, nicht aber das Sparguthaben an sich, bei einer Immobilie im Haus wohnen, nicht jedoch das Haus verkaufen. Für andere Verfügungen benötigt er immer die Zustimmung der Nacherben.
Wenn also in einem Ehegattentestament geschrieben steht, dass die Eheleute gegenseitige Alleinerben und Nacherben ihre Kinder sind, wird das Gericht bei der Beantragung des Erbscheins – bedingt durch den Wortlaut – in der Regel eine Vor- und Nacherbschaft annehmen und den überlebenden Ehegatten im Erbschein nur als Vorerben benennen und die Kinder als Nacherben, wodurch der Ehegatte in seiner Verfügungsbefugnis über den Nachlass stark eingeschränkt ist, was mit Sicherheit viele Ehegatten so nicht gewollt hätten und auch nicht wissen. Dies fällt oft erst dann auf, wenn nach Jahren das Haus verkauft werden soll und über die rechtlichen Konsequenzen der Nacherbschaft aufgeklärt wird. Wenn dann Streitigkeiten mit den Kindern bestehen, ist das Problem groß!
Ein Problembewusstsein, dass der Begriff „Nacherbe“ juristisch gesehen etwas ganz anderes bedeutet als der Begriff „Schlusserbe nach dem Längstlebenden“, ist vielen juristischen Laien nicht bekannt, so dass schon dieses Beispiel zeigt, wie genau Worte in einem Testament gewählt werden müssen, damit nicht vor Gericht über die Auslegung des Testamentes gestritten werden muss, was der Verstorbene, der ja nicht mehr gefragt werden kann, eigentlich gewollt hätte, auch wenn es in dem Testament vom Wortlaut her anders geschrieben steht.
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