Wo kommt denn der her? Es war mitten in der ersten Hälfte des Spitzenspiels gegen den SC Magdeburg, als der Ball nach einem Wurf der SG Flensburg-Handewitt vom Torwart zurückprallte und Domen Novak plötzlich durch den Kreis sprang. Den Ball fing er – zumindest gefühlt – direkt vor dem Gehäuse hoch in der Luft ab und drückte ihn ins Netz. Die „Hölle Nord“ tobte: Was für ein Treffer, wie aus dem heiteren Himmel! Keine Frage: Der slowenische Rechtsaußen, der im Sommer die SG verstärkte, verfügt nicht nur über eine enorme Schnelligkeit, sondern auch über eine erstaunliche Sprungkraft. Eine Kostprobe gibt der 27-Jährige auch immer unmittelbar vor dem Anpfiff, wenn sich die Mannschaft noch einmal im Pulk versammelt und er einen Sprint mit einem mächtigen Satz beendet – direkt im Rücken der Teamkameraden.

„Zur Aktivierung“, sagt er mit einem Lächeln. Wie hoch er springen kann, hat Domen Novak nach eigenen Angaben „lange nicht gemessen“. Und auch die Leichtathletik war bis auf das normale Schulpensum kein besonderes Steckenpferd. Sein Sport war schon als kleiner Junge der Handball. Zunächst war da allerdings eher der Anreiz, seinem großen Bruder nachzueifern, als wirklich an etwas Großes zu glauben. „Ich spielte, bis ich 17 oder 18 Jahre alt war, in meinem Stammklub Krim Ljubljana zusammen mit Freunden“, berichtet er. „Selbst als ich 20 Jahre gewesen bin, spielte ich mit Slovan Ljubljana nur in der zweiten Liga.“

Über Dobova und Celje in die Bundesliga
Dann packte ihn der Ehrgeiz: Domen Novak wollte unbedingt in die slowenische Erstklassigkeit. „Ich fuhr dafür tatsächlich ein Jahr lang fast jeden Tag eine Stunde in die kleine Stadt Dobova“, erzählt er. Im Rückblick scheint er sich selbst über diesen Aufwand zu wundern. Aber es lohnte sich: Der slowenische Meister RK Celje zeigte Interesse. Im September 2019 spielte der Linkshänder das erste Mal in der europäischen Champions League und erzielte ausgerechnet gegen die SG und Benjamin Buric sein erstes internationales Tor. Ein Gruß aus der Zukunft?

Das Tor zur Bundesliga öffnete sich im Frühling 2021. In Wetzlar wurde ein Platz auf der Rechtsaußen-Position frei. „Die HSG ist ein stabiler Erstligist, bei dem sich schon viele Spieler entwickelt haben“, dachte sich Domen Novak – und sagte zu. Damit betrat er Neuland, lebte erstmals im Ausland. Er war sehr froh, dass seine Frau Enja von Anfang an dabei war. Alles war eine große Umstellung. „Ich habe Deutsch gelernt, was ich vorher fast gar nicht konnte“, erzählt der Handball-Profi. „Sportlich war es eher eine Berg- und Talfahrt. Es gab doch einige heftige Niederlagen. Ich bekam aber viele Spielminuten, sodass Wetzlar für mich eine wichtige Station war.“
Der Weg zur SG
Mitten im letzten Jahr reifte ein anderer Kontakt. Ljubomir Vranjes war einst Nationaltrainer von Slowenien. Inzwischen war dieser zum Sportlichen Leiter der SG berufen worden und hatte auf seiner Liste auch Domen Novak, den er einst zu einem Lehrgang im Nationalteam eingeladen hatte. Das Angebot eines Top-Teams konnte der Umworbene nicht ausschlagen. Potenzielle Titel lockten. „Ich hatte vier Jahre in Wetzlar alles gegeben, und Wetzlar hat mir geholfen“, betont er. „In einer Karriere kommt es aber manchmal vor, dass man nach einem gemeinsamen einen anderen Weg geht.“

Kurios: Am ersten Spieltag musste die SG ausgerechnet in Wetzlar antreten. Es gab ein Remis. „Das war schon speziell, das erste Pflichtspiel mit meinem neuen bei meinem alten Verein zu spielen“, meint Domen Novak. „Der Punktverlust war schwierig, kann aber in der Bundesliga immer mal passieren.“
Familienzuwachs für die Nummer 63
Statt der 75 trug er nun die 63 – die steht für die Geburt seines kleinen Sohnes Teo, der am 6. März zur Welt kam. „Ich genieße jeden Moment mit ihm, immer gibt es etwas Neues“, sagt er mit einem sanften Lächeln. „Noch läuft er nicht, aber das kann nicht mehr so lange dauern.“ Seine kleine Familie ist der emotionale Rückzugsort. In der Freizeit geht es zu dritt an den Strand oder in die Nähe des neuen Wahldomizils am Flensburger Stadtrand.

Die Rolle im slowenischen Nationalteam
Im Januar wird Domen Novak seine Liebsten für einige Wochen verlassen: Die slowenische Nationalmannschaft ruft, die bei der Europameisterschaft zunächst in Oslo spielt. „Es ist eine gute Truppe mit guten Freunden“, sagt er. „In den letzten Jahren haben wir auch einige gute Ergebnisse erreicht.“ Der Höhepunkt war sicherlich der vierte Rang bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. „Es war ein besonderes Erlebnis, das leider viel zu schnell zu Ende war“, schwärmt der Handballer. „In einem riesigen Hochhaus waren fast alle Sportler untergebracht. Man traf Athleten aus aller Welt.“ In den nächsten Wochen bestimmt aber noch der Takt der SG den Alltag. Zwei Spiele pro Woche stehen im Programm. Oft geht es in der „Hölle Nord“ rund. „Das macht immer richtig Spaß, ich freue mich auf jedes Heimspiel“, sagt Domen Novak. „Die Halle ist sehr laut – da ist man so richtig froh, dass man dem Heimteam angehört.“ Und wenn er dann mit einer starken Aktion ein Tor wirft, ist es Zeit für einen weiteren Luftsprung. Manch einer wundert sich dann vielleicht wieder: Wo kommt denn der her?
Text und Fotos: Jan Kirschner















