Seit einem knappen halben Jahr bekleidet er einen Job, den so noch niemand vor ihm in unserem „hyggeligen“ Flensburg innehatte: Er ist offiziell der „Nachtkultur-Koordinator“, im allgemeinen hiesigen Sprachgebrauch ist er der „Nachtbürgermeister“. Er heißt Kay Teßmann, ist ein gestandener Mann, immerhin 47 Jahre alt, im Berufsleben längst etabliert – zudem optisch eine imposante und bemerkenswerte Erscheinung! Daran ist nicht zuletzt erst einmal seine Körpergröße von knapp 1,90 m schuld, zusätzlich ergänzt durch seinen langen und imposanten Bart!

Kay Teßmann – sein bisheriger Werdegang

Unser Kay ist tatsächlich ein Flensburger Jung, hier in der Stadt im Sommer 1977 geboren. „In Flensburg zur Welt gekommen, lebten wir die ersten Jahre in Steinberghaff und zogen dann nach Sörup. Grundschule in Flensburg, dann auf das Gymnasium in Satrup, das waren meine Kindheits- und Jugendstationen“, erinnert sich Kay an seine Anfänge. „Auf dem Gymnasium in Satrup habe ich dann meine Fachhochschulreife bekommen, mehr brauchte ich in meiner „Denke“ damals nicht.

Doch Flensburg als nächste größere Stadt war stets ein großer Anziehungspunkt für mich. Hier habe ich tatsächlich die meiste Zeit meines Lebens verbracht, an der hiesigen Uni studiert, wie meine Altersgenossen das damals noch sehr viel abwechslungsreichere und irgendwie anders gelagerte Nachtleben genossen. Bis auf einige Jahre in Plön, wo die Mutter meines Sohnes lebt, war ich stets hier vor Ort …“ Und er ergänzt: „Ich bin sozusagen als Landei in die große Stadt Flensburg gekommen, die mich stets fasziniert und in ihren Bann gezogen hat“, erklärt der heute 47-Jährige seine Liebe zu Flensburg. „Die Clubs und Kneipen meiner Sturm- und Drangzeit von „damals“ waren das „Chaplins“ in Dörphof oder hier in Flensburg insbesondere das Roxy, das Kühlhaus und natürlich speziell das Kaffeehaus. Dort habe ich auch geraume Zeit als „Tresenschlampe“ gearbeitet – später aber meistens nur noch, wenn im Kaffeehaus ganz bestimmte DJs Platten auflegten. Weitere Stationen folgten. Doch recht schnell habe ich gemerkt, dass ein dauerhafter Job in der Gastronomie nicht „mein Ding“ war!“

Kay Teßmann – der „Nachtbürgermeister“ in Flensburg
In Rostock mit Claudia Roth

Der aktuelle Hauptberuf

Heute ist er hauptberuflich als Betreiber eines hiesigen Fachgeschäfts tätig: Kay Teßmann ist Inhaber und Geschäftsführer im „Weinladen“, einem Spirituosen-Fachgeschäft mitten in der Flensburger City, in der Friesischen Straße. „Das Geschäft habe ich im Januar 2021 mitten im zweiten Lockdown von unserem langjährigen Bekannten Rolf Tiller übernommen, der sich anschließend zur Ruhe setzen wollte. Bedingt auch durch die Sch… Pandemie war ich gerade in einer antriebsschwachen „Depri“-Phase; also hieß es für mich: Runter vom Sofa und dieses alteingesessene Geschäft übernehmen und weiterführen. Leider ist Rolf schon früh verstorben, konnte den angestrebten Ruhestand nicht lange genießen.

Der „Weinladen“ ist heute bestens etabliert in Flensburg, gemeinsam mit meiner Frau und einem tollen und fachkompetenten Team an Mitarbeitern haben wir die schwierigen Corona-Jahre überstanden und stehen heute auf soliden wirtschaftlichen Füßen. Übrigens: Nur wegen des guten eingespielten Teams konnte ich überhaupt den Posten des „Nachtkultur-Koordinators“ übernehmen“, berichtet Kay stolz von seinem beruflichen und wirtschaftlichen Fundament in Flensburg.

„Nachtbürgermeister?“

Auch Kay Teßmann ist anfangs skeptisch gewesen. Als die Diskussionen über die Einsetzung eines Nachtbürgermeisters für Flensburg aufkamen, hat auch er spontan gedacht: „Wie kann man in einer Stadt wie Flensburg bloß für so einen Posten Geld aus dem Fenster werfen?“ Doch dann passierte etwas Unerwartetes: „Viele meiner Freunde und Bekannten kamen auf mich zu und sagten mir auf den Kopf zu: Mensch Kay, das wäre doch der optimale Job für Dich! Wenn sich einer in Flensburg auskennt und auch die ganzen Befindlichkeiten der einheimischen Menschen kennt – dann bist doch Du das!!!“

Und als dann auch noch seine Frau das genauso sah, kam er ins Grübeln. Bewerben! Übrigens war das im zarten Alter von 46 Jahren meine überhaupt erste offizielle Bewerbung – und die hat dann auch noch gleich geklappt“, blickt Kay leicht kopfschüttelnd zurück. Gegen knapp zwei Dutzend Mitbewerber hat er sich durchgesetzt, ist jetzt seit dem August 2024 in Amt und Würden. Die Stelle als „Nachtkultur-Koordinator“ ist offiziell bei der Tourismus-Agentur TAFF in der Nikolaistraße „aufgehängt“, dort hat er auch seinen Arbeitsplatz samt Stuhl, PC usw. In den Räumen der TAFF haben wir uns auch für dieses Gespräch getroffen.  

Was macht überhaupt ein „Nachtbürgermeister“?

Als „Nachtbürgermeister“ wird eine Person eingesetzt, die sich um alle Belange kümmert, die das Nachtleben einer Kommune oder Stadt betreffen. Diese Person sollte ein neutrales Bindeglied zwischen den verschiedenen Interessengruppen sein, wie z. B. Veranstaltern, Stadtverwaltung, Kommunalpolitik, Anwohnern, Gästen und vielen weiteren Akteuren. Gewöhnlich ist der Nachtbürgermeister Angestellter seiner Stadt, entweder in Teil- oder in Vollzeit, oder auch ehrenamtlich. In anderen Ländern ist diese Funktion längst üblich, in größeren Städten oder gar Metropolen kümmert er sich mit einem eigenen Stab von Mitarbeitern um die sogenannte „Night Economy“.

In Amsterdam etwa gibt es den „Nachtburgemeester“ mittlerweile seit über 20 Jahren, in vielen meist größeren Städten Deutschlands auch schon seit mehreren Jahren. Viele Städte haben sich allerdings dafür entschieden, der Stelle einen anderen Namen zu geben, da ein „Bürgermeister“ in der Regel ein gewähltes Amt innehat.

Die Stelle hier in Flensburg ist die erste dieser Art überhaupt in Schleswig-Holstein, sie ist als sogenannte Teilzeitstelle mit 30 Stunden bei der Tourismus-Agentur (Taff) angesiedelt. Kay Teßmann dazu: „Ich bin nicht ins Amt gewählt worden, habe somit auch keine Befugnisse kraft meines Amts. Übrigens habe ich schon in den ersten Wochen schnell festgestellt: Mit der Vorgabenzeit von „30“ wird das eventuell etwas knapp, doch das schert mich nicht.

Zusammen mit dem Laden lande ich bei geschätzten 70 bis 80 Wochenstunden, die bin ich aber seit jeher gewohnt.“ Angesprochen auf mögliche andere Hobbies und Interessen, erwidert er nur lapidar: „Meine Arbeit in verschiedenen Projekten befriedigt mich und diese Abwechslung hat mich seit jeher glücklich gemacht. Wenn die Arbeit mich so erfüllt, brauche ich doch keine Hobbies mehr, von der fehlenden Zeit dann ganz abgesehen.“

Teßmanns Herangehensweise an den Job

Zunächst einmal geht es ihm in erster Linie darum, mit allen beteiligten Akteuren des breit gefächerten Flensburger Nachtlebens zu sprechen und vor allem ihnen zuzuhören. „In erster Linie geht es um Kommunikation: Reden und reden und nochmals reden – und natürlich auch zuhören und für sein jeweiliges Gegenüber Verständnis für seine Belange entwickeln“, so Kay Teßmann.

„Man darf nicht vergessen: In Flensburg und Umgebung sind rund 150.000 Menschen zuhause, wir sind sogar ein Oberzentrum für knapp 500.000 Menschen. Unsere Stadt ist außerdem eine anerkannte Universitätsstadt mit fast 10.000 Studierenden, wir sind eine Touristenhochburg, leben quasi auf der Grenzlinie zwischen Mitteleuropa und Skandinavien – unsere Stadt hat demzufolge ein riesiges Potenzial!“ Kay redet sich warm: „Wir sind durchaus von der Natur bevorzugt, haben eine tolle und attraktive Lage am Fjord, an der Flensburger Förde, unsere Stadt hat viele Freiflächen zu bieten, zudem zahlreiche historisch geprägte Gassen und Orte – die wir aus meiner Sicht noch viel mehr in unser kulturelles Leben einbauen sollten, und das nicht nur in den Nächten, sondern auch zu allen anderen Tages- und Jahreszeiten!“

Kay Teßmann – der „Nachtbürgermeister“ in Flensburg
Von links nach rechts: Leon Bossen, Gorm Casper, Kay Teßmann, Henning Brüggemann

Die Aufgabenvielfalt

Er sieht seine Aufgabe hauptsächlich hier: „Eine Schnittstelle will ich sein zwischen den Leuten, die gewissermaßen das Nachtleben leben, es repräsentieren, und auf der anderen Seite den Verantwortlichen in der Stadt, wie Verwaltungen, den Kommunalpolitikern, Behörden und und und, die die Rahmenbedingungen für ein verträgliches und passendes Miteinander schaffen sollen, und es bei Bedarf verbessern bis hin zum Optimieren.“ Daher ist es auch aus seiner Sicht durchaus logisch, dass der Nachtbürgermeister hauptsächlich tagsüber arbeitet. „Die Akteure haben nachts während ihrer eigentlichen Arbeits- und Dienstzeiten ohnehin andere Dinge zu erledigen und zu tun.“ 

Kay betont: „Zum Nachtleben gehören nicht nur die Geschäftsleute, die die örtlichen Lokale, Kneipen, Discos usw. betreiben. Dazu kommt ein riesiges Umfeld von Leuten, die dafür sorgen, dass diese Betriebe laufen: Von den Servicekräften, Köchen, DJs, Türstehern, Reinigungsleuten bis hin zu den Personen aus den öffentlichen Diensten, die eben auch nachts und zu den sogenannten „ungünstigen Zeiten“ arbeiten: Feuerwehr, Ärzte, Polizisten, Krankenhauspersonal, Rettungskräfte, Taxi- und Busfahrer. In weiteren Einrichtungen wie den Theatern, den Kinos, den Kiosken – überall sind Menschen beruflich aktiv, um das Leben 24 Stunden lang an sieben Tagen in der Woche am Laufen zu halten.“  Doch es geht noch weiter: „Es gibt ein ganzes Aufgabenspektrum, dazu gehören auch diverse Konfliktsituationen“, erklärt Kay Teßmann die Einzelheiten. „Themen wie etwa spezielle Sicherheitskonzepte, Drogenprävention, aber unter anderem auch die Müllvermeidung gehören dazu.

Ich möchte zudem erreichen, dass Gäste nach einem Clubbesuch, dem Kinoaufenthalt oder auf dem Weg vom Theater zum ZOB oder zum Parkplatz keine Abfälle achtlos wegwerfen, sich zudem in den Abend- und Nachtstunden überall in der Stadt sicher fühlen können. Auch gegen Rassismus, Sexismus und generell übergriffiges Verhalten möchte ich gezielt vorgehen, denn das Nachtleben soll doch unbedingt bunt und vielfältig sein und für alle offen, egal welches Geschlecht und egal welche Hautfarbe.“ Nicht zuletzt geht es ihm auch noch um ein weiteres Problem der Nacht: Obdachlosigkeit, Menschen, die in Ladeneingängen übernachten. „Das ist ein Thema, das in erster Linie traurig stimmen sollte, aber die betreffenden Stellen in Politik und Verwaltung sind sich dessen bewusst und am Thema dran.“

Seine erste Zwischenbilanz

Die Feierkultur hat sich im Laufe der letzten Jahre – noch einmal verstärkt durch die Corona-Pandemie, sichtbar verändert, und die Kaufkraft ist gesunken. Bundesweit ist längst vom Diskothekensterben die Rede. Auch die hiesige Traditionsdisco „Max“ an der Schiffbrücke – heute heißt sie „Stereo“ – war davon betroffen, und im „Lighthouse“ nebenan sind noch immer die Lichter aus. Das Nachtleben ist laut Teßmann ein erheblicher Wirtschaftsfaktor in jeder Kommune – auch in Flensburg, mit entsprechenden Auswirkungen auf andere Branchen vom Kioskverkäufer bis zum Taxifahrer. In die Feierkultur spielen so viele Faktoren hinein, dass Kay Teßmann in der ersten Phase seiner Tätigkeit erst einmal überwiegend zugehört und Probleme identifiziert hat. „Wir müssen uns wieder mehr um diese Problematik kümmern. Nicht immer nur weggucken, wenn sich etwas verändert.“

Und er ergänzt: „Ich fühle mich manchmal so, als ob ich ein überdimensionales Wollknäuel zugeworfen bekommen habe mit der Aufforderung: Strick mal daraus einen ordentlichen und passenden Pullover! Bislang habe ich überall offene Türen vorgefunden, natürlich auch feststellen müssen, dass sich etwa die Politiker schon mal uneins sind, doch die Verwaltung ist überaus offen und zugänglich, zudem geduldig bei vielen Verständnisfragen meinerseits. Ich habe mich mittlerweile beruflich so organisiert: Den Montag sowie den Mittwoch habe ich reserviert für diesen Job, deshalb auch die Termine an jenen Tagen. Das Organisatorische lässt sich dank Laptop dann auch an den mobilen Arbeitstagen oder in den Abendstunden erledigen. Erste Erfolge stellen sich jetzt nach und nach ein. Manche Dinge, die ich mir habe vornehmen wollen, wurden aber z. B. auch schon längst von Politik und Verwaltung in Angriff genommen. So werden demnächst die Fahrpläne für die innerstädtischen Nachtbusse überarbeitet und angepasst werden – auch ohne mein Zutun. Weitere Dinge werden sich im Lauf meiner zweijährigen Tätigkeit mit Sicherheit auf den Weg bringen lassen, doch in vielen Bereichen dauert es eben auch seine Zeit, bis es reif ist für eine Ankündigung!“

Das Flensburg Journal bedankt sich bei Kay Teßmann für ein angenehmes und erhellendes Gespräch. Wir sind uns sicher, dass er in seiner durchaus schwierigen und herausfordernden Tätigkeit noch einiges anschieben wird und manches in unserer schönen und lebenswerten Stadt wird verbessern können. Wir drücken ihm alle Daumen für die kommenden Wochen und Monate, und wünschen ihm für das Jahr 2025 ein glückliches Händchen in diesem spannenden Job!

Mit Kay Teßmann sprach Peter Feuerschütz
Fotos: privat 

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