Es waren tatsächlich nur vier Tage. Ende Januar hatte Dänemark zum dritten Mal die Weltmeisterschaft errungen, und nur vier Tage später reihten sich die sechs Goldmedaillen-Gewinner der SG Flensburg-Handewitt in der Duburghalle zum Gruppenfoto auf. Und vorher hatten sie schon wieder mit ihrer SG trainiert. Pausen nach großen Turnieren gehören zum Fremdwort im Handball-Business. SG-Trainer Maik Machulla zeigte sich nachdenklich: „Ich hätte meinen Spielern mehr Zeit gewünscht, ihre Erfolge und Erlebnisse zu verarbeiten, zu reflektieren und wieder herunterzukommen. So ist es nur ein Abhaken: Job erledigt, Medaille eingesackt, Titel auf dem Zettel.“
Dabei war es ein bemerkenswerter, ja sogar historischer Erfolg: Erstmals in der 85-jährigen WM-Geschichte gelang einem Nationalteam der dritte Triumph in Folge. In älterer oder jüngerer Vergangenheit hatte es schon Doppel-Weltmeister wie Schweden, Rumänien oder Frankreich gegeben, aber im dritten Anlauf war nie mehr als Bronze herausgesprungen.
Anders nun die Dänen: Nach 2019 und 2021 eilten sie zum dritten Gold, ihnen glückte der Titel-Hattrick. „Es ist ja immer lustig, wenn man etwas erreicht, was es noch nie gab – in erster Linie ist es mir aber nur wichtig, dass wir wieder Weltmeister sind“, sagte Rückraumspieler Mads Mensah. Da hatten seine Teamkollegen in der Kabine längst auf den Party-Modus umgeschaltet und blendeten aus, dass sich in nur wenigen Tagen der Vereinshandball zurückmelden würde. „Diesen Moment wollen wir mit dem einen oder anderen Bier genießen“, kündigte Rechtsaußen Johan Hansen an.
Im Hintergrund wurde schnell ein Zeitplan für den Montag in Kopenhagen aufgestellt. Am frühen Nachmittag landete der Flieger am Kopenhagener Flughafen. Schon am Gepäckband warteten die ersten TV-Kameras, Journalisten interviewten die Handballer. Linksaußen Emil Jakobsen strahlte: „Es ist unglaublich, mir fehlen die Worte – die Arbeit von einem Monat hat sich gelohnt.“
Es erschien auch Lasse Möller und nahm seine Medaille entgegen. Der 26-jährige Rückraumspieler hatte in der Vorrunde sein WM-Debüt bestritten, dann diagnostizierten die Ärzte ein Vorstadium eines Ermüdungsbruchs in der Wade. Lasse Möller reiste ab und schaltete in Gudme, zu Besuch bei seinen Eltern, ab. Seine Teamkollegen hatten ihn im Trubel von Stockholm aber nicht vergessen und präsentierten auf dem Siegerpodest ein Trikot mit seiner Nummer 64. „Ich hatte alle Spiele geschaut, und wir sprachen darüber, ob ich nach Stockholm zum Finale kommen sollte“, erzählt Lasse Möller. „Letztendlich war es aber sinnvoller, dass ich nur bei der Feier dabei war.“
Keine Frage: Der erneute Triumph war das Produkt eines gewachsenen Teams. „Wir hatten schon das eine oder andere Mal Druck, konnten damit aber gut umgehen“, bilanziert Mads Mensah. Johan Hansen erklärt: „Unsere Stärke ist es, dass bei uns auch neben dem Spielfeld alles stimmt. Wenn neue Spieler kommen, haben sie von Anfang an ein gutes Gefühl. Es gibt durchaus eine Hierarchie, aber auch viel Spaß und Vertrauen untereinander.“
Letztendlich war genug Energie vorhanden, um den harten Zwei-Tages-Rhythmus zu bewältigen, der kurz vor Ende sogar noch mit Reisestrapazen erschwert wurde. Die Dänen spielten am Freitagabend ihr Halbfinale im polnischen Danzig, flogen zu später Stunde zurück nach Stockholm, waren erst mitten in der Nacht wieder im Hotel und mussten schon am Sonntagabend das Finale bestreiten. „Das war komisch und schwer für den Kopf“, meint Emil Jakobsen. „Zum Glück unterstützte uns die fantastische Stimmung in der Halle. Es war wie bei einem Heimspiel.“
Am Tag nach dem großen Triumph die Zugabe in Kopenhagen: Schon zur Mittagszeit standen die ersten Ungeduldigen auf dem Rathausplatz und warteten auf das Eintreffen ihrer Handball-Helden, obwohl diese erst für den frühen Abend angekündigt waren. Als es schließlich soweit war, jubelten und feierten tausende Menschen trotz Wind und Dunkelheit mit den dreimaligen Weltmeistern. Einer nach dem anderen erschien auf einem Podest mit dem Weltpokal. Später winkten die dänischen Ballwerfer-Ikonen der Menge vom Rathausbalkon zu. Die Menschen, viele in rot-weißen Danebrog-Trikots, sangen die dänische Nationalhymne und den 80er Fußball-Hit „Vi er röde, vi er hvide“ („Wir sind rot, wir sind weiß“).
Inzwischen sind die Helden von Stockholm zurück im Alltag. Der Vereinshandball läuft längst wieder auf Hochtouren. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach einem großen Turnier sehr schnell wieder gespielt wird“, sagt SG-Geschäftsführer Holger Glandorf. „Ungewöhnlich war es dieses Mal aber, dass es gleich um so viel ging.“ Die SG musste sich im Viertelfinale im DHB-Pokal gegen die HSG Wetzlar behaupten. Die Spieler arrangierten sich mit der Situation. „Eine Pause war ja keine Option“, lächelte Johan Hansen. „Daher wollten wir ins Final Four, denn auf Siege hat man immer Bock.“ Es reichte so gerade eben – nach Verlängerung. Damit war das Ticket für die Pokalendrunde Mitte April in Köln gebucht.
Text und Fotos: Jan Kirschner