Vorspiel
Die DHB-Auswahl bestritt ihr erstes Testspiel vor 5569 Zuschauern in der „Hölle Nord“ gegen Brasilien (32:25). „Insgesamt war es ein schöner Start ins neue Handball-Jahr“, sagte Johannes Golla. „Es war schön hier zu sein und viele bekannte Gesichter zu sehen – auch wenn es etwas anders war als sonst.“ Der DHB-Kapitän, der dieselbe Position auch bei der SG Flensburg-Handewitt bekleidet, betrat sein Wohnzimmer. Allerdings wird der 27-Jährige im Sommer 2026 zur MT Melsungen wechseln. Ein Wink mit Zukunft war da die Zimmereinteilung bei der deutschen Nationalmannschaft. Johannes Golla bekam ein Doppelzimmer mit Timo Kastening, Rechtsaußen bei der MT Melsungen.
Namenshäufung
In diesem Sommer wird sich Luca Witzke der SG anschließen. Der Noch-Leipziger bildet beim deutschen Nationalteam eine WG mit dem Magdeburger Lukas Mertens. Und dann gibt es in der Mannschaft auch noch Lukas Stutzke und Lukas Zerbe. Diese Vornamenshäufung forciert natürlich Spitznamen. Bundestrainer Alfred Gislason beschränkt sich bei Luca Witzke auf den Nachnamen, wobei der ähnlich klingt wie der von Lukas Stutzke.
Polnische Medien-Politik
Die Medien-Termine des DHB sind exakt terminiert mit vorher angekündigten Gesprächspartnern. Beim Gruppengegner Polen war es ganz anders. Da wurde man vom Pressesprecher zum Mannschaftshotel bestellt, als man ein Interview-Wunsch mit Nationalcoach Marcin Lijewski – übrigens von 2002 bis 2008 SG-Profi – geäußert hatte. Dabei hatten Journalisten gar keinen Zutritt zum Quartier. Im Empfangsbereich angekommen wurde man um eine Stunde vertröstet, da der Trainer gerade schlafen würde. Dann stand plötzlich die Vorbereitung für das Spiel gegen Deutschland im Vordergrund. Und ein versprochener Rückruf nach dem Training war zu spät. Angesichts dieser chaotischen Organisation verwundert es nicht, dass die Polen bereits in der Vorrunde scheiterten.
Dänische Pressekonferenz
Vor einer Schulsporthalle breitete sich eine Baustelle aus, die automatische Schiebetür im Eingang war aber voll funktionstüchtig und verschaffte Zutritt zu einem Teil der Weltmeisterschaft: Vor einer Trainingseinheit luden die Dänen zu einer Pressekonferenz. Mehrere TV-Kameras, Agentur- und Boulevard-Journalisten buhlten um O-Töne. Da blieben für kleinere Medien nur drei Minuten für ein Spieler-Interview. SG-Kreisläufer Lukas Jörgensen schwärmte in dieser kurzen Zeit sehr ausgiebig von der tollen Kulisse in Herning. 2019, während der letzten Heim-WM, war er noch Teenager und zwei Mal als Fan in der „Jyske Bank Boxen“. Lukas Jörgensen: „Vor sechs Jahren habe ich viel auf Rasmus Lauge geschaut, jetzt machte er große Augen, als ich ihm das erzählte.“ Nun hatten beide sechs dänische Heimspiele – gemeinsam als Mannschaftskollegen.
Dänische Party
In der Vorrunde war die „Jyske Bank Boxen“ zwei Mal nicht ganz ausverkauft, als die dänische Nationalmannschaft spielte. Aber die Partie gegen Italien war für einen Samstagabend datiert – das Signal für eine große rot-weiße Party. Schon vier Stunden vor dem Anpfiff flanierten unzählige dänische Fans vor der Arena mit entsprechendem Outfit: rot-weiße Trikots, Schals, Hüte und Mützen. Und wer noch nicht passend gekleidet war, der hatte Taschen mit Utensilien dabei oder deckte sich im Innern der Arena ein. Vor und während der Partie wurden Torjubel und dänische Ekstase mit allerlei Hits garniert: West Virginia, Village People und natürlich „Vi er røde, vi er hvide“.
Fan-Zone
Eine große Messehalle verwandelte sich in Herning in eine riesige Fan-Zone, einer Mischung aus Las Vegas und Legoland. Torwandwerfen, Tischkicker, Tischtennis und viele Shops sorgten für Kurzweil. Ein Spiele-Parcours für die Jugend war mit den Konterfeis der dänischen Handball-Stars versehen. Eine Video-Show beschäftigte sich mit der langen Geschichte des dänischen Handballs. Nach den dänischen Spielen war der Zugang nur mit einem speziellen Ticket möglich: Es ließen sich Autogramme von drei oder vier Spielern abstauben. Es bildeten sich lange Schlangen.
Vize-Kapitän
Wie bei den letzten beiden Turnieren gehörte Simon Pytlick zu den Leistungsträgern in der dänischen Mannschaft. Das SG-Rückraumass hatte im November zudem eine neue Funktion übernommen: die des Vize-Kapitäns. Nach den Rücktritten der dänischen Superstars Mikkel Hansen und Niklas Landin bedurfte es neuer interner Strukturen. „In erster Linie unterstütze ich unseren Kapitän Magnus Saugstrup“, erklärte Simon Pytlick. „Ich muss noch mehr als bislang unsere Mannschaft im Blick behalten und darauf achten, wenn jemand mal einen schlechten Tag hat.“
Handballverrückt
Frühstück um zehn Uhr, dann folgen eine Ruhephase, eine Video-Besprechung, der Presse-Termin und schließlich das Training – so sah ein dänischer Tagesablauf an den spielfreien Tagen aus. Am Abend dienten Tischtennis, Play-Station oder Kartenspielen als Zeitvertreib. In einem Raum, der stets gut besetzt war, lief immer ein Fernseher: mit den aktuellen Spielen. „Wir sind handballverrückt und verfolgen fast alles“, schmunzelte SG-Torwart Kevin Möller.
Flensburger Vorbereitung
Neben der DHB-Auswahl tauchten auch die italienischen Handballer wenige Tage vor der Weltmeisterschaft in Flensburg auf. Sie trainierten in der Duburghalle und wohnten in der Akademie, die seit Jahren eine Kooperation mit dem italienischen Handballverband pflegt. Rechtsaußen Leo Prantner und Rückraumspieler Mikael Helmersson waren einst Talente im SG-Nachwuchsbereich, jetzt bestritten sie ihre erste Weltmeisterschaft. Dank zweier Siege gegen Tunesien und Algerien erreichten sie die Hauptrunde und durften sich in Herning sogar mit Dänemark und Deutschland messen.
Text und Fotos: Jan Kirschner