Ingo Dewald ist gebürtiger Pinneberger, lebt aber seit nunmehr 18 Jahren mit seiner sportbegeisterten Familie in der Fördestadt. Der Ingenieur ist nicht gerade kleingeraten, und so verwundert es nicht, dass Basketball sein Ding ist. Beim TSB Flensburg fungiert der 53-Jährige seit Langem als Abteilungsleiter für die Korbwerfer. Die knappen Hallenzeiten waren immer mal wieder ein Knackpunkt. Aber Ingo Dewald ist niemand, der sich mit ablehnenden Auskünften zufrieden gibt. Er ging der Sache auf den Grund – und kam so relativ schnell ins Gespräch mit dem Sportverband Flensburg. Vor rund einer Dekade nahm der Basketball-Enthusiast zusammen mit einigen Sportstudenten der Universität einmal alle Sportstätten der Stadt unter die Lupe, um ein Nutzungsprofil zu erstellen. Man entdeckte dabei unerwartete Kapazitäten und andere überraschende Konstellationen. Die Ergebnisse waren hilfreich, als die marode Sporthalle an der Reitbahn 2014 geschlossen werden musste und mehrere hundert Sportler schnell ein Ausweichquartier benötigten.
Für Ingo Dewald persönlich bedeutete diese Erhebung der Einstieg in den ehrenamtlich geführten Sportverband Flensburg. Dieser ist die lokale Dachorganisation für 63 Vereine mit insgesamt 21.000 Mitgliedern. Rund ein Viertel der Bevölkerung der Fördestadt ist demnach einem Sportklub angeschlossen. Ingo Dewald wurde zunächst zu einem der stellvertretenden Vorsitzenden gekürt, ehe er 2017 den Vorsitz von Ingo Diedrichsen übernahm, der als Geschäftsführer Finanzen zum Landessportverband nach Kiel wechselte. „Man sagte zu mir, du heißt auch Ingo, und dein Nachname fängt auch mit D an“, schmunzelt Ingo Dewald.
Noch mit der alten Vorstandsriege setzte der Sportverband wichtige Impulse für eine Sportentwicklungsplanung in Flensburg. Ingo Dewald: „Die Politik sah den Bedarf, da sie weder nach dem Windhund-Verfahren, also wer sich am schnellsten meldet, noch nach dem Schlosshund-Prinzip, also wer am lautesten agiert, entscheiden wollte.“ Es entstand ein enger Austausch zwischen Verwaltung. Kommunalpolitik und Sportverband.
2016 hatten diese Akteure zusammen mit einem Fachinstitut ein Papier mit dem Titel „Sportentwicklungsplanung für die Stadt Flensburg“ fertiggestellt. Exakt 50 Handlungsempfehlungen investiver, institutioneller oder strategischer Natur waren aufgelistet. Viele sind inzwischen abgearbeitet, neue Maßnahmen drängten sich auf, und wiederum andere Projekte mussten geändert werden oder wurden nicht mehr als notwendig erachtet. Also stand kürzlich eine Fortschreibung der Sportentwicklung an, die auch Schlagwörter wie Inklusion und Diversität stärker berücksichtigte. Im Mai verabschiedete die Flensburger Ratsversammlung dieses Konzept mit sehr großer Mehrheit.
Nun geht es an eine stetige Umsetzung, die von einer Lenkungsgruppe begleitet wird. Sie trifft sich alle sechs Wochen. Neben Ingo Dewald und Susanne Braas als eine von fünf stellvertretenden Sportvorständen gehören Julia Döring als Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Sport, Sportdezernent Stephan Kleinschmidt und einige Vertreter der Stadtverwaltung, beispielsweise vom Sportbüro, diesem Gremium an. Man hört von einer guten Zusammenarbeit der Akteure. Gar von einer einmaligen Kooperation – im Vergleich zu den anderen kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins – spricht Ingo Dewald. „Kiel hat keine Sportentwicklungsplanung, Lübeck befindet sich erst in der Vorbereitung, und in Neumünster ist ein solches Instrument nur mit viel ehrenamtlicher Arbeit angelaufen“, berichtet der Vorsitzende des Sportverbandes.
In Flensburg lassen sich längst die ersten Ergebnisse vorzeigen – auch in der Sportinfrastruktur. So sind inzwischen der PSV in der Westerallee und der TSB am Schützenhof mit einem Kunstrasenplatz beglückt worden. Am Stadion entstand ein Hockey-Fußball-Mischplatz. Der SC Weiche 08 soll als nächstes in den Genuss dieses praktischen Untergrundes kommen. Dann der SV Adelby. Im Flensburger Osten sind die Planungsvorarbeiten aber noch nicht soweit fortgeschritten. „Solche Investitionen sind auch für Hallensportler gut“, erklärt Ingo Dewald. „Denn mit Kunstrasen können die Fußballer auch im Winter draußen spielen, was anderen Sportarten mehr freie Trainingszeiten unter dem Hallendach einbringt.“
Derzeit läuft im Stadion eine umfangreiche Sanierung des Hauptplatzes. Nicht nur die Rasenfläche wird erneuert, sondern auch Entwässerung, Laufbahnen und verschiedene Leichtathletik-Anlagen. Die Stadt beziffert die Kosten mit 2,3 Millionen Euro, von denen fast zwei Millionen Euro aus Landes- und Bundesmitteln stammen. Keine ungewöhnliche Finanzierungsstruktur, denn die Lenkungsgruppe schaut immer darauf, welcher Fördertopf auf Bundes- oder Landesebene zu einem Vorhaben passen könnte – um das kommunale Investitionsvolumen zu reduzieren.
Die aktuelle Baustelle hat der Sportverband immer im Blick, denn sein Geschäftszimmer liegt im 1927 eingeweihten Stadionkomplex. Er ist nicht ganz so alt, doch immerhin kann der Sportverband mittlerweile auf ein 75-jähriges Bestehen zurückblicken. „Das Jubiläum haben wir gar nicht gefeiert“, verrät Ingo Dewald. „Uns ist es wichtiger, unsere Mitgliedsvereine zu unterstützen.“ Eine alte Chronik fand sich jüngst bei Aufräumarbeiten. Sie bietet Einblicke in eine durchaus wechselvolle Geschichte. So liest sich das Kapitel über das Gründungsjahr 1948 wie ein Spiegelbild der Nachkriegszeit. Es ging um die Wiederaufnahme von Sportwettkämpfen, strittige Spielerwechsel, die Verteilung der Omnibusse für Sportfahrten, Diskussionen über das Für und Wider von Fußballwetten oder den Umgang mit dem Altvermögen von Vereinen, die zwischen 1933 und 1945 verboten waren.
Willi Speck, Walter Petke, Rudolf Borchers, Ernst Lützen, Herbert Henning oder Georg Stubbe – das waren die Männer, die den Sportverband zunächst führten. Die ersten Jahre kannten eine große Fluktuation, die erst abebbte, als Hans Hansen 1958 das Amt des ersten Vorsitzenden übernahm. Er stand am Anfang einer großen Karriere als Sportfunktionär – bis hin zur Präsidentschaft im Deutschen Sportbund. In Flensburg übergab Hans Hansen den Stab 1966 an Helmut Schumann.
Der Stolz des Sportverbandes damals: die Jugenderholungsstätte Schwennauhof in Glücksburg. Diese hatte sich zu einer vorbildlichen Einrichtung entwickelt und gehörte zu den besten Institutionen ihrer Art in der Bundesrepublik. Unzählige Schleswig-Holsteiner und Gäste aus anderen Bundesländern verbinden mit dem vom Sportverband Flensburg betriebenen Jugendhof schönste Kindheitserinnerungen. Selbst Sportidole wie Uli Hoeneß oder Heide Rosendahl trainierten in jungen Jahren an der Flensburger Förde.
Helmut Schumann stand dem Sportverband bis 1974 vor. Es folgten Hans Walter Martens und Christian Scheel. 1981 übernahm Kay Sörensen, der die Vielfalt des Sports aus eigener Erfahrung bestens kannte. Er war Sportlehrer und ein ausgesprochener Kenner der Materie. Die ehrenamtliche Arbeit wurde herausgestellt, die Bedeutung des Sports für die Völkerverständigung unterstrichen, mangelnde Zuschüsse der Stadt beklagt und die Bemühungen des Sportverbandes um eine Herabsetzung der Hallenmieten forciert.
Ulrich Scholl war es dann, der den Sportverband in das neue Jahrtausend führte. Mit den Vertretern der Stadt saß er oft an einem Tisch. So wurde 1991 eine „Flensburger Sport-Charta“ verfasst, in der die Grundzüge der Kooperation zwischen Stadtverwaltung, Politik und Sport festgehalten wurden. In seiner 15-jährigen Amtszeit wurde auch die heutige Geschäftsstelle im Stadion installiert.
Auch Ingo Diedrichsen (2003 bis 2017) kann auf eine lange Amtszeit zurückblicken. Er und seine Mitstreiter mussten erkennen, dass der Schwennauhof keine Zukunft mehr hatte. Die Ehrenamtler und Teile des Inventars waren in die Jahre gekommen, die Resonanz ließ nach, und der Verpächter, die Stadt Flensburg, wollte nicht länger auf eine Pacht verzichten. Kurzum: 2010 gab der Sportverband seinen Jugendhof in Glücksburg auf und machte damit Platz für Ferienhäuser.
Der Sportverband ist heute also kein Gastgeber mehr, dafür aber ein wichtiger Akteur, wenn es um die Sportentwicklungsplanung geht. „Unsere Vorgehensweise wurde sogar für das Sportland Schleswig-Holstein übernommen“, erzählt Ingo Dewald. Mithilfe einer ähnlichen Konzeption werden nun auch Landesförderungen für den Sport vergeben. Ein Kernpunkt: Stützpunkte für Leistungssport. Fünf davon gibt es in der Fördestadt, und zwar für Volleyball, Leichtathletik, Segeln, Handball und Schwimmen.
Nicht nur die Spitze, vor allem der Breitensport braucht ein Fundament. „Wir wissen aus einer Umfrage, dass Laufen, Radfahren und auch Schwimmen bei den Menschen in Flensburg die beliebtesten Sportarten sind“, berichtet Ingo Dewald. Deshalb sei eine Beleuchtung im Volkspark oder in der Marienhölzung auch für den Bewegungsdrang der Bevölkerung sinnvoll. Ebenso eine Optimierung des Campusbades.
Für dieses Vorhaben liegt die Regie derzeit beim Technischen Betriebszentrum (TBZ). Es existiert zwar schon ein olympisches 50-Meter-Becken, aber durch den Sprungbereich ist es oftmals um ein Viertel reduziert. Deshalb sieht ein Planungsentwurf einen Anbau an der hinteren Flanke des Campusbades vor – für ein separates Sprungbecken. Es ist sogar ein Zehn-Meter-Turm im Gespräch. Der wäre ein Novum in Schleswig-Holstein. Außerdem ist ein Lehr- und Therapiebecken mit absenkbarem Boden vorgesehen. „Wesentlich für die endgültige Entscheidung für den Erweiterungsbau wird es sein, genügend Fördermittel vom Land oder Bund einzuwerben“, teilt das TBZ mit. Vor Kurzem kreuzte Besuch aus Kiel auf: Die Staatssekretärin Magdalena Finke, im Schlepptau einige Landtagsabgeordnete, schauten sich das Projekt vor Ort an.
Der Sportverband ist auf die weitere Entwicklung gespannt. Er selbst hat einen Leistungssportausschuss gebildet, der allen Sportarten mit ambitioniertem Wettkampf-Kalender offensteht. Jan Dreier, der stellvertretende Vorsitzende für Bildung und Lehre, und die lokalen Vertreter der Fachverbände pflegen einen angeregten Austausch und stimmen sich ab. „Wir hatten den Fall, dass das Volleyball-Training im TSB auf fünf Sportstätten der Stadt verteilt war“, erzählt Ingo Dewald. „Besonders im Auge haben wir auch die Gemeinschaftsschule West, die besonders für die Leichtathletik im Winterhalbjahr geeignet ist. Nur dort gibt es einen Einstichkasten für Stabhochsprung.“
Der Sportverband hat weitere Themen auf der Agenda. So soll die Breite des hiesigen Sportangebotes besser in der lokalen Berichterstattung abgebildet werden. Auch dem Mangel an Übungsleitern soll begegnet werden, um den Sportbetrieb nicht zu gefährden. „Immer weniger Menschen engagieren sich ehrenamtlich oder gegen eine kleine Aufwandsentschädigung“, weiß Ingo Dewald. „Deshalb geht es zusammen mit den Vereinen immer häufiger darum, hauptamtliche Trainer zu finanzieren.“ Dabei sieht der Vorsitzende des Sportverbandes das Budget der Stadt durchaus gefordert. Schließlich seien Investitionen in den Jugendsport auch Prävention, was sich später durch einen verringerten Geldfluss in eine dann nicht so dringende Sozialarbeit auszahlen könnte.
Jan Kirschner