Wer hätte wohl vor gut 80 Jahren, im Herbst des Kriegswinters 1941, gedacht, dass dieser kleine Neugeborene später mal mehrfach den Planeten umrunden würde, zudem ein äußerst abwechslungsreiches, erfülltes und ungewöhnliches Leben würde führen dürfen?

Die Anfänge

Günter Thye kam zum Herbstbeginn 1941, am 21. September, auf diese Welt, wuchs bei seiner Mutter in Bremen in bescheidenen und geordneten Verhältnissen auf. Noch zu klein und zu jung, um das ihn umgebende Weltgeschehen zu begreifen, durchlief der Junge ganz normal die Volksschule, später die Mittelschule, die er schließlich erfolgreich mit der Mittleren Reife zum Ende der 50er Jahre hin abschloss. Er fand eine Anstellung bei einem Bremer Fachbetrieb und erlernte dort in den kommenden drei Jahren den Beruf des Rundfunk- und Fernsehmechanikers.

Der Ernst des Lebens beginnt

Bereits im Laufe seines letzten Lehrjahres machte Günter sich Gedanken, wie wohl seine berufliche Zukunft aussehen könnte. Ihm war klar, dass ihn mit Sicherheit die noch junge Bundeswehr für 18 Monate zu den Waffen rufen würde. Nun stellte sich für ihn die Frage: „Soll ich mich nicht lieber direkt auf 3 Jahre bei vollem Sold beim Bund verpflichten mit der Aussicht, mich dort in einem verwandten Beruf weiter ausbilden lassen zu können?“ Ein guter Freund diente bereits seit einem Jahr, schwärmte ihm von seinen Erfahrungen als Soldat vor – der Freund war als Fernschreiber in Fontainebleau bei Paris eingesetzt. Der Vater des besagten Freundes war zufällig „ein hohes Tier“ im Bremer Kreiswehrersatzamt, und als unser Protagonist erfuhr, dass die Marine ihm im Falle einer Verpflichtung von Beginn an rund 300 DM pro Monat hinblättern würde, war es klar für ihn: „Ich melde mich freiwillig zur Marine!“ (Anmerkung: In seinem erlernten Beruf hätte er als junger Geselle höchstens mit 150 DM im Monat rechnen können).
Am 3. Oktober 1960 begann seine Grundausbildung in Glückstadt. Nun war er in einer komplett anderen Welt angekommen, anfangs sehr ungewohnt für den jungen Mann, doch den anderen Rekruten ging es genauso wie ihm, und schnell gewöhnte er sich an den manchmal rauen Umgangston, die oft schwierige erste Zeit als „Rot-arsch“, wie man seinerzeit die Grundwehrdienstleistenden in der Truppe bezeichnete.

Erste Kontakte zu Flensburg

1961 folgte die Versetzung an die Marine-Fernmeldeschule: Günter verschlug es an den nördlichsten Zipfel der Bundesrepublik Deutschland: nach Flensburg-Mürwik. Heute kaum mehr vorstellbar, wimmelte es seinerzeit von Marinesoldaten in Mürwik – neben dem Marine-Stützpunkt gab es in jenem Stadtteil als größere Dienststellen noch die „Burg“ (Marineschule) und die Fernmeldeschule … und ganz wichtig für die zahlreichen jungen Männer in Marineblau: Nach Dienstschluss warteten auf die durstigen Kehlen der Soldaten diverse Kneipen wie das „T2“, die „weltbeste Currywurst“ beim „Hexer“ neben der Seewarte, von den einschlägigen Etablissements rund um den Hafen und in der Stadt Flensburg ganz zu schweigen. Günters Ausbildungsreihe wurde, weil er krankheitsbedingt einen Teil der Ausbildung verpasste, kurzerhand geändert (aus Fachrichtung „21“ in „23“), er wurde also vom Funkgasten wegbeordert und sollte fortan zum Radargasten ausgebildet werden – gleichbedeutend mit einer Versetzung an die MOS (Marine-Ortungsschule) in Bremerhaven.
Nach erfolgreichem Abschluss der neuen Ausbildung in der Nordseestadt folgte für ihn die erste Versetzung in die Truppe – erneut in den hohen Norden, diesmal jedoch nach Glücksburg.

Günter findet sein privates Glück

Als Angehöriger der Bundeswehr war man üblicherweise Mitglied im Bundeswehrverband, brauchte somit keine weitere Gewerkschaftszugehörigkeit. Ein guter Freund seiner Mutter machte ihm dennoch die Mitgliedschaft in der DAG schmackhaft: „Du zahlst einen monatlichen Beitrag von nur 1 DM, dafür kannst Du im kommenden Sommer für nur 50 DM Reisekosten an einer Busreise nach Paris teilnehmen!“ Günter ließ sich überzeugen, tat wie empfohlen … und hat den Schritt nicht bereut, denn ausgerechnet in Paris, der Stadt der Liebe, lernte er eine attraktive Mitreisende aus Bremen näher kennen, an die er schnell sein Herz verlor. Die junge Frau nahm ihn anfangs erst gar nicht richtig wahr, doch weil er mit seiner Kamera viele Fotos auf der Tour von der Reisegruppe schoss, fragte er sie nach ihrer Heimatadresse, um ihr nach erfolgter Reise Abzüge vorbeibringen zu können. So tauchte später eines Tages der junge Günter, in Ausgehuniform, bei seiner Hiltrud zu Hause in Bremen auf, gewann anfangs erst das Wohlwollen seiner späteren Schwiegermutter durch gute Tischmanieren, später wie erhofft auch das Herz der angebeteten jungen Dame!

Günter treibt die Marinekarriere voran

Anfangs erhielt Günter mehrere kurzzeitige Bordkommandos, bis man ihn eines Tages fragte, ob er nicht zu den Marineflieger-Streitkräften innerhalb der Marine wechseln wollte – die wurden nämlich gerade erst neu aufgestellt. Nun, Günter wollte, erfuhr er doch gleichzeitig in jenem Gespräch, dass eine profunde und umfassende Ausbildung vorgeschaltet werden würde – mit Ausbildungsblöcken unter anderem auch in den USA und an zahlreichen anderen Ausbildungsinstituten national und international.
Als frisch gebackener Maat (Unteroffizier) startete er seinen Einstieg in die Ausbildung bei der Luftwaffe in Kaufbeuren im Allgäu und anschließend in den USA – in Norfolk/Virginia sowie in Patuxent River/Maryland, für die spätere Tätigkeit als Operator auf dem Seefernaufklärer und U-Boot-Jagdflugzeug „Breguet Atlantic“.
Zurück aus Übersee, wurde Günter zum Marinefliegergeschwader 2 mit dem Dienstort Altenwalde bei Cuxhaven versetzt. Dort befand sich seinerzeit jedoch der gesamte Komplex im Umbau, sollte später einmal zum MFG 3 werden. Den frisch hinzuversetzten Soldaten wurde angeraten, ihren Jahresurlaub zu nehmen – man konnte mit ihnen auf der Großbaustelle nicht so richtig etwas anfangen. Günter und seine mittlerweile Verlobte Hiltrud hatten allerdings konkrete Pläne: Sie wollten heiraten!

1987 Bundesverdienstkreuz, rechts VA Rehder

Die Hochzeit

Der 31. Juli 1964 war ein Freitag, die standesamtliche Trauung fand vormittags im Standesamt Blumen-
thal statt. Nachmittags wurden die beiden von einem Nachbarn in dessen neuem und weißen VW-1500 zur Kirche gefahren: Die Trauung fand in der katholischen Christ-König Kirche in Rönnebeck statt, die Zeremonie führte Monsignore Pastor Carl Marizy durch, den Günter schon gut aus seiner Jugendzeit kannte und schätzte. Auf der anschließenden Hochzeitsfeier soll es hoch her gegangen sein – wie es sich für einen Marinesoldaten geziemte. Die Hochzeitsreise beschränkte sich auf nur eine Woche, Günter trat gleich am Montag zum Dienst in Glückstadt an, seine Jetzt-Ehefrau Hiltrud quartierte sich vor Ort in einem kleinen Hotel ein, die gemeinsamen Abende jener glücklichen Urlaubstage wurden in fröhlicher Runde und ausgelassen mit Freunden und Kameraden verbracht.

Die Familie wächst, Günter wird permanent hin und her versetzt

Auf den jungen Soldaten und frisch gebackenen Ehemann warteten zahlreiche kurzzeitige Dienstpostenwechsel, seine Frau bezog derweil die erste gemeinsame Wohnung in Bremen-Rönnebeck, eine Einliegerwohnung im Haus ihrer Eltern.
Im Oktober 1965 wurde der Sohn Thomas geboren, der stolze Vater konnte noch am selben Abend von Nordholz kommend ins Krankenhaus nach Vegesack fahren, um seine Hiltrud und den Nachwuchs zu besuchen. Dienstlich folgten nun Schlag auf Schlag erst die Beförderung zum Obermaaten, dann der Bootsmannslehrgang mit Beförderung zum Bootsmann zum 01.12.1965. Mittlerweile war Günter Z12er, Soldat auf Zeit für 12 Jahre. Von der Weiterverpflichtungsprämie von 6.000 DM wurde erst der Führerschein bezahlt und anschließend das erste eigene Auto angeschafft: ein Opel Kadett B, weiß mit roten Polstern.
Im August 1967 wurde die Familie Thye komplettiert: Sohn Matthias wurde geboren, Thomas erhielt einen jüngeren Bruder. Ein Umzug innerhalb Cuxhavens erfolgte, in eine größere familiengerechte Wohnung. Dienstlich war Günter nun regelmäßig an Bord des Fliegers unterwegs, die Beförderung zum Oberbootsmann erfolgte.

1984 Rom: Internationale Wallfahrt mit Hans Hörtz

Wechsel nach Glücksburg

Das neue Jahrzehnt fing gut und ereignisreich an: Im Januar 1970 Beförderung von Günter Thye zum Hauptbootsmann, verbunden mit gleichzeitiger Versetzung nach Glücksburg ins Flottenkommando. Auf eigenen Wunsch wechselte er alsbald innerhalb der Dienststelle im Oktober 1970 zur SAR-Leitstelle, der Einsatzzentrale des Such- und Rettungsdienstes der Marine. Bedingt durch den dort angesetzten Schichtdienst konnte Günter an den freien Tagen regelmäßig zu seiner noch in Cuxhaven lebenden Familie pendeln, war nicht auf die Wochenenden angewiesen, an denen gefühlt die halbe Bundeswehr auf Reisen war.
Im August 1970 wurde Günter zum Berufssoldaten ernannt. Am 1. September 1971 war es – endlich!- soweit: Die Familie konnte nachziehen, die „elende Fahrerei“ hatte nun ein Ende. Familie Thye bezog eine 3-Zimmer-Wohnung in Glücksburg in der Bremsberg-
allee. Günter konnte das jedoch nicht gleich genießen, stand für ihn doch erst noch eine weitere Schulung bevor: Die Ausbildung bei der U.S. Coast Guard in New York, direkt am Hudson River. Der Rückflug nach Hause war so geplant, dass er Heiligabend wieder daheim bei der Familie in Glücksburg sein konnte, Anfang Januar 1972 nahm er den Dienst als Wachleiter und Assistant in der SAR-Leitstelle Glücksburg wieder auf.

1984 Rom: Internationale Wallfahrt mit Hans Hörtz

Vereinnahmung durch die Militärseelsorge

Schon beim Einzug in die neue Wohnung in Glücksburg wurden die Thyes durch einen Vertreter des katholischen Standortpfarrers gewissermaßen „überfallen“. Man warb kräftig für die Aktivitäten der Militärseelsorge in der Bundeswehr, und diese Werbeanträge fielen bei Günter und seiner Frau Hiltrud recht schnell auf „fruchtbaren Boden“. „Rückblickend kann man heute festhalten, dass ohne den genannten „Überfall“ und unsere Bereitschaft, bei den genannten Aktivitäten mitzuwirken und uns dort ehrenamtlich einzubringen, unser weiteres Leben wohl einen durchaus anderen Verlauf genommen hätte“, schätzt Günter aus heutiger Sicht die damalige Akquise durch den Vertreter des katholischen Standortpfarrers ein. „Es ist tatsächlich so: Reicht man einmal den kleinen Finger, so wird bald darauf die Hand ergriffen und so weiter und so fort. Doch wir waren auch schnell überzeugt von unserem Tun und Wirken“, sieht Günter die damalige Entwicklung als durchaus glückliche Fügung an! Die Tätigkeiten bereiteten Günter und Hiltrud gleichermaßen viel Freude, Beruf und weiteres Familienleben kamen dadurch eben nicht zu kurz. So fügte es sich zu einer sehr positiven ehrenamtlichen Arbeit, die allen zusagte.
„Rückblickend ist es erstaunlich, dass wir heute seit bereits 50(!) Jahren diese Ehrenämter ausüben“, staunt Günter. Seit 1972 ist er ehrenamtlich in der Katholischen Militärseelsorge auf anfangs noch nationaler und bald auch internationaler Ebene aktiv, war dabei immerhin für sechs Jahre als Vizepräsident des „Apostolat Militaire International“ (AMI) tätig. 1975 nahm er an einer Privataudienz teil, die Papst Paul VI. den Teilnehmern des AMI gewährte.
Die 70er Jahre waren daneben beruflich geprägt durch zahlreiche Aufenthalte im Ausland wie in Karup/DK, er war in der schon erwähnten Leitstelle der SAR an vielen Rettungsaktionen im Wetter 1978/1979 beteiligt, den beiden Schneekatastrophen, die Schleswig-Holstein heimsuchten – einmal über den Jahreswechsel 1978/1979 und dann später beim zweiten Katastrophenfall ab Mitte Februar 1979.

1990 Empfang beim österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim

Umzug ins eigene Haus

Irgendwann Ende der 70er Jahre hatten die Thyes sich dazu entschlossen, ein eigenes Haus zu beziehen. Ein Objekt war schnell gefunden: Es sollte in Engelsby sein, im gerade neu entstehenden sogernannten „Sternenviertel“, im Uranusweg. Nach intensiven Vorbereitungen, Terminen bei Banken und Bausparkassen, unzähligen Besichtigungen des Rohbaus und Fortgang der Baumaßnahmen konnte der Umzug von Glücksburg ins Eigenheim Ende April 1981 dann endlich vollzogen werden. Natürlich ging längst nicht alles glatt über die Bühne, doch waren alle vier Familienmitglieder froh, dass sie nun endlich ein eigenes Haus, mit eigenem kleinem Garten, Abstellplatz fürs Auto, voll unterkellert, separaten Kinderzimmern zur Verfügung hatten – mit doppelt so viel Wohnfläche wie zuvor in Glücksburg. Auch für Günter Thye, immer noch dienstlich im Schichtbetrieb tätig, brachte der Umzug Erleichterungen mit: Er fand endlich mehr Ruhe, um den erforderlichen Schlaf auch mal tagsüber nachholen zu können.
Der Stadtteil Engelsby sah damals – vor 40 Jahren – noch ganz anders als heute aus: Die Merkurstraße endete nämlich abrupt – etwa auf Höhe des heutigen Lidl-Marktes: Ein großer Sandhaufen markierte das vorläufige Ende der Straße. Es gab zudem noch nicht den Trögelsbyer Weg, überhaupt steckte Anfang der 1980er Jahre das heutige Engelsby noch in den Kinderschuhen.

Ein vom ständigen Reisen geprägtes Leben

Das Ehrenamt brachte für Günter diverse Reisen einmal durch die Bundesrepublik mit sich, aber auch zahlreiche Aufenthalte und Teilnahmen an Konferenzen in ganz Europa, ob Spanien, Belgien, Dänemark, Holland, und natürlich Italien. „Ich war insgesamt 29(!)mal in Rom“, weiß Günter zu erzählen. Daneben wurden die Familienurlaube auch nicht zuhause verbracht, mit dem Auto (mittlerweile ein Opel Ascona) sowie Kind und Kegel ging es über die Alpen in den Süden, mit Abstechern nach San Marino. Auf internationaler Ebene nahm Günter an vielen Generalversammlungen des Apostolat Militaire International (AMI) teil, etwa in Fontainebleau/Frankreich, später in Toledo/Spanien. Der Arbeitgeber spielte jeweils mit, der benötigte Sonderurlaub für solche Aktivitäten wurde stets gewährt – war es doch ganz im Sinne des Dienstherrn, dass sich Soldaten in der militärischen Seelsorge engagierten.
Neben dem privaten Umzug Anfang der 80er waren die kommenden Jahre von weiteren Auslandsaufenthalten geprägt, Urlaub in Wien stand an, eine weitere internationale Versammlung in Brügge/Belgien, später – im außerordentlichen Heiligen Jahr 1984, fand die AMI–Konferenz in Rom statt.

Würdigung des Ehrenamts

Auch zwei Jahre später, 1986, war Rom Veranstaltungsort des AMI, und während der Konferenz gewährte Papst Johannes Paul II. den Mitgliedern des AMI eine Privataudienz. „Ein weiterer absoluter Höhepunkt meiner ehrenamtlichen Arbeit“, befand Günter wohl zu Recht. Seinem Dienstherrn, der Bundeswehr, blieb Günters intensive, zeitaufwändige ehrenamtliche Tätigkeit natürlich nicht verborgen, so wurde ihm 1987 vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker das „Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ verliehen! Die Ehrung Günters wurde in Gegenwart seiner Frau Hiltrud durch den Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Rehder, im Flottenkommando Glücksburg vorgenommen.
Weitere Reisen nach Portugal und Frankreich sowie Österreich folgten. Im besonders geschichtsträchtigen Jahr 1989 wurde Günter befördert: Er erreichte den Dienstgrad des Ober-stabsbootsmannes, eine herausgehobene Beförderung für Soldaten im sogenannten „mittleren Dienst“. Kurz vor dem Ende des besonderen Jahres 1989 traf Günter im Rahmen einer Generalversammlung des AMI in Spanien anlässlich eines Empfangs im königlichen Palast den spanischen König Juan Carlos I.. Im Gespräch mit seiner Hoheit erwähnte Günter, dass er ja dort arbeitete und lange gelebt hat, wo der König regelmäßig segelte und seinen Urlaub verbrachte: in Glücksburg. Der König taute im Gespräch sichtlich auf und führte ein längeres Zwiegespräch mit seinem Gegenüber – was den Protokollführer des Monarchen sichtlich in „Schwulitäten“ brachte.

Das Ende der aktiven Dienstzeit als Soldat naht

Die Ereignisse der Wiedervereinigung nahmen auch kräftigen Einfluss auf die künftige Gestaltung und Ausrichtung der Bundeswehr. Dienststellen wurden aufgelöst, Dienstposten gestrichen, die 90er Jahre waren geprägt vom Umbruch. Günters Tätigkeiten in der Militärseelsorge blieben davon anfangs unberührt, Treffen und Versammlungen sowie Konferenzen an unterschiedlichen Orten in Europa fanden weiter wie gewohnt statt. Daneben führten die Thyes erste Reisen und Stippvisiten in die bis vor kurzem noch unerreichbaren neuen Bundesländer durch – die ehemalige „DDR“. Im Mai 1992 wurde Günter für „besondere Verdienste um die Militärseelsorge“ in Wien/Österreich ausgezeichnet. Mittlerweile war ihm schriftlich mitgeteilt worden, dass seine Dienstzeit bereits ein Jahr früher als ursprünglich geplant beendet werden würde; schon 1993 würde er in den Ruhestand versetzt werden. Doch erst stand noch in 1992 seine erste Reise nach Südamerika an: Kolumbien war das dienstliche Ziel, Sante Fe de Bogota Veranstaltungsort der jährlichen Konferenz des AMI.

Verabschiedung aus dem aktiven Dienst

Zum 30. September 1993 wurde Günter offiziell aus dem aktiven Dienst verabschiedet, in einer würdevollen Veranstaltung im Beisein zahlreicher Begleiter und Weggefährten seines dienstlichen Werdegangs. Der Befehlshaber der Flotte, Konteradmiral Boehmer, lud ihn und seine Gemahlin anlässlich seiner Verabschiedung in den Ruhestand zu einem offiziellen Mittagessen ein. Die Marine, speziell die Marineflieger, hätte ihn gern noch zwei Jahre länger im Dienst behalten – die Politik gab jedoch klare und eindeutige Vorgaben: Günter hatte wie angekündigt auszuscheiden.

Der Ruhestand wurde jedoch kein solcher

Seine Ehrenämter übte Günter jedoch weiterhin in gewohnter Manier aus. Schon im November führte ihn eine erste Reise von Berlin nach Novospasskoje/Russland. Als Teilnehmer an einem Hilfskonvoi für die dortige Gemeinde war Günter mit dabei: Günter übergab eine Geldspende im Namen der Gemeinschaft Katholischer Soldaten. Der in Berlin zusammengestellte Hilfskonvoi bestand aus diversen LKW und Tankfahrzeugen sowie Kleinbussen.
In seiner nun doch etwas umfänglicheren Freizeit fand Günter endlich Gelegenheit und Muße, einige immer wieder aufgeschobene Dinge anzupacken: So begann er für sein erstes Buch zu recherchieren und Material zu sammeln, später alle Fragmente zu ordnen und das Werk entstehen zu lassen. Das Kernthema seiner noch folgenden Bücher war wie beim ersten: Die Marine und das Drumherum!
Im Jahre 1997 nahm Günter zum wiederholten Mal an einer Generalversammlung des AMI teil, diesmal führte es ihn erstmals nach Asien: In Manila/Philippinen fand das Ereignis statt. Auf dieser Reise konnte ihn bedingt durch glückliche Umstände sogar offiziell sein Sohn Matthias begleiten: Der war nämlich als Polizei-Offizier ebenfalls ehrenamtlich in der Seelsorge tätig, und da die Philippinen die Streitkräfte und Polizei gleich behandelten (Militär und Polizei zählen dort zu den Verteidigungskräften), war eine solche Konstellation möglich und gewollt.

Als Wehrübender im Auslandseinsatz

Auf Anfrage der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (KAS), in Bonn, entschied Günter sich, an einem Auslandseinsatz in Mostar (Bosnien-Herzegowina) teilzunehmen. Der Einsatz sollte im Januar 1998 beginnen, vorgeschaltet war dem Aufenthalt und Einsatz allerdings eine mehrwöchige Vorbereitungsausbildung in Hammelburg/Bayern. „Die anschließenden knapp 5 Monate in Bosnien möchte ich nicht missen: Es waren viele schöne und bewegende Momente dabei, doch auch schreckliche und schwer verdauliche Augenblicke. Ich war eine Mischung aus Reiseführer, Ratgeber, „Seelsorger“, väterlicher Freund und Kumpel für viele dort eingesetzte Soldatinnen und Soldaten – ich habe viel über mich und die Menschen dort gelernt, dazu noch über ein liebenswertes Stückchen Erde, das leider stark unter den Kriegswirren gelitten hat!“, muss Günter auch heute noch manchmal an jene Zeit auf dem Balkan zurückdenken.

Das neue Jahrtausend beginnt

Im privaten Bereich ging alles seinen normalen Gang. Die Söhne waren mittlerweile erwachsen geworden, gingen ihrer eigenen Wege, gründeten selbst Familien. So blieb es nicht aus, dass Hiltrud und Günter Thye bald in den „Rang“ Großeltern aufsteigen durften – sehr zur Freude des Paares! Nach dem ersten Enkel Kilian in 2001 sollten noch fünf weitere Enkelkinder die Familie Thye vergrößern und zu ihrem künftigen Fortbestand beitragen!
Günter nutzte die ihm nun zur Verfügung stehende Freizeit zur Ahnenforschung: Woher stammt der Familienname „Thye“? Das tat er nicht nur daheim vom Schreibtisch aus, sondern reiste gemeinsam mit der Ehefrau durch die Republik – auf den Spuren tatsächlicher und vermeintlicher Vorfahren. Seine „bessere Hälfte“ war, seit die Söhne „aus dem Gröbsten“ raus waren, selbst stark engagiert in der Seelsorge: Hiltrud Thye engagiert sich seit vielen Jahrzehnten im kirchlichen und im sozialen Bereich. Sie war Sprecherin für Anliegen der Frauen in der Erzdiözese Hamburg und setzte sich in der Ökumene ein. Sie half mit bei der Organisation von Friedensgottesdiensten sowie ökumenischen Kreuzwegen am Karfreitag und gestaltete jährliche Weltgebetstage. Seit vielen Jahren bringt sie sich beim ökumenischen Runden Tisch in Flensburg ein.

1996 vor einer Kirche in Nowospassk

… und noch eine Wehrübung!

Im Frühjahr 2006 erhielt Günter eine Anfrage seiner einstigen Dienststelle: „Sind Sie bereit, im Rahmen einer Wehrübung im Flottenkommando Glücksburg eine Jubiläumsschrift zur Feier „50 Jahre Flottenkommando“ anzufertigen?“ – Ja, er war bereit und willens, und legte pünktlich zum besagten Jubiläum druckfrisch das Buch „50 Jahre Marinegeschichte an der Flensburger Förde“ vor (das Flensburg Journal berichtete seinerzeit im Juni 2006, Ausgabe 45, über jenes Ereignis).

Mitglied und 1. Vorsitzender im MVFF

Kurz zuvor – im November 2005 – war Günter Mitglied in der neu gegründeten „Maritimen Vereinigung Flensburger Förde e. V.“ (MVFF) geworden. Da Günter sich bei den üblichen Versammlungen durchaus zu Wort meldete und engagierte, dauerte es nicht so sehr lange, bis er auf der Jahreshauptversammlung 2008 zum ersten Vorsitzenden des MVFF gewählt wurde. Sein Organisationstalent und Engagement war gefragt, so auch 2009 zum Abgeordnetentag des Deutschen Marinebundes in Flensburg. Den Vorsitz hatte Günter bis zum Jahr 2016 inne, schied somit im Alter von 75 Jahren aus besagtem Ehrenamt aus.

2016 beim Bundespräsidenten

Endlich viel Zeit für Privates

Das Jahr 2014 bedeutete für die Thyes: Goldene Hochzeit. Ihre Hochzeitsreise führte sie nach Heiligenstadt in Thüringen, den Geburtsort der Ehefrau. Im September des gleichen Jahres war erneut (zum bereits erwähnten 29. Mal für Günter) Rom das Reiseziel. Über den Jahreswechsel hatte Günter ein weiteres Buch fertiggestellt: „Im Kielwasser des Gegners – Österreicher in der Kriegsmarine“. Schon Jahre zuvor war er zufällig auf jenes Thema gestoßen, mit vielen bemerkenswerten Schicksalen der Kriegsteilnehmer verbunden, die ihn nachhaltig berührten.
Auch die vielfältigen ehrenamtlichen Aktivitäten von Hiltrud Thye sollten eine entsprechende Würdigung erfahren. Im März 2016 wurde sie in der Hauptstadt Berlin vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck ausgezeichnet: Sie erhielt den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. An der Zeremonie nahmen als Gäste Günter Thye und Sohn Matthias sowie Hiltruds Bruder und Frau teil.

Reise nach Kenia

Im Frühjahr 2015 besuchte Günter Thye als Mitglied einer Abordnung der hiesigen Katholischen Pfarrei Stella Maris, Nordergraben 36 in Flensburg, im Rahmen eines Schulkinderprojekts die Missionsstation Rangenyo, Kenia. In diesen Tagen wurden die einzelnen Schulen zwischen dem Viktoria-See, Asumbi, Kisii und Rangenyo angefahren, die in dem Projekt beheimateten Schulkinder auf ihre Erfolge, Wünsche und Wohlergehen angesprochen und weitere hilfsbedürftige Kinder in das Projekt aufgenommen. „Die seit Jahren erfahrene Hilfsbereitschaft von Pateneltern und Sponsoren lässt hoffen, dass auch diese Kinder eine Chance auf Bildung und somit Zukunft bekommen – eben durch Neugewinnung von freigiebigen Unterstützern“, blickt Günter Thye hoffnungsfroh in die weitere Zukunft solcher Projekte.

Ein großes Dankeschön

Die letzten etwa fünf Jahre waren geprägt von zahlreichen Familienereignissen, freudigen wie auch traurigen. „Wie es halt so ist, wenn man allmählich „in die Jahre“ kommt“, weiß Günter Thye diese Lebenszeit einzuschätzen. „Man freut sich über die Kinder und Enkel, genießt Besuche von und bei Freunden und Wegbegleitern, und ist seinem Schöpfer dankbar, dass er es alles in allem sehr gut mit einem gemeint hat.“
Das Flensburg Journal bedankt sich für ein sehr interessantes Gespräch, wünscht Günter Thye und seiner Familie für die kommenden Jahre alles erdenklich Gute, Gesundheit und inneren Frieden!

Mit Günter Thye sprach Peter Feuerschütz
Fotos: Benjamin Nolte, privat

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