„Viva La Musica“ schallt es stimmgewaltig durch den Musikraum der Flensburger Comenius-Schule. In den Räumlichkeiten dieser Schule üben die Sängerinnen und Sänger des etablierten Nordertor Chores Flensburg gewöhnlich montagabends – meistens in der Aula des Instituts, bei anderweitiger Belegung des großen Saales auch schon mal im etwas kleineren benachbarten Musikraum. Es ist faszinierend für den Beobachter, wie motiviert und diszipliniert die Akteure ihrem stimmgewaltigen und engagierten Chorleiter bei den Übungsabläufen folgen. Reinhard Salamonsberger steht dem Ensemble schon seit gut 14 Jahren vor. „Im Jahr 2009 habe ich diese tolle Aufgabe übernommen und bin auch heute noch mit großer Freude bei der Sache.“ Das spürt man und sieht es ihm durchaus an. Der gebürtige Österreicher weiß wovon er spricht, hat er doch eine beeindruckende musikalisch geprägte Vita vorzuweisen. Mittlerweile im Ruhestand, hat er jahrzehntelang zuvor als ausgebildeter Opernsänger und Tenor gewirkt, auch viele Jahre am hiesigen Stadttheater gesungen und gespielt. Längst ist er in Flensburg heimisch geworden, engagiert sich hier in seiner Wahlheimat in vielerlei Hinsicht. So war er in musikalischer Sache schon im Jahr 2006 Mitarbeiter des Festivalbüros von Folk Baltica und hat sich für die weitere Entwicklung dieses mittlerweile fest etablierten Festivals eingebracht.

Ständiges Üben macht Meister

Singen – ein leicht zu nutzendes Allheilmittel

Singen macht glücklich! Das spürt ein jeder, der es mal ausprobiert hat. Ja, es macht sogar schön, reduziert Stress, hält gesund, ist gut für Seele und Gehirn. Das haben Wissenschaftler längst untermauert: Chorsingen sei ein wahres Anti-Aging-Trainingsprogramm für Körper, Geist und Stimme, weiß die Gehirnwissenschaft. „Und überhaupt: Chorsingen macht Freude und gute Laune“, ergänzen die Sängerinnen und Sänger unisono. „Zudem stärkt gemeinsames Singen das Wohlbefinden und das Zusammengehörigkeitsgefühl!“

Der Nordertor Chor

Dass gemeinsames Singen eine schöne Sache ist, wussten die Menschen auch schon vor langer Zeit – so eben auch unsere Vorfahren im hohen Norden des Landes. Dieser Chor darf bereits auf eine lange und traditionsreiche Geschichte verweisen: So konnten die Sängerinnen und Sänger dieses Ensembles noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie – im Jahre 2019 – auf eine immerhin 110jährige Geschichte zurückblicken: Am 31. März 2019 veranstaltete der Chor aus besagtem Anlass ein Jubiläumskonzert in der Adelbyer St. Johanniskirche. Trotz vieler parallel im Flensburger Raum stattfindender Events an jenem Tage war das Konzert mit über 300 Zuhörern gut besucht. Mit einem vielfältigen Programm von Klassik bis zu bekannten Volksliedern und einem norddeutschen Tanzlied auf Plattdeutsch begeisterten die Akteure ihr Publikum. Der Eintritt war frei, es kam eine erbetene Spende zugunsten der neuen Orgel von über 940 Euro zusammen.

Sonntagskonzert im ZDF, 1987

Die Anfänge als „Edelweiß“

Im Februar des Jahres 1909 wurde im benachbarten Harrislee ein gemischter Chor gegründet. Einige Sänger des bereits aktiven Männerchores „Jungs holt fast“ wollten gern gemeinsam mit Frauen singen, setzten ihren Wunsch in die Tat um und gründeten den gemischten Chor „Edelweiß“. Warum die Gründungsmitglieder des Chores damals eine Alpenblume zum Chornamen erkoren, ist nicht überliefert. Frohsinn oder Fidelitas, Hoffnung oder Eintracht, so lauteten in jenen Jahren die Chornamen in Norddeutschland! Doch Edelweiß?
Nun, der Chor entwickelte sich – nachdem bedingt durch den Ersten Weltkrieg die Aktivitäten eine Zeitlang ruhten. Im wiedererlangten Frieden traf man sich erneut, übte fleißig und führte alsbald Liederabende, Gartenkonzerte und weitere Veranstaltungen durch, die Zahl der aktiven Mitglieder stieg nach und nach sogar auf stolze 110, davon 60 Frauen, 30 Tenöre und 20 Bässe! Im Jahr 1926 wurde als Konstrukt für den Chor ein Verein gegründet, in der Hauptversammlung wurden „Statuten“ (eine Satzung) beschlossen. Noch hatte man allerdings keine feste Lokalität gefunden, um die anstehenden Übungsabende in großer Runde durchzuführen. Anfangs wurde viel probiert, man probte mal hier und mal da, im Hotel Norden, im Gewerkschaftshaus, in der Schule Ramsharde und einigen weiteren Räumlichkeiten. In den 30er Jahren, nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wurde das gemeinsame Singen wieder schwieriger, die Zahl der Mitglieder sank entsprechend. Das 25jährige Bestehen wurde nur im kleinen Rahmen im Café „Klar Kimming“ gefeiert. Die Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs sowie die nachfolgenden rund zehn Jahre Wiederaufbau in der jungen Bundesrepublik Deutschland unterbrachen ein weiteres Mal die Chor-Aktivitäten, doch etwa ab Mitte der 50er Jahre lebte das Singen wieder auf, die Geselligkeit wurde in bewährter Weise gepflegt und erneut das Programm wieder aufgenommen.
Irgendwann in jenen Jahren schloss sich der Chor „Edelweiß“ mit dem Frauenchor „Harmonie“ und dem Chorverein zu einer Singgemeinschaft zusammen. Mit einem gemeinsamen Chorleiter, Herrn Rektor Hucke, trat man mit Liederabenden sowie bei einem Festkonzert im Deutschen Haus auf. Im Jahre 1959 feierte der gemischte Chor „Edelweiß“ sein 50jähriges Bestehen.

Das Fortbestehen als Singgemeinschaft „Nordertor“ und als „Nordertor Chor“

Seit dem Jahre 1961 existieren schriftliche Aufzeichnungen über das Chorleben, seine Mitgliederzahlen sowie die vielfältigen Aktivitäten. Am 01.03.1961 wurde auf Antrag des damaligen Chorleiters Hans Ulrich Stephan der Chor in Singgemeinschaft „Nordertor“ umbenannt, um einen direkten Bezug zur Heimat Flensburg herzustellen. Die Zahl der aktiven Sängerinnen und Sänger veränderte sich ständig, so waren in jenem Jahr 1961 gerade einmal 30 Mitglieder im Chor aktiv.
In einem Bericht zur Jahreshauptversammlung des Jahres 1973 taucht dann zum ersten Mal der Begriff „Nordertor Chor“ auf. Zwei Jahre später, in 1975, wird der Chor offiziell in den „Nordertor Chor Flensburg“ umbenannt.
Als weltlicher, nicht kirchlich gebundener Chor steht die weltliche Chormusik im Vordergrund, wenngleich das Repertoire sehr breit gefächert ist. Volkslieder, internationale Folklore, romantische und moderne Chorsätze, aber auch geistliche Musik und moderne Pop-Musik und nicht zuletzt Musical-Medleys gehören zum Programm. So ist der Chor stets in der Lage, Konzerte mit Werken aus allen Bereichen des Chorgesanges zu gestalten.
Bereits in den 80er Jahren war der Chor über die Grenzen Flensburgs und gar Schleswig-Holsteins hinaus bekannt. Chorreisen ins benachbarte Ausland, Weihnachtskonzerte im gesamten Bundesgebiet standen im jährlichen Terminkalender. Im Jahr 1987 wirkte man in der ZDF-Sendung „Sonntagskonzert auf Tournee“ mit, die aus Flensburg gesendet wurde. Weitere TV-Auftritte im regionalen Fernsehen sollten folgen. In den Folgejahren nahm der Chor an einigen Chorwettbewerben teil, konnte dabei oftmals gute Platzierungen und Preise einheimsen. Überhaupt waren die Jahre um den Jahrtausendwechsel geprägt von vielen Reisen und Auftritten außerhalb Schleswig-Holsteins. Einige langjährige Chormitglieder haben aus jenen Jahren viel zu erzählen, zudem sind zahlreiche Anekdoten aus jener Zeit in einer Chorchronik nachzulesen.

Die Gegenwart

Der Nordertor-Chor Flensburg veranstaltet regelmäßig eigene Konzerte und wird gerne und oft als Gastchor zu Veranstaltungen anderer Chöre eingeladen. Zur Tradition geworden sind längst etwa die Adventsandachten in der Flensburger St. Marien-Kirche. Der Nordertor-Chor Flensburg ist heute einer von vielen traditionsreichen Chören in der Stadt Flensburg. Übrigens wurde der Nordertor Chor im September 2022 zum der Chor der Woche bei Deutschlandradio Kultur gekürt – wer sich den Beitrag anhören möchte, möge auf folgenden Link gehen:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/nordertor-chor-flensburg-dlf-kultur-0d3ccdc3-100.html.
Aktuell hat der Chor im laufenden Jahr 2023 zwischen 35 und 40 aktive Mitglieder – vor Corona waren es noch 50. Im Repertoire des Ensembles wird von weltlicher bis zur geistlichen Chorliteratur ein weiter Bogen gespannt. „Es liegt mir nach wie vor am Herzen, die weltliche und die geistliche A-cappella-Literatur in moderner Tonsprache zusammen mit dem Plattdeutschen und in Verbindung mit dem Alpenländischen zu pflegen“, sieht Chorleiter Reinhard Salamonsberger seine Aufgabe noch längst nicht erfüllt. Er ergänzt: „Wir haben Freude am gemeinsamen Singen und üben montags von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr in der Comeniusschule im Drosselweg 12 (nur außerhalb der Ferien!). Sie haben Lust, mal reinzuschauen? Kommen Sie doch einfach vorbei, oder kontaktieren Sie uns vorher und verabreden ein „Schnuppersingen“. Wir sind ein in jeder Hinsicht gemischter Chor, Männer und Frauen, ältere und jüngere Sängerinnen und Sänger halten sich die Waage. Wer bei uns mitmacht, der oder die ist sofort mittendrin im Leben angekommen!“ Chorleiter Reinhard Salamonsberger und alle Sängerinnen und Sänger freuen sich über jedes neue Mitglied. Alter, Herkunft, andere persönliche Hintergründe und Lebensläufe spielen keinerlei Rolle – einzig die Freude am gemeinsamen Singen zählt! In diesem Sinne lautet unser Tipp für alle Interessierten: Macht euch auf zum gemeinsamen Singen im „Nordertor Chor“ Flensburg, ihr werdet es nicht bereuen!
Das Flensburg Journal bedankt sich für die geduldete Teilhabe an einem Übungsabend sowie die netten und informativen Gespräche am Rande der Chorprobe!

Peter Feuerschütz besuchte den „Nordertor Chor“
Fotos: Nordertor-Chor

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