Viele Flensburger surfen täglich, manch einer gar stundenlang und weltweit – allerdings nur „to huus“ oder auf der Arbeit im World Wide Web, dem Internet. Wir sprachen vor einigen Tagen mit einem „Flensburger Jung“, der ebenfalls seit vielen Jahren möglichst täglich surft, allerdings surft er „outdoor“ auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten: Er heißt Gunnar Asmussen, und er kann das richtig gut, ist sogar Vizeweltmeister, Sieger unzähliger Wettfahrten und Races, und seit letztem Jahr auch – endlich – Deutscher Meister!
Ein Flensburg Jung‘? Na gut, streng genommen nicht direkt, stammt er doch eigentlich aus dem Umland, dabei hat er die meiste Zeit, wenn er denn mal zuhause war, in unserem beschaulichen Flensburg verbracht, hier wohnt er ja auch schon seit langem, seit er von den Eltern weggezogen ist. Er ist sogar in Flensburg geboren, in einer hiesigen Klinik, in der tristen und dunklen Jahreszeit, einen Tag vor Heiligabend, und das ausgerechnet in einem Jahr, das für die Norddeutschen in einer Katastrophe endete: In der Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978/1979. So wurde Gunnar als Neugeborener gleich bei heftigem Schneetreiben noch vor dem Jahreswechsel zusammen mit der Mutter zu seinem Elternhaus nach Ohrfeldhaff per Hubschrauber ausgeflogen, in eine ungewisse Zukunft … , der etwas holprige Start ins Leben hat ihm allerdings ganz offensichtlich nicht geschadet!
Die Familie Asmussen lebte seinerzeit nahe der Ostseeküste in Ohrfeldhaff, zu Niesgrau gehörend und an der B199 in Richtung Gelting liegend; Gunnar wuchs dort auf dem platten Land mit drei Geschwistern auf, zur Schule ging er in Sterup. Anfangs war er wie viele andere ein ganz gewöhnliches Kind, spielte viel draußen und wuchs allmählich heran.
Wie er zum Surfen kam
Von seinem Zuhause hatte er es nicht weit zum Ostseestrand, und selbstredend hielten die einheimischen Kinder und Jugendlichen sich gerade in der wärmeren Jahreszeit gern auch am Strand und am Wasser auf. Als Gunnar etwa zehn Jahre alt war, nahm ihn eines Tages ein guter Freund seiner Mutter einfach mal mit zum Surfen runter an den Strand. Bald schon überließ ihn der junge Mann sich selbst, Gunnar mühte sich mächtig ab mit dem Segel, hatte Probleme es aus dem Wasser zu bekommen, kämpfte mit dem Brett, und hatte zuerst einen schweren Stand, war aber dennoch sofort fasziniert vom Gleiten übers Wasser, und hatte prompt sein Herz, Verstand und sämtliche Sinne an diesen Sport verloren.
Das Surfen war fortan die absolute Nr. 1 in seinem Dasein; er ist zudem der Typ Mensch, der das, was ihn interessiert und was er mag, stets exzessiv betreibt, und so hat er praktisch seit früher Jugend nur noch gesurft, gesurft, und gesurft. Schnell fand er gleichgesinnte Kumpel, die stets dabei waren, insbesondere sein Freund Nikolaus Mattig aus Wippendorf war praktisch immer an seiner Seite, wie ein weiterer Kumpel aus Hamburg, dessen Familie in Koppelheck ein Ferienhaus hatte; es bildete sich in den Jahren schnell eine coole Clique, die zwar noch kein gutes Surf-Material zur Verfügung hatte, aber trotzdem einen Riesenspaß auf dem Brett hatte. Recht schnell stellte sich heraus, dass insbesondere Gunnar ein außergewöhnlich schneller und zudem talentierter Surfer werden könnte. Spätestens seit dem Jahr 1993 war er ernsthaft dabei; das Surfen ist ein sehr „materialverschleißender“ Sport, dadurch entsprechend teuer für alle Betreiber – wenn sie denn gutes Material zur Verfügung haben wollen – die Ausstattung ist nämlich sehr umfangreich – der Verschleiß bei Wettkämpfen und intensivem Training entsprechend hoch.
Die ersten Erfolge
Gunnars Können blieb den Fachleuten und Ausstattern nicht allzu lange verborgen; so erlangte er schließlich seinen ersten Sponsorenvertrag, und war mit 18 bzw. 19 Jahren schon recht erfolgreich, meist an den schleswig-holsteinischen und dänischen Küsten. In den ersten Jahren war die norddeutsche Surfszene noch nicht so professionell aufgestellt wie einige Jahre später; anfangs waren zu den besagten Regatten riesige Teilnehmerfelder am Start, teilweise tummelten sich bis zu 200 Surfer bei solchen Events an den Stränden, Gunnar genoss diese Zeit sichtlich, fühlte er sich doch unter seinesgleichen immer sehr gut aufgehoben. Nach Beendigung seiner Schulzeit hat allerdings sein Zuhause darauf gedrungen, dass er einen „ordentlichen“ Beruf erlernt, und seine Wahl fiel auf die Segelmacherei – wen wundert’s bei seinem sportlichen Hintergrund? Über einen guten Kumpel kam er dazu, bekam auch die passende Lehrstelle, und hat seine Berufswahl bis heute nicht bereut – im Gegenteil!
Ein Wanderer zwischen zwei Welten
Praktisch mit dem Eintritt ins Erwachsenenleben ist Gunnar wohl als Wanderer zwischen zwei Welten zu betrachten – wobei die eine Welt der „Normalbürger“ Gunnar Asmussen und die andere der Surfer und Modellathlet Gunnar Asmussen ist.
Mit 20 Jahren verließ Gunnar sein Elternhaus, und zog vom platten Land in die Stadt nach Flensburg – der er seitdem die Treue hält. Die erste Wohnung fand er in der Glücksburger Straße, dann zog es ihn in die nächste Bleibe in Munketoft, und nach einigen weiteren Standorten wurde er schließlich in Kupfermühle fündig, und wohnt jetzt seit Jahren schon dort in seinem Flensburger Refugium.
Die eine seiner Welten war die Zeit, die er daheim in Flensburg verbrachte, und währenddessen seiner Arbeit im nachbarlichen Kollund nachging. Im benachbarten Grenzgebiet arbeitet Gunnar schon seit über 15 Jahren zusammen mit seinem Chef und guten Freund Axel Lenz bei der Firma Sailmaker 2000 in Dänemark. „Hier füllen wir den Bereich Wassersport komplett aus“, erklärt mir der Surfer stolz und ergänzt, dass man ihm dort praktisch total freie Hand lässt, wann und zu welchen Zeiten er arbeitet und wann er in der Weltgeschichte in Sachen „Surfen“ unterwegs ist.
Die andere Welt ist alles, was mit dem Surfen zusammenhängt: Wettkämpfe, Trainingscamps, Sponsoren- und Fototermine, stets in Verbindung mit den entsprechenden Reisen und Reisevorbereitungen. Diese unzähligen Reisen, meist per Flugzeug, haben ihn schon diverse Male praktisch um die ganze Welt geführt – es gibt keinen Kontinent mehr, den er nicht schon mehrfach bereist hat, sind doch die sportlich reizvollsten und landschaftlich schönsten Surfstrände häufig genug an den schönsten Küsten und Stränden unseres blauen Planeten zu finden, ob nun in Australien, Hawaii mit Maui, Tarifa, Südafrika, Südfrankreich – gerade war er im letzten Winter 2019/2020 beinahe 5 Monate unterwegs, unter anderem in besagtem Tarifa in Andalusien.
Auch im südlichen Afrika, in Namibia, hat Gunnar sich in den letzten drei Jahren häufig aufgehalten, um dort in einem eigens dafür ausgebaggerten 500 Meter langen Kanal den Geschwindigkeits-Weltrekord zu knacken – was ihm leider bislang, wegen fehlender optimaler Bedingungen, nicht geglückt ist.
Erfolge begleiten ihn auf seiner Karriere
Zahlreiche Presseberichte zeugen von seinen Erfolgen, die sich mittlerweile über mehr als zwei Jahrzehnte hinziehen. So berichtete ein bekanntes Surfmagazin, dass Gunnar „der Hüne von der Ostsee, gelernter Segelmacher, bereits 1999 als Newcomer im Deutschen Windsurf-Cup auf Anhieb Platz drei in der Jahresrangliste belegte und sich beim Worldcup-Racing auf Sylt sensationell mit Rängen in den Top 20 ins Rampenlicht geschoben hatte.“
Auch die nächsten zwei Jahre liefen erfolgreich für ihn, er erzielte stets Spitzenplätze bei Regatten und landete am Ende jeden Jahres immer in den Top Five. Experten handelten Gunnar Asmussen schon als den legitimen Nachfolger von Bernd Flessner, denn Gunnar zeigte in allen Disziplinen, Racing, Slalom und Wave, sein Können.
2003 surfte er beim DWC-Auftakt in Dranske seinen vorläufig letzten Windsurf-Cup. Mit altem Material reichte es dort noch zu Rang drei. Das war eine Zeitlang sein letzter Auftritt.
Es gab dann Gerüchte um Alkohol und Drogen, doch Gunnar konnte die Fragesteller schnell beruhigen: „Nein, ich denke nicht, dass ich Probleme mit Alkohol beziehungsweise Drogen hatte. Ich habe allerdings in den Jahren – ich war ja erst Anfang zwanzig und in den besten Jahren – keine Feier ausgelassen, und habe dadurch meine Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen können. Viele Ereignisse kamen zu dem Zeitpunkt zusammen, und ich habe etwas den Überblick verloren. Nach einem schweren Autounfall und einigen privaten Problemen musste ich für mich einen Schlussstrich ziehen, um mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.“
In den Jahren nach 2003 half ihm die Rückzugsmöglichkeit ins Private, die Arbeit als Segelmacher trug auch dazu bei, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, in diesen Jahren verlegte Gunnar sich auf andere Möglichkeiten, Sport zu treiben. Er versuchte sich im Joggen und Langstreckenlaufen, machte Fitness- und Krafttraining, und stürzte sich geradezu aufs Radfahren – das er, wie man es bei ihm gewohnt war, auch beinahe exzessiv betrieb.
„Zwei Jahre lang stand ich kein einziges Mal auf dem Board, habe mich mit anderen sportlichen Aktivitäten fit gehalten. Als es mir jedoch besser ging, hat es mich selbstverständlich sofort wieder aufs Wasser gezogen und mich der Ehrgeiz gepackt, nochmal voll durchzustarten. Dann bekam ich ein Formulaboard von Flessi (Kumpel und Spitzenfahrer Flessner), und seitdem bin ich wieder voll dabei“, kommentiert Gunnar diesen „Bruch“ in seiner Surfer-Karriere.
2010 wurde Gunnar Asmussen Deutscher Meister im Speedsurfen und Slalom, im Mai 2013 winkte der Weltmeistertitel, er schwebte dann „auf Wolke sieben“, wie die Presse schrieb. „Das war schon ein wahnsinniges Gefühl. Ich wusste genau, wenn ich gleich über die Ziellinie fahre, bin ich Weltmeister“, erzählt Gunnar Asmussen immer wieder gerne. Das Material hielt an jenem Tag, das Glück des Tüchtigen war auf seiner Seite, und der mittlerweile 34-jährige feierte den größten Erfolg seiner Karriere. „Ich freute mich natürlich riesig. Endlich ist mal alles so gelaufen, wie es sollte“, sagte der Slalom-Weltmeister der International Funboard Class Association (IFCA) nach der Siegerehrung.
Im vergangenen Jahr 2019 triumphierte er beim „Multivan Windsurf Cup“ in Sankt Peter-Ording nach fünf Slalomeliminationen und einem Waveriding. Den dritten Platz im Slalom verteidigte der Gesamtsieger des Windsurf Cups Sankt Peter-Ording Gunnar Asmussen. Bereits am Tag zuvor hatte er mit einem zweiten Platz in der Disziplin Wave die Grundlage für seinen Erfolg gelegt. Mit einem dritten Platz in der Disziplin Slalom sicherte der Flensburger sich den Sieg in der Overall-Wertung der Veranstaltung.
Wie sieht er heute als Ü40-Sportler seine bisherige Karriere?
Nun, sagt er selbstkritisch, es wäre sicherlich mehr drin gewesen, doch ständig in der Weltspitze vorne dabei zu sein, erfordert doch noch mehr Opferbereitschaft und die Aufgabe vieler Dinge, auf die er Zeit seines Lebens nicht gern verzichten wollte. Für Gunnar gehört eben auch dazu, auf der einen oder anderen Party mitzufeiern – was nicht automatisch bedeutet, einen unsoliden Lebenswandel zu führen, doch ist und war für ihn das Gesamtpaket stets erstrebenswert, und das bedeutet eben neben dem intensiven Training und einer akribischen Vorbereitung auf Wettkämpfe auch das zwischenmenschliche Miteinander, die Freundschaft zu den Mitkonkurrenten, das „Feierabendbier“, und das stundenlange Sitzen an den Stränden nach „getaner Arbeit“, das Fachsimpeln und Philosophieren mit den Kumpels.
Mit seiner damaligen Freundin wollte er auf ihren ausdrücklichen Wunsch auch endlich einmal zum Skilaufen, die beiden haben das Projekt auch tatsächlich in die Tat umgesetzt, auf der Rückfahrt von einem Wettkampf in Südfrankreich mit einem riesigen Umweg über Österreich hat es tatsächlich geklappt; auch beim Abfahrtslauf hat er sich exzessiv die Hänge hinabgestürzt, und war am Ende des Tages völlig ausgepumpt – er ist halt genauso Ski gefahren, wie er auch das Surfen angeht: Mit unbändiger Kraft und Power, wohl sein Markenzeichen, denn mit seinen 1,86 m und gut 92 kg ist er ein Modell- und Vorzeigeathlet – jedes Fitnessstudio wäre stolz auf so einen Stammkunden!
Ausblick in die Zukunft
Er sei ruhiger geworden in den letzten Jahren, vertraut er mir an. „Ich war früher immer sehr aufgeregt, war total im Tunnel, absolut fokussiert auf den Wettkampf, habe eigentlich immer unter starkem Druck gesurft. Mir kam es eines Tages so vor, als ob das irgendwie nicht normal war, und habe deshalb sogar das Gespräch mit Sportpsychologen gesucht. Die Gespräche haben mir tatsächlich geholfen, denn anschließend bekam ich leichter „den Kopf frei“ und habe mehr an mich geglaubt.“ Nicht zuletzt wegen dieser psychologischen Gespräche ist er womöglich in 2019 endlich Deutscher Meister in seiner Königsdisziplin Slalom geworden, davon ist Gunnar überzeugt. „Überhaupt bin ich in 2019 die Saison meines Lebens gefahren, beinahe alles hat so geklappt, wie es geplant war.“
Umso ärgerlicher, dass jetzt, im Frühjahr 2020, das Corona-Virus und seine weltweiten Auswirkungen natürlich auch den Surfsport völlig ausgebremst hat, man kann zwar als Individualsportler zuhause aufs Brett steigen und trainieren, doch alle anderen Aktivitäten sind vorerst total auf null gestellt.
Welche Ziele hat er noch?
Im Privaten wünscht er sich eine funktionierende Beziehung, das ist in den zurückliegenden Jahren immer daran gescheitert, dass er eigentlich zu oft und zu lange auf der ganzen Welt unterwegs war, und das Surfen zudem seine ganze Aufmerksamkeit verlangt hat. „Beides unter einen Hut zu kriegen, ist als Surfer in der Weltspitze kaum machbar.“
In der Weltspitze möchte er sich gern noch ein Weilchen etablieren, möchte noch einmal die komplette „World Tour“ fahren; er arbeitet gerade an einem entsprechenden Konzept, denn er will unbedingt nochmal als einer der „Top Five“ unterwegs sein.
„Surfen auf Spitzenniveau kann man bestimmt bis zum 50. Lebensjahr, zumindest im Slalom ist das ohne Weiteres machbar – das beweisen zahlreiche ältere Spitzensurfer“, klärt Gunnar auf. Die anderen Sparten wie Speedsurfen, Foilen oder auf dem Waveboard (mit atemberaubenden Sprüngen) sind hingegen eher was für die jüngeren Surfer, weiß Gunnar das Metier gut einzuschätzen.
Was bleibt ihm an Zeit, anderen Hobbies nachzugehen? „Nicht viel“, lacht er. „Regelmäßig Radfahren, gelegentlich mal Tennis, und viel Lesen. Insbesondere über das Corona-Virus habe ich in den vergangenen Wochen so viel gelesen, dass ich mich beinahe wie ein Hobby-Virologe fühle.“ Ansonsten: „Solange die Gesundheit mitmacht – aktuell zwickt schon mal der Rücken, werde ich surfen; etwas Anderes kann ich mir gar nicht vorstellen.“
Beruflich wird er ebenfalls am Ball bleiben, „vielleicht mache ich mich eines Tages als Segelmacher sogar selbständig“, kokettiert Gunnar mit fernen Zukunftsgedanken. „Aber soweit ist es noch nicht, möge das Virus sich alsbald wieder verziehen und eine gewisse Normalität einkehren – auch für das Wettkampfsurfen!“
Dem ist auch aus unserer Sicht nicht hinzuzufügen!
Das Gespräch mit Gunnar Asmussen führte Peter Feuerschütz,
Fotos. Benjamin Nolte, privat