Conny Meesenburg zu interviewen ist eine wahre Freude. Denn spontane Show-, Tanz- und Gesangseinlagen gibt es inklusive.
Gerade spricht die Chefin des Flensburger Orpheus-Theaters noch über ihre Jugend im kleinen Dorf Stolk in Angeln, da springt sie plötzlich auf, singt im heimischen Wohnzimmer mit dramatisch tiefer Stimme, ausladender Gestik und rollenden Augen vier Zeilen aus einem Tim Fischer-Lied:

„Oh, Mond, kieke man nich so doof
Wenn ick abends nach Hause loof
Du kennst die jroßen und die
kleenen Schmerzen
Du bist der Tröster von
die Medchenherzen!“


Keine Frage, diese Frau und die Bühne – das gehört zusammen. Geboren in Schleswig, wuchs Conny, damals noch Cornelia Horn, als echte Angeliter Deern mit drei Geschwistern in einem Achthundert-Seelen-Dorf im westlichen Teil Angelns auf. Der Vater, sensibel und kreativ, war als Malermeister selbstständig, die Mutter kümmerte sich selbstbewusst und organisiert um die finanziellen Angelegenheiten des Geschäfts. Von beiden Elternteilen hat sie, so resümiert Conny Meesenburg heute, etwas mitgenommen.

Neles Kreativwerkstatt

„Mein Vater hat mir früh erlaubt, in seinen Arbeitsräumen eine kleine Ecke als Atelier einzurichten und hat mich mit Farben versorgt. Meine Mutter hat mir beigebracht, wie man ein kleines Unternehmen organisiert.“
„Es war eine wunderbare freie Zeit“, erinnert sich Conny Meesenburg an ihre Kindheit und Jugend in den Sechziger- und Siebzigerjahren auf dem Land. Nele, wie sie sich selbst nannte, weil ihr Cornelia zu bieder wirkte, war schon als Kind nicht nur freiheitsliebend, sondern auch sehr kreativ. Sie suchte und fand immer wieder Quellen der Inspiration. Da waren die Farben des Vaters, die sie unter anderem inspirierten, Vasen zu bemalen. Diese individuell gefertigten kleinen Kunstwerke verkaufte sie im Dorf und bewies damit früh ihren Geschäftssinn. „Ich bin mir sicher, dass noch heute bei älteren Leuten in Stolk die eine oder andere bunte Vase von mir steht“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. „Damals liefen die Geschäfte gut.“ Auf den Dachböden der Bauernhöfe in der Gegend suchte sie nach Fundstücken, die niemand mehr brauchte. Einige davon landeten dann im Gartenhaus der Familie, das sie mit Tapeten- und Farbresten immer wieder umgestaltete. Die alte Holztruhe der Mutter barg zudem einen großen Fundus an alten Kleidern, in die Nele gern schlüpfte, um sich zu verwandeln. Sich zu verkleiden macht Conny Meesenburg heute noch Freude. „Es ist ungeheuer befreiend, hin und wieder in eine ganz andere Rolle zu schlüpfen.“

Oma Ellis bunte Kleider

Den Sinn für schöne Kleider weckte nicht zuletzt Oma Elli aus Kiel, die eine Meisterin an der Nähmaschine war. „Wenn sie mit ihrem rosafarbenen DKW in Stolk anrollte, meistens verspätet, aber gut gelaunt, witzig und schick angezogen, brachte sie immer etwas mit. Meine Schwester und ich trugen auf dem Kinderfest die tollsten Kleider – geschneidert von Oma Elli aus schönen Stoffen, verziert mit Rüschen und bunten Schleifchen.“ Beeindruckt waren die Horn-Kinder auch von dem singenden Polizisten, mit dem Oma Elli in zweiter Ehe verheiratet war. „Der konnte wunderbare Arien schmettern und war sehr unterhaltsam“, erinnert sich Conny Meesenburg. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die kreative Nele die ersten Lieder vortrug. Schnell waren ihre Darbietungen auftrittsreif. Wenn sich in der Schule in Böklund der Bus verspätete, durfte sie zur Unterhaltung vorsingen: „Zwei Apfelsinen im Haar und an der Hüfte Bananen …“ oder „Zigeunerjunge“ von Alexandra gehörten neben zahlreichen Volksliedern zu ihrem Repertoire. Und schon bald konnte sie sich mit der Gitarre selbst zu den Liedern begleiten.
Nach der als eher langweilig empfundenen Schulzeit begann Conny, wie sie fortan genannt wurde, eine Lehre im damaligen Modehaus Ihms in Schleswig als Schaugewerbe-Gestalterin. „Wir waren ein Team von sage und schreibe zehn Leuten“, beschreibt sie ihre Lehrzeit. „Gekleidet in weißen Kitteln wie Ärzte verbrachten wir Wochen damit, die Schaufenster zu dekorieren. Die Enthüllung der neuen Deko war dann jedes Mal eine kleine Sensation in Schleswig.“ Im Anschluss an die Ausbildung zog die junge Gestalterin nach Flensburg und machte sich zwei Jahre später selbstständig. Zehn Jahre war sie als „Conny Horn – Dekoration und Styling“ erfolgreich unterwegs. Eine anstrengende, aber auch spannende und erfüllende Zeit, wie sie rückblickend resümiert.

Die Bretter, die die Welt bedeuten

In dieser Zeit lernte Conny den Flensburger Hotelkaufmann Helge Thordsen kennen. Ein charismatischer Mann, leidenschaftlich, engagiert und unangepasst. „Helge war auch oft schwierig, manchmal depressiv, sprühte dann aber wieder nur so vor Ideenreichtum“, beschreibt sie ihren damaligen Weggefährten. Gemeinsam reiste das Paar als Rucksack-Touristen nach Asien, ließ sich in Ländern wie Indien und Thailand inspirieren. „Wir waren sehr spirituell unterwegs“, erinnert sich Conny Meesenburg. „Der Buddhismus hat uns fasziniert und prägt mich bis heute.“ Weil Helge Thordsen ein großer Theaterliebhaber war, besuchte das Paar zudem regelmäßig Aufführungen im Hamburger Schauspielhaus und in der Oper, fuhr zu den Bayreuther Festspielen, verweilte in Jazz-Clubs und Berliner Varietés. Im 1988 gegründeten Schmidt Theater im Hamburger Stadtteil St. Pauli waren die beiden Flensburger Stammgäste und knüpften Kontakte zur Schmidt-Familie wie Corny Littmann und Ernie Reinhardt, Lilo Wanders, Marlene Jaschke sowie zu zahlreichen Künstlern. „Helge war fasziniert vom Theater. Er wäre gern Schauspieler geworden und sein größter Traum war es, ein eigenes Theater zu gründen“, erzählt Conny aus dieser wilden und bewegten Zeit.
Aus dem Traum wurde – nach jahrelanger Vorbereitung – Wirklichkeit. Über dem ehrwürdigen Porticus, das Helge Thordsen damals führte – auf dem Dachboden des historischen Fachwerkhauses an der Flensburger Marienstraße – eröffneten Conny Horn und Helge Thordsen im Jahr 1991 das Orpheus-Theater. Mit viel Engagement und Einsatz – meist abends und nachts – hatte das Paar den muffigen Dachboden in ein kleines, gemütlich-mondänes Theater verwandelt. „Die Reisen nach Asien haben mich stilistisch sehr beeinflusst“, erzählt Conny Meesenburg. „Zudem sammelte Helge Antiquitäten und ich konnte bei der Gestaltung auf einen üppigen Fundus an Zubehör wie Spiegel und Kronleuchter zurückgreifen.“ Rot, Schwarz und Gold dominieren im Orpheus, Säulen in Messingbeschlägen, Kronleuchter und viele Kerzen sorgen in einem der kleinsten Theater Deutschlands für Atmosphäre. Die Grenzen zwischen Bühne und Parkett scheinen aufgehoben. Die Besucher sind mittendrin, die Künstler hautnah. Es ist die Intimität des Theaters, das auch jene Künstler ins Orpheus lockt, die eigentlich längst größere Säle füllen könnten. Zwar werden Plakate heute nicht mehr selbst gemalt. Aber noch immer nimmt Conny Meesenburg persönlich vor jeder Aufführung den Putzlappen in die Hand, um alles auf Vordermann zu bringen. „Ich fühle mich in meinem Theater wie im Mutterleib“, beschreibt sie die heimelige Stimmung des Flensburger Theaterjuwels. Der Name des Theaters ist übrigens eher ein Zufallsprodukt. „Wir haben einfach im Duden geblättert und da sprang uns der Begriff ´Orpheus´an“, erzählt die Theaterchefin.

Tim Fischers zweite Heimat

„Wir wollen damit kein Geld verdienen. Wir wollen ein gutes und interessantes Programm auf die Beine stellen“, sagte Helge Thordsen damals anlässlich der Eröffnung. Dabei ist es bis heute geblieben. Mit viel Gespür engagierten die Orpheus-Gründer von Anfang an gute und gleichzeitig bezahlbare Künstler. Einer der ersten war der damals noch weitgehend unbekannte Chansonnier Tim Fischer, mit dem Conny Meesenburg inzwischen eine tiefe und langjährige Freundschaft verbindet. „Ich sah ihn – blutjung, wunderschön, zart, schüchtern – in Berlin und dachte: Den müssen wir engagieren.“ Inzwischen füllt Tim Fischer große Bühnen, kommt aber immer wieder ins Orpheus und sagt „Flensburg ist wie nach Hause kommen“. Zwischen den Auftritten wird gerne bei Conny Meesenburg gekocht. Und wann immer es möglich ist, trifft sich die Flensburgerin mit „Timi“, wie sie ihn liebevoll nennt, in Berlin. Im neuesten Programm des Orpheus-Theaters präsentiert Tim Fischer an zwei Abenden unter anderem Chansons von Jacques Brel, Sebastian Krämer, Songs von Andreas Bourani und Udo Lindenberg. Im Programmheft schreibt der Künstler: „Liebe Conny, es ist meinen Musikern und mir stets ein Hochgenuss, im Orpheus-Theater zu gastieren. Wir lieben die Intimität des Theaters, das wunderbare Publikum und dich!“

Herzflimmern und große Gefühle

Als nach fünf Jahren Bestehen der Orpheus-Gründer Helge Thordsen überraschend starb, übernahm Conny das Theater. Zu dieser Zeit war sie bereits mit dem Flensburger Unternehmer Boy Meesenburg verheiratet. Das Paar reiste durch die USA, die Kinder Boy und Lilly wurden geboren und Conny verbrachte viel Zeit mit der Familie. Doch das Orpheus ließ sie nicht los. Sie schaffte es, das Orpheus, das in diesem Frühjahr den 28sten Geburtstag feiern konnte, fest in der norddeutschen Kleinkunst-Szene zu etablieren. Von Anfang an stand auch die Theaterchefin selbst auf der Bühne. „Es war Helge, der mich immer wieder gedrängt hat, auf die Bühne zu gehen“, erinnert sie sich. Sie nahm klassischen Gesangsunterricht bei der Opernsängerin Michaela Siegler, sang Interpretationen von Chansons der 20er Jahre. Lieder von Marlene Dietrich und Zarah Leander hat sie ebenso im Repertoire wie Couplets von Friedrich Hollaender. Schwerpunkte ihres Jazz-Repertoires liegen auf Kompositionen von Duke Ellington und den Evergreens der Swing-Ära. Sie trat im Orpheus-Theater mit der Helge Schmedeke-Formation auf, mit bekannten Jazzmusikern aus Frankfurt und den Jazz-Größen Earl Grey und Red Holloway, hatte Gast-Auftritte in Hamburg und Berlin, nahm mehrere CDs auf. Connys Jazz Night ist Orpheus-Besuchern ein fester Begriff: Mit langjährigen Musikerkollegen präsentiert die Künstlerin, die unter ihrem Mädchennamen Conny Horn auftritt, unterhaltsame Jazz- und Swing-Stücke.
Sie ist Künstlerin, aber auch Organisatorin und Geschäftsfrau. Theater, Kabarett, Jazz und Folk, Chansons, Puppen- und Kindertheater stehen auf dem Programm. Der Gitarrist der Söhne Mannheims Michael Koschorreck (Kosho) und der Echo-Preisträger Sebastian Studnitzky standen hier auf der Bühne, Ingo Appelt und Monty Arnold, Axel Stosberg von der Band Santiano, Knacki Deuser, Marcus Jeroch, Stephan Bauer, Carsten Höfer, Lydie Auvray, Uli Masuth, Jazz-Ikone Greetje Kauffeld, Paul Kuhn, Jeff Cascaro, Nathalie Kollo, Peter Baumann,Tango Pasional aus Moskau und viele mehr. Künstler engagieren, Werbung schalten, Flyer gestalten, plakatieren,Tickets verkaufen, Getränke bestellen, Theater putzen, Hotels buchen, Sponsoren anwerben, Mitarbeiter motivieren – Conny Meesenburg hat vor und hinter der Bühne viel zu tun.
Wie sieht die Zukunft aus? Wird das Orpheus irgendwann in der Unterwelt verschwinden? Conny Meesenburg kann sich das nicht vorstellen. Zwar sei es bisweilen mühsam, Jahr für Jahr ein gutes Programm auf die Beine zu stellen. Doch die Arbeit für das Theater sei immer noch erfüllend: „Ich lerne so unglaublich tolle Menschen kennen – das möchte ich nicht missen!“ Zudem habe sie treue Förderer, die sie zum Teil seit Jahrzehnten unterstützen. „Kultur ist das Herz unserer Gesellschaft“ – dieser Leitsatz treibt Conny Meesenburg gemeinsam mit den Sponsoren an. Rund 60 Gäste finden in einem der kleinsten und feinsten Theater mit Jazzclub in Deutschland Platz. Für sie möchte die Theaterchefin immer wieder ein Programm auf die Beine stellen, das bewegt. „Ich möchte, dass die Funken sprühen, dass Menschen genießen, entspannen, lachen oder weinen. Dass sie einfach weit weg vom Alltag berührt werden.“ Nach wie vor ist Conny Meesenburg in Bewegung – auf der Suche nach Eindrücken und neuen Begegnungen. Sie lebt seit einigen Jahren allein mit Tochter Lilly und deren Partner in Flensburg, kocht mit Leidenschaft für Freunde und Künstler, musiziert und reist gerne. Fehlt etwas? „Eigentlich nicht“, sagt sie. Obwohl eine neue Beziehung natürlich eine Option wäre. Dann aber bitte die große Liebe. Mit Pauken und Trompeten. Das ganze Orchester der starken Gefühle.
Bericht: Petra Südmeyer
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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