Simon Hald stützte sich auf den Knien ab und wäre am liebsten im Erdboden versunken, Johan Hansen hielt sich das Trikot vor den Mund, Johannes Golla wischte sich mit der Hand tränenhaltigen Schweiß aus dem Gesicht. Der Schock saß tief. Die SG Flensburg-Handewitt wollte am 27. und 28. Mai ein Heimevent in der EHF European League ausrichten. Doch der Traum platzte mit einer bitteren 27:35-Niederlage gegen BM Granollers. Nun spielt der spanische Vizemeister die Endrunde, die dennoch in der Flensburger Campushalle ausgetragen werden soll. Dabei sind auch Montpellier HB, Frisch Auf Göppingen und die Füchse Berlin. Die Geschäftsstelle der SG organisiert das Event, die Spieler sind vermutlich noch nicht einmal als Zuschauer dabei.
Der April war nicht der Monat der SG. Die Titelchancen rannten davon. Auch in Köln lief es nicht ganz wunschgemäß. Statt den DHB-Pokal und Gold einzufahren, mussten sich die Nordlichter mit Bronze begnügen. Seit Anfang Dezember, seit wettbewerbsübergreifend 21 Spielen, waren sie nicht mehr mit dem Gefühl einer Niederlage konfrontiert gewesen. Und dann hatten sie ausgerechnet im Halbfinale keine Chance gegen die zuvor schwächelnden Rhein-Neckar Löwen.
Die 31:38-Pleite wirkte in vielen Phasen blutleer. „Wir bekamen keinen Zugriff mit unserer Deckung“, rätselte SG-Kapitän Johannes Golla. „Wir reisten mit großen Träumen an, doch jetzt sind wir ziemlich am Boden.“ Waren die Flensburger ein Opfer der eigenen, enorm großen Erwartungen geworden? „Da warten wir fünf Jahre auf dieses Spiel, und dann zeigen wir so eine schwache Leistung“, ließ Keeper Benjamin Buric durchblicken.
Am Finaltag setzten die Rhein-Neckar Löwen ihren Aufwärtstrend fort und nahmen dem SC Magdeburg nach einem Siebenmeterwerfen den „Pott“ weg. Aufgrund des sportlichen Ausgangs blieb offen, wie eine Flensburger Pokal-Sause angesichts der engen Termindichte ausgefallen wäre. Es ging praktisch ohne Vorbereitung in die internationale Aufgabe gegen Granollers, die keine 48 Stunden nach der Rückkehr aus Köln angesetzt war. „Gerne hätten wir nun zwei oder drei freie Tage, aber wir Spieler werden leider nicht gefragt“, verriet Torwart Kevin Möller. „Wir können es nicht ändern und müssen das Beste daraus machen.“
Die SG-Offiziellen hätten die Partie gegen Granollers gerne etwas nach hinten geschoben. „Wir haben es probiert, aber aus Wien hieß es ganz schnell: Spieltag ist Dienstag“, teilte Geschäftsführer Holger Glandorf mit. Interessant: Die Endrunde um den DHB-Pokal war in der ersten Rahmenplanung für diese Saison für das erste April-Wochenende vorgesehen, wurde dann aber wegen einer Konzertserie von Popstar Helene Fischer auf den für die SG so misslichen Termin verlegt.
Eher unpassend war auch die Ansetzung einer Begegnung um den dritten Platz, auch wenn dieser mit einer Aufstockung der Prämie um 30.000 auf 120.000 Euro sowie dem direkten Einzug ins Achtelfinale des nächsten DHB-Pokals dotiert war. Für die SG konnte es nur darum gehen, die angeknackste Mentalität auf Vordermann zu bringen. Das gelang mit dem 28:23-Erfolg über Lemgo. „Wir wollten das Tempo hochhalten und unser Konzept durchziehen, an das wir glauben“, erklärte Rückraumakteur Lasse Möller und grinste: „Wir haben den Kopf wieder oben.“ Maik Machulla beobachtete mit Erleichterung: „Meine Jungs fliegen nicht mit leeren Händen, sondern mit einer Medaille nach Hause – und sie haben wieder ein Lächeln im Gesicht.“
In Granollers hatte die SG das Hinspiel mit 31:30 gewonnen. Ihr hätte ein Unentschieden genügt, um sich für das europäische Finalturnier zu qualifizieren. „Es wäre ja sehr unglücklich, wenn in Flensburg das Final Four der European League ausgerichtet wird, aber die SG selbst nicht dabei wäre“, meinte Kevin Möller. Das Unglück trat ein: Die SG kam nicht richtig aus den Startlöchern, verkrampfte zusehends und ging glanzlos unter. „Jeder Spieler in unserem Kader hat die Qualität, Granollers zu schlagen – mehr als die Hälfte spielte im Januar stets eine Europa- oder Weltmeisterschaft“, sagte ein enttäuschter Maik Machulla und stellte fest: „Wenn es darauf ankommt, sind wir nicht die coole Truppe, die wir sein wollen.“
Interessante Randnotiz: Die „Hölle Nord“ hat gerade ihren Namen geändert. Nach zehn Jahren als Flens-Arena heißt sie nun wieder – wie früher – Campushalle. Die SG hat kürzlich das Namensrecht ihrer Heimspielstätte erworben und ist nun auf der Suche nach einem geeigneten Partner und Namensgeber der Arena. „Die Campushalle hat für uns als Verein eine immense Bedeutung.“ Für die Endrunde in der European League senkt sich das Fassungsvermögen auf 4600 Plätze, da die Stehtribüne nicht ausgefahren wird.
Text und Fotos: Jan Kirschner