Beim Warmup in der Campushalle ist Nicolej Krickau nicht zu sehen. Der neue Trainer der SG Flensburg-Handewitt hat sich in der Kabine verschanzt, beschäftigt sich mit der geplanten Taktik und der richtigen Ansprache an die Mannschaft. Bei der Einlauf-Zeremonie lässt er seinem neuen Team den Vortritt in die verdunkelte „Hölle Nord“ und erscheint erst, als das Licht wieder angeht. Er staunt: „So viele Zuschauer – und das bei einem Testspiel.“ Für Nicolej Krickau ist der Jacob Cement Cup das erste Heimspiel und ein kleiner Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Monaten kommen wird. Bislang hatte er die Spiele nur von der Tribüne aus erleben können – wenn es der Terminplan seines alten Arbeitgebers GOG Gudme zugelassen hatte.
Der neue Chefcoach der SG ist erst 36 Jahre alt. Nicolej Krickau ist allerdings alles andere als ein Novize in der Trainer-Zunft. Der Däne blickt auf eine langjährige professionelle Tätigkeit zurück, gewann in der letzten Serie mit GOG Gudme die dänische Meisterschaft, den dänischen Pokal und erreichte das Viertelfinale der EHF Champions League. Der Erfolgsbringer selbst wurde zu Dänemarks Handball-Trainer des Jahres 2023 gekürt. „Es ist der perfekte Zeitpunkt, mir den Traum von der Bundesliga zu erfüllen“, erzählt Nicolej Krickau. „Diesen Wunsch hatte ich schon lange. Nun ist der Tag gekommen.“

Die Anfänge als Trainer

Er ist schon sehr lange als Trainer tätig. Als seine Großeltern in Braband, einem Stadtteil von Aarhus, als Jugend-Trainer tätig waren, beteiligte er sich schon an den Übungen für die Kleinsten. Da war Nicolej Krickau erst zehn Jahre alt. Natürlich spielte er auch selbst und hatte durchaus Talent, wie einige Nominierungen für die dänischen Nachwuchsteams unterstreichen. Mit Skanderborg schnupperte er in die erste Liga, musste aber ebenso schnell seine aktive Karriere beenden. Zu viele Verletzungen, und das mit nur 22 Jahren.
Dem Handball blieb Nicolej Krickau treu – als Coach. Zunächst in der Jugendabteilung von Skanderborg. „Ein Vorbild hatte ich nicht“, erinnert er sich.

„Ich habe mir viele Dinge abgeschaut, vielleicht von 20 verschiedenen Trainern.“ Sein Aufstieg spricht für eine gute Beobachtungsgabe. 2011 wurde er Co-Trainer, zwei Jahre später Chef-Trainer der Handballer von Skanderborg, die zwischen dem unteren Mittelfeld und der Relegation pendelten. 2017 der nächste Schritt: GOG Gudme, einer der dänischen Top-Klubs, sicherte sich die Dienste des Shooting-Stars der Trainer-Szene. Dieser belohnte das Vertrauen mit Erfolg. Sechs Jahre war er auf Fünen, das sportliche Aushängeschild der Insel wurde immer stärker. Und am Ende liefen die Titel-Partys im Wiederholmodus.

Die ersten Wochen mit der SG

Mit Nicolej Krickau begann Mitte Juli eine neue Zeitrechnung bei der SG. Die Spieler drehten einige Runden auf der Laufbahn, um sich dann zum ersten Training unter der Regie von Nicolej Krickau zu versammeln. „Ich habe mich unheimlich gefreut, alle Spieler von Gesicht zu Gesicht zu treffen“, sagte der neue Coach. „Die Stimmung war gut, alle wirken fit und motiviert.“ Er redete schon viel auf Deutsch, obwohl er sich mit dieser Sprache noch gar nicht so viel beschäftigt hatte. „Ich bin demütig, einen so großen Klub trainieren zu dürfen“, betonte Nicolej Krickau. Man spürte, wie treffend er diese Worte wählte.
Die Größe seines neuen Vereins beeindruckt ihn. Im normalen Trainingsbetrieb merkte der Coach die Unterschiede zu GOG nur bedingt – umso mehr aber, wenn der Blick über den berühmten Tellerrand hinausging. Etwa beim Trainingslager, als so viele tatkräftige Hände unterstützten. Und als ein Grillen mit Helfern angekündigt war, standen plötzlich 200 Leute vor ihm. In einem Bereich ist der alte Arbeitgeber aber einen Schritt voraus. „GOG hat die wohl beste Jugendabteilung der Welt“, meint Nicolej Krickau. „Da war es kein Problem, mal ein Dutzend junge Spieler zu bekommen, um die Belastung oder die Verletzung einiger Profis aufzufangen.“ Bei der SG sprudelt die Talent-Quelle nicht so üppig. Die Bundesliga ist Neuland für ihn. Er hat mit Co-Trainer Mark Bult einen erfahrenen Coach an seiner Seite. Nicolej Krickau, der in Flensburg oder Umgebung noch ein Haus für seine Familie sucht, überlässt nichts dem Zufall. In den letzten Wochen ging er alle Gegner mit einer Video-Analyse durch. Mit dem THW Kiel, dem SC Magdeburg, den Füchsen Berlin und den Rhein-Neckar Löwen hat sich der 36-Jährige weniger beschäftigt, da er diese großen Vereine schon gut kannte. „Für Stuttgart habe ich aber sicherlich 20 Stunden investiert“, verrät der 36-Jährige. „Videos sind aber nur die halbe Wahrheit. Dazu kommen die eigene Mannschaft und ihre Mentalität.“ Es muss alles passen, wenn der Erfolg eintreten soll. „Es gibt keine Diskussion“, betont der neue Trainer. „Unser Ziel ist die deutsche Meisterschaft. Dafür haben wir den Kader. Die Konkurrenz ist aber groß, auch sie hat große Ansprüche.“ Nicolej Krickau geht in seine 13. Saison als Coach im Männerbereich. Hoffentlich bringt diese Zahl Glück. In jedem Fall freut er sich auf viele weitere Erlebnisse in der „Hölle Nord“. Der Trainer weiß: „Dieser große Zuspruch in Flensburg ist für uns zugleich eine Verpflichtung, immer bereit zu sein und immer das Beste zu geben.“

Text und Fotos: Jan Kirschner

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