Ein bemerkenswerter deutscher Lebenslauf

Das hätte sich unser Protagonist in seiner ersten Lebenshälfte nicht träumen lassen, dass es ihn später einmal in den äußersten nördlichen Zipfel Deutschlands verschlagen würde. Überhaupt hat sein Lebensweg viele und ungewöhnliche Brüche aufzuweisen. Das Flensburg Journal sprach mit Klaus-Peter Spielberg-Jung, einem vor mehreren Jahrzehnten „zugereisten“ Flensburger Gastwirt aus Passion.

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
Hinter dem Tresen im Bärlinchen

Seine Herkunft

Dass er kein gebürtiger Flensburger ist, hört man bereits nach wenigen Sätzen am Klangbild seiner Aussprache. Eigentlich hätte er in Berlin das Licht dieser Welt erblicken sollen, von dort stammten ursprünglich seine Eltern. „Meine Mutter war damals gerade auf Reisen, als ich mich ankündigte: So wurde ich im März 1951 in Erfurt geboren, zwar auch in einer Hauptstadt, allerdings „nur“ in der von Thüringen“, schmunzelt mein Gesprächspartner. „Meine ersten Kindheitsjahre verbrachte ich in einem kleinen Dorf nördlich von Berlin, nahe Oranienburg. Meine Eltern waren in Vollzeit berufstätig und arbeiteten beide bei der Reichsbahn. Schon während meiner 10jährigen Schulzeit war für mich völlig klar, wohin mich mein Berufsweg führen sollte: Schon immer wollte ich Lokführer werden!“ Dieser Traum zerplatzte jedoch unerwartet bei der Eignungsprüfung für den Berufsweg. Bei Peter Jung – so hieß er damals – stellte man eine Sehschwäche fest: die Rot-Grün-Schwäche. Was nun? Gemeinsam entschied die Familie Jung daraufhin, dass Peter eine kombinierte Kellner-Koch-Lehre absolvieren sollte, die im Gegensatz zu einer „einfachen“ Ausbildung nur eines Berufsbildes jedoch zweieinhalb statt nur zwei Jahre dauern würde.

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
Jugendweihe 1965

Die Berufsausbildung

„Ich fand einen Ausbildungsbetrieb nahe Oranienburg, und die Ausbildung in den beiden Berufen gefiel mir überraschend gut. Als einer der besten meines Jahrgangs schloss ich die Lehre mit guten Noten ab. Mein Lehrherr wollte mich besonders fördern und meldete mich deshalb umgehend bei der „Fachschule für Hotel- und Gaststättenwesen“ in Leipzig an. Die lehnten die Bewerbung allerdings ab mit der Begründung, dass kein Ausbildungsplatz mehr frei sei – es sei denn, der Bewerber würde sich vorher freiwillig für den dreijährigen Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) melden … „Was blieb mir anderes übrig: Ich bewarb mich freiwillig bei der NVA, wurde natürlich auch prompt angenommen. Ich wurde jedoch wegen zahlreicher „West-Verwandtschaft“ in meiner Familie nicht in der Marine, der Luftwaffe oder beim Heer eingesetzt, sondern kam zu den „Grenzern“, zu einer Grenzbrigade in die Altmark, nach Salzwedel in Sachsen-Anhalt.“

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
Uffz-Schüler, Auszeichnung vor Truppenfahne, 1970

In Salzwedel lernte er seine erste (Ex-)Ehefrau kennen, man heiratete bald und bekam zwei gemeinsame Kinder, zwei Söhne, auf die er heute sehr stolz ist. In seiner Einheit beim Grenzkommando war er aus naheliegenden Gründen hauptamtlich in der Küche tätig. Eines Tages sollte ein General im Rahmen eines Truppenbesuchs seine Einheit inspizieren. Jungs Vorgesetzter fragte ihn deshalb kurz vorher, was es an dem Tag als Mittagessen geben sollte. „Tote Oma“ (Grützwurst) war die knappe Antwort. Zornig wandte sich sein Chef ab, hatte Schiss vor einem Rüffel durch den General wegen des einfachen Essens. Dann kam der große Tag: Als der General hörte, dass es „Tote Oma“ geben sollte, klopfte er sich vor Freude auf die Schenkel. „Endlich mal was Ordentliches, nicht immer nur Steak, Schnitzel, oder anderer vornehmer Kram“, freute sich der hohe Dienstgrad. Darauf Jungs Chef zum hohen Gast: „Er ist ja auch mein bester Mann, Herr General“ – sagte derjenige, der ihn vorher am liebsten „erschossen“ hätte …

Nach der dreijährigen NVA-Zeit ging Peter zurück in seinen alten Betrieb nach Oranienburg, wechselte jedoch umgehend für die nächsten 4,5 Jahre an die schon erwähnte Fachschule nach Leipzig und schloss diese anspruchsvolle Ausbildung im Februar 1980 mit der Gesamtnote „gut“ ab. Jetzt durfte er ganz offiziell eine große Gaststätte führen (einzige weitere Voraussetzung: Er musste Mitglied in der Staatspartei SED sein). So trat „Kollege“ Jung dann umgehend in die Partei ein.

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Küchenleiter Grenzregiment Salzwedel, 1974

Nach erfolgreichem Studium war er nun also ein ausgebildeter und anerkannter „Ökonom“, dazu berechtigt, ein Restaurant, ein Gasthaus jeglicher Größenordnung eigenständig und eigenverantwortlich zu führen. Er kehrte anfangs erst einmal kurzzeitig wieder in die Heimat nach Oranienburg zurück, wagte aber schon bald – im Jahr 1982 – den Schritt in die Hauptstadt der DDR: Er bewarb sich um eine Anstellung nach Berlin (für uns heute Ost-Berlin), wurde ebendort aufgrund seiner guten Noten prompt eingestellt.

Restaurantleiter im „Palast der Republik“

Er bekam sogar gleich eine Anstellung im „Palast der Republik“, dem Aushängeschild nicht nur der politischen Führung der damaligen DDR, sondern gar des gesamten Staates. Peter Jung bekam nicht etwa irgendeinen nachrangigen Posten, sondern er avancierte gleich zum Restaurantleiter. Das riesige und imposante Gesamtgebäude umfasste mehrere Stockwerke mit insgesamt 24(!) Restaurants, zusätzlich gab es einen riesengroßen Saal, der „Palast“ war gleichzeitig Sitz für die Volkskammer der DDR.

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Berlin, Konferenz für Kernwaffenfreie Zonen, 1988

Dazu ist bei Wikipedia nachzulesen:
Der Palast der Republik (kurz: PdR) war ein Gebäude am historischen Lustgarten und Schlossplatz (bis 1994: Marx-Engels-Platz) auf der Spreeinsel im Berliner Ortsteil Mitte. Er ersetzte eine DDR- Aufmarschfläche für Militärparaden und wurde zwischen 1973 und 1976 auf einem 15.300 m² großen Teil des Geländes des ehemaligen Berliner Schlosses errichtet, dessen wiederaufbaufähige Ruine die SED 1950 unter internationalen Protesten sprengen ließ. Der Palast der Republik war zum einen Sitz der Volkskammer und beherbergte zum anderen eine große Zahl von Veranstaltungsräumen eines öffentlichen Kulturhauses.

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Peters Stolz, sein erstes Auto, 1972

„Beruflich war das meine schönste Zeit“

Zwei der 24 Restaurants waren für die Öffentlichkeit gesperrt, wenn die Volkskammer tagte – dann wurden ebendort die Abgeordneten verköstigt. Alles andere war stets geöffnet für die Allgemeinheit, so auch die Diskothek „Jugendtreff“. Die Räumlichkeiten im Palast der Republik verteilten sich auf mehrere Etagen und Ebenen. „Mein persönlicher Arbeitsplatz befand sich auf der untersten Ebene, die insgesamt vier Gaststätten und eine Bowlingbahn beherbergte und direkt an die Spree grenzte. Ich war überwiegend als Restaurantleiter in einem der 4 Restaurants tätig. Nach dem normalen Tagesbetrieb und an den Wochenenden war ich oft für die gesamte Etage verantwortlich, turnusmäßig einmal im Monat sogar für die gesamte Hausrestauration“, erinnert sich Peter Jung. „Ich hatte ein eigenes Büro zu meiner Verfügung, eine Sekretärin war mir zugeteilt, ich war ein gefragter Mann in meinem Berufsfeld – und ich hatte, was in der DDR damals sehr hilfreich war, sehr gute Beziehungen zu zahlreichen wichtigen Persönlichkeiten des Staates. Als Restaurantleiter in der DDR hatte ich daneben viele weitere Vorteile gegenüber den normalen Bürgern, so wurde mein eigener „Trabi“ stets bevorzugt repariert. Überhaupt war mein dortiger Job die schönste, spannendste und abwechslungsreichste Zeit meines Berufslebens. Durch meine Tätigkeit lernte ich viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und diverse Künstler der DDR und auch aus dem Ausland kennen – es gab kaum einen, der im Palast der Republik auftrat, der mir nicht über den Weg lief und dem ich nicht die Hand schüttelte.“

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Mein zweites Auto, 1986

Der „Große Saal des Palastes“ diente als Veranstaltungsraum für sehr viele und große Kulturveranstaltungen. Er hatte die Form eines symmetrischen Sechsecks mit 67 m Breite und 18 m Höhe. Hubeinrichtungen ermöglichten verschiedene Höhen der Bühne für verschiedene Kongress- oder Konzertzwecke. Die Aktionsfläche war somit von 170 bis 1000 m² wandelbar. Sechs schwenkbare Parkettteile, absenkbare Deckenplafonds und flexible Trennwände ermöglichten eine äußerst variable Einrichtung und Bestuhlungen zwischen etwa 1000 und 4500 Plätzen. Die Größe des Saals war auf die Delegiertenzahl der 1976, 1981 und 1986 dort stattfindenden SED-Parteitage abgestimmt. Im großen Saal wurden zudem viele Ausgaben der DDR-Fernsehunterhaltungssendung „Ein Kessel Buntes“ aufgezeichnet.

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Dorfkrug in Tegel – als Kellner gearbeitet

Auftritte von Künstlern wie beispielsweise Santana, Harry Belafonte, Katja Ebstein, Udo Lindenberg, und Helen Schneider u. v. a. fanden im Großen Saal statt und wurden im DDR-Fernsehen übertragen. Auch zum „Rock für den Frieden“ fanden Konzerte u. a. von den Puhdys, Karat und anderen statt. 1987 waren es 20.000 Zuschauer und 65 Bands, die hier öffentlich vor großem Publikum auftraten.
Peter Jung erinnert sich: „Ich saß oft mit Wolfgang Lippert zusammen, der gerne jammerte, „dass ich schon wieder zu Dreharbeiten nach Hamburg in den Westen muss“. Peter sah dort erstmalig (fast) nackte Frauen auf der Bühne: Das „Brasilia Tropica“ tanzte mehr als nur leicht bekleidet vor, mit Künstlern wie Katja Ebstein, Udo Lindenberg und anderen wurde angestoßen und gelegentlich auch mal ziemlich heftig abgefeiert. „Einmal traf der Sänger Chris Norman noch vor der Aufzeichnung einer Sendung auf die Puhdys – der (West-) Whiskey floss dabei in Strömen. Chris Norman wurde für seinen anschließenden Auftritt von den Tänzern des Staatsballetts untergehakt und so auf die Bühne gestellt, wo er zum Playback trällerte, mit weitaus mehr als den im Straßenverkehr erlaubten 0,8 Promille im Blut. Die TV-Zuschauer haben wohl davon später nichts gemerkt“, schmunzelt Jung.

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Mein Lokal in Spandau Hakenfelde, 1995

Das überraschende Ende naht

Beeindruckend war die Feier zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989, der „Große Saal“ brechend voll mit über 1.000 geladenen Gästen, angeführt von Erich und Margot Honecker, natürlich auch im Beisein von Gorbatschow, Arafat, sowie allen anderen Staatschefs des Ostblocks und der gesamten kommunistischen Welt. „Erich persönlich gab uns Restaurantleitern im Vorwege die Hand, bedankte sich für die Vorbereitungen – es war aber auch eine Monsteraufgabe, ein solches Großereignis zu organisieren. Dieser letzte große Staatsempfang war aber schon recht schnell vorbei: Erich redete nur etwa 5 Minuten anstatt der sonst üblichen 60 Minuten und mehr. „Gorbi“ stand plötzlich wortlos auf und verließ den Saal. Völlig verblüfft folgten andere, auch Arafat stand auf, seine beiden Pistolen schlackerten an seinem Gürtel, mit Tränen in den Augen tigerte auch er hinaus. Erich und Margot blieben noch sitzen, schnell waren fast alle wichtigen Persönlichkeiten draußen – danach füllten sich aber die freigewordenen Plätze rasant wieder: Die Leute aus dem Randbereich des Saales kamen nun nach vorn auf die vorher reservierten Plätze und ließen sich das bereits angereichte Essen gut schmecken!“

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Natürlich gibt es Flens

Der Zusammenbruch der DDR

Für Peter Jung brach Ende 1989 mit dem Mauerfall eine Welt zusammen, ging es ihm und seiner Familie doch ausgesprochen gut in der DDR: „Ich verdiente sehr gut, meine Frau und ich hatten zusammen über 2.000 Mark – eine normale Familie kam auf etwa 700 Mark Monatseinkommen. Zudem hatte ich alles was man sich so wünscht: eine Frau (die auch im PdR arbeitete), zwei Kinder, eine schöne Wohnung, ein Auto, einen guten Arbeitsplatz – ich konnte den Zusammenbruch kaum verstehen!“

Kurz vor dem Kollaps des Staates, im Oktober 1989, fuhr er noch als Delegationsleiter mit einer Abordnung von rund 30 Kellnern und Köchen nach Prag. Einige Tage später, am 4.11., fand eine Riesendemo am Alexanderplatz in Berlin statt, gegen die DDR. Davon bekam er jedoch nichts mit. In Prag traf er viele Persönlichkeiten, so auch den damaligen regierenden Bürgermeister West-Berlins, Walter Momper. Mit dem führte er ein gutes und angeregtes Gespräch. Peter erinnert sich: „Den Mauerfall am 9.11. haben wir anfangs nicht mitbekommen.
Zwei Tage vorher fuhren wir noch zur deutschen Botschaft in Prag. Dort standen schon Massen von BRD-Reisebussen bereit, um bei Wunsch „Ossis“ aufzunehmen. Viele stiegen dort ein, um gleich in die BRD gebracht zu werden.“ „Wollt ihr nicht auch?“ wurde er gefragt. „Die Grenze ist doch jetzt auf!“ Doch die gesamte Delegation wollte lieber erst einmal nach Hause, zur eigenen Familie.

„Meine Gedanken überschlugen sich in dem Moment: „Jetzt abhauen? Aber du hast doch alles, was dir wichtig ist zuhause in Berlin! Da haut man doch nicht einfach mal eben ab!“ Nach dem Mauerfall vom 9.11. ging es für die Delegation dann wieder per Eisenbahn von Prag zurück nach Berlin: „Zu Hause angekommen, holten wir uns bald das Begrüßungsgeld ab. Das brauchten wir aber nicht zum Verjubeln. In der DDR gab es nämlich schon bald nichts mehr zu kaufen, in den Läden wurden die Regale einfach nicht mehr aufgefüllt. Deshalb fuhren wir in den Westen rüber, um benötigte Lebensmittel einzukaufen!“

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Kurz vor Dienstbeginn

Das Übergangsjahr

Peter Jung hat noch bis in den September 1990 im Palast der Republik gearbeitet – ihm kam alles dort sehr merkwürdig vor. „Die teils arroganten Wessis kamen zu uns rüber, protzten mit ihrem Geld, es war eine unwirkliche Zeit. Als dann im Juli 1990 die D-Mark kam, war unser Laden plötzlich total leer. Am 19.09., mein jüngerer Sohn hatte an dem Tag Geburtstag, war plötzlich mein Büro leergeräumt – alles war weg. Das war mein endgültig letzter Arbeitstag im PdR.“ Bis ins Frühjahr 1991 wurde noch aufgeräumt im PdR, dann war endgültig Schluss mit dem Betrieb in jenen Restaurants und Gasträumen.

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Der Stammtisch

Was nun?

Nun musste sich Peter Jung Arbeit suchen – er stand ja beruflich gesehen auf der Straße, hatte zudem eine Familie zu ernähren und für Geld für Miete, Kleidung und den Lebensunterhalt zu sorgen. Er bewarb sich in Berlin im Opernpalais, wurde auch bald als Restaurantleiter eingestellt im Prinzessinnen-Palais. Er stieg voller Elan im neuen Job ein, bereitete Vieles vor, brachte Manches auf den richtigen Weg, wurde jedoch unmittelbar vor Ablauf der dreimonatigen Probezeit (10 Minuten vor Ablauf!) schon wieder entlassen. Das gleiche Schicksal widerfuhr ihm in einem Steakhaus in Ost-Berlin, das im Aufbau begriffen war. Nachdem er alles für einen Start des Hauses in die richtigen Wege geleitet hatte, wurde er auch dort nach der Probezeit wieder entlassen!

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Sperrgebiet

Peter wird Gastwirt

Dann trat er einen Job in einer ganz normalen Kneipe in Tegel an. Er bekam unerwartete Probleme: Im Alltagsgeschäft, speziell dem Kochen und Kellnern, hatte er seit über 20 Jahren nicht mehr direkt gearbeitet. Das war er nicht mehr gewohnt. Doch sprachen ihm alle Freunde und Bekannten Mut zu, und nach und nach kam er wieder in die Spur, er packte das vor Jahrzehnten gelernte Wissen nach und nach aus und war bald wieder fit in Sachen „Kochen und Bedienen“.

„Dort lernte ich auch meine – inzwischen zweite Ex-Frau – am Tresen kennen! Sie war eine ausgesprochen hübsche und attraktive Frau, die mir gleich gefiel. Sie war mit einer Gruppe von Technikern für die Telekom in den Osten abgeordnet, im Zuge des sogenannten „Aufbaus Ost“. Werktags waren diese Leute montags bis donnerstags jeden Abend in ihrer Freizeit in der Kneipe, man kam sich näher, ich flirtete sowieso gern. Zudem war meine Ehe nicht mehr so richtig gut, ich verliebte mich somit bald und schnell und Hals über Kopf in die Wessi-Frau, eine Norddeutsche aus Flensburg! Meine Liebe stieß ganz offensichtlich auf Gegenseitigkeit, bald nahm sie mich an den Wochenenden mit in den hohen Norden. So lernte ich dann die Stadt Flensburg und die Umgebung kennen, sie nahm mich mit zum Segeln auf der Ostsee bis hoch nach Dänemark. Eines Tages wurde ich von ihr am späten Vormittag zum Brötchenholen geschickt. Ich fragte mich anschließend, woher die alle wussten, dass ich gerade aufgestanden war: Jeder sagte beim Bäcker nur „Moin“ zu mir!“

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
Lieblingsecke

Eigentlich noch immer in Berlin zu Hause, eröffnete Peter noch im Jahr 1995 selbst eine Kneipe in Hakenfelde bei Spandau, allerdings nur für eine kurze Übergangszeit. „Die paar Jahre in den beiden Kneipen waren gewissermaßen meine Lehrjahre als Gastwirt. Privat tat sich nun auch etwas in meinem „neuen“ Leben: Ich trennte mich dann bald von meiner Noch-Ehefrau. Die Beziehung zur Flensburgerin vertiefte sich immer mehr, so zog ich dann nach rund einem Jahr zu ihr nach Flensburg in den hohen Norden und gab mein bisheriges Leben in Berlin endgültig auf!“

Der Wechsel nach Flensburg

Die Familie seiner „neuen“ Frau half ihm dabei, im Norden Fuß zu fassen und in Flensburg eine Existenz zu gründen. Man streckte ihm das nötige Geld vor, um das gerade frei gewordene Lokal „Renate‘s Eck“ in Mürwik zu übernehmen – inklusive Umbau und neuem Anstrich. Die Eröffnung des Lokals, das nun auf den Namen „Bärlinchen“ umgetauft wurde, fand am 1. März 1996 statt – genau einen Tag vor Peters 45. Geburtstag.

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
Eine Kneipe wie aus dem Bilderbuch

Seit nunmehr 28 Jahren betreibt er mit Erfolg diese Gaststätte in Mürwik, in der Swinemünder Straße 2, wobei sich der Eingang und die Frontseite des Lokals direkt an der Mürwiker Straße befinden. Peters Einschätzung aus heutiger Sicht seiner bisherigen „Bärlinchen“-Jahre:
„Diese immerhin schon 28 Jahre waren rückblickend nicht immer auf höchstem Niveau, dabei half mir anfangs meine Frau ungemein, in Flensburg heimisch zu werden. Wir heirateten recht bald, sogar kirchlich, ich nahm auf Wunsch ihres Vaters ihren Familiennamen zusätzlich an, hieß nun Spielberg-Jung. Wir hatten eine durchaus schöne gemeinsame Zeit. Sie sorgte mit viel persönlichem Einsatz dafür, dass wir bald einen recht großen Kreis von Stammgästen hatten, das Lokal lief zu unserer Zufriedenheit. Allerdings hielt die Ehe nicht auf Dauer, wobei eine Beziehung im Gastronomiebereich stets unter den nicht gerade beziehungsfreundlichen Arbeitszeiten leidet. Eines Tages verließ mich folgerichtig meine Frau, sie hatte mittlerweile jemand anderen kennengelernt.“

Die Küche und das damit verbundene Kochen war anfangs das große Problem für den Neu-Flensburger: Peter Jung hatte seit beinahe drei Jahrzehnten, seit 1970, nicht mehr beruflich und für Gäste gekocht – jetzt war er plötzlich im „Bärlinchen“ dafür hauptverantwortlich zuständig! Er legte einen holprigen Start als Koch hin, anfangs bereitete er nur Fertiggerichte zu. Heute jedoch werden längst alle auf der Speisekarte angebotenen Gerichte frisch zubereitet – dafür dauert es auch mal einen Tick länger. Das von Peter Jung zubereitete Essen ist übrigens sehr lecker und schmackhaft – das hat sich allgemein und auch in hiesigen Feinschmecker-Kreisen bereits herumgesprochen.

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Fußball und Marine

Peter wird im Osten Flensburgs heimisch – privat und beruflich

Man könnte somit glatt behaupten: Er ist und bleibt ein Kind des Ostens – natürlich nur mit einem Augenzwinkern. So wie er sich in seinem vorherigen Leben im Osten Deutschlands wohlgefühlt hat, war er nun auch auf dem Flensburger Ostufer sehr zufrieden. „Ich wechselte für meine Verhältnisse recht oft den Wohnsitz auf dem Ostufer, war erst in der Osterallee ansässig, dann im Neuen Weg, Marrensberg, in der Fördestraße, Twedter Feld, im Schottweg, und nun schlussendlich seit fast zehn Jahren in der Fruerlunder Straße. Der häufige Wohnungswechsel lag auch an den wechselnden Partnerschaften, die mein Beruf so mit sich brachte“, resümiert Peter freimütig.
„Zurück zu meinem geliebten „Bärlinchen“: Ich bin heute froh, ein so gut laufendes und etabliertes Lokal führen zu dürfen. Doch ohne meine fleißigen und treuen Mitarbeiter läuft der Laden natürlich nicht – insbesondere meine „Tresenfee“ Vanessa, aber auch die Aushilfen, „schmeißen souverän den Laden“ im Lokal!“

Die Gäste kommen teils von weit her. Es gibt Leute aus Berlin, die Jahr für Jahr in Schweden Urlaub machen, anschließend auf dem Rückweg in Rendsburg übernachten, um dann zum Essen rauf nach Flensburg ins „Bärlinchen“ zu kommen. Auch kommen gelegentlich Gäste, die in Flensburg in noblen Häusern eingekehrt sind, extra zum Essen zu uns in die Swinemünder Straße“, ist Peter durchaus stolz auf diesen Zulauf. Die Speisekarte ist überschaubar, doch insbesondere die Schnitzel-Gerichte sind sehr gefragt bei den Gästen. „Anfangs stand auch „Bulette“ auf der Karte. Mich machten Einheimische darauf aufmerksam, dass die hier oben „Frikadellen“ heißen. Ich konterte daraufhin: Die „Frikadelle“ würde 3,50 Mark kosten, die „Bulette“ aber nur 2,50 Mark.“ Na gut, hieß es: „Dann lass es so wie es ist!“

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
Lust auf Buletten?

Wie lange will er noch machen?

Im Jahre 2026, sprich: Nach 30 Jahren „Bärlinchen“ und eigenen immerhin 75 Lebensjahren wollte er eigentlich aufhören. „Zwei akzeptable Übernahme-Angebote fürs Lokal gab es bereits – doch ich brauche Struktur in meinem Alltag, eine mich erfüllende Aufgabe – das habe ich während des Lockdowns am eigenen Leibe gespürt.“

„Und solange der Laden gut läuft und die Gäste von Jung bis Alt gern und regelmäßig zu uns kommen, werde ich wohl weitermachen. Der jüngeren Vanessa habe ich mal in einem ruhigen Moment versprochen, dass ich ihr zu ihrem 80. Geburtstag ein vorzeigbares und besonderes kaltes Büfett hinzaubern werde.“

Erst kürzlich war Peter zu Besuch in seiner alten Heimat in Berlin. „Ich war Anfang Juni in Berlin im Stadtschloss (Humboldtforum) und habe dort eine Ausstellung mit Exponaten aus dem „Palast der Republik“ besucht. Alte Erinnerungen kamen bei mir auf, die gezeigten Filme mit diversen Erklärungen und Gegenständen aus jener Zeit haben mich sehr berührt. Das war immerhin einmal mein Arbeitsplatz.“

Klaus-Peter Spielberg-Jung – Vom großen Berlin ins kleine Bärlinchen
„So war es im PdR!“

Tipp

Das Flensburg Journal bedankt sich für den gewährten Einblick in sein abwechslungsreiches und ungewöhnliches Leben. Unser Tipp für Freunde des guten Speisens: Solltet ihr noch nicht das „Bärlinchen“, Restaurant und Kneipe in der Swinemünder Straße 2, ausprobiert haben: Sonntags und montags geschlossen, an allen anderen Tagen jeweils von 18 Uhr bis 24 Uhr geöffnet! Ein Besuch lohnt sich!

Mit Klaus-Peter Spielberg-Jung sprach Peter Feuerschütz
Fotos: privat, Benjamin Nolte

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