Unglaubliche 400.000 Ersatzteile lagern in den Hallen von Florian Matz. Auf dem Gelände des ehemaligen Sophienhofes in Flensburg-Weiche ist die Firma Matz Autoteile ansässig. Bereits in vierter Generation verkauft Florian Matz hier Ersatzteile für Oldtimer. Und das weltweit. Einige Teile für bestimmte Fahrzeuge gibt es nur noch bei Matz in Flensburg. Wir haben das Flensburger Traditionsunternehmen besucht und durften einen Blick in die heiligen Hallen werfen.

Durch eine Fernsehproduktion ist die Familie Ludolf Anfang der 2000er Jahre deutschlandweit bekannt geworden. Sie betrieben einen Schrottplatz und eine Autoverwertung. Das Verrückte: Einer der Brüder kannte jedes einzelne Teil, welches auf dem großen Gelände der Firma gelagert worden war und wusste auch genau, wo es unter den großen Bergen an Ersatzteilen zu finden war. Wie viele Teile es insgesamt waren, weiß man nicht. Bei Matz Autoteile in Flensburg ist es nicht ganz so. Doch ein paar Parallelen lassen sich erkennen.

Auch hier gibt es Mitarbeiter, die mitunter genau wissen, welche Teile für welches Fahrzeug vorhanden sind und wo sie in den Hallen lagern. Teilweise auch ohne ins Warenwirtschaftssystem zu schauen. Bei 400.000 Teilen kann natürlich nicht einer alles ganz genau wissen, doch ohne seine Mitarbeiter wäre Geschäftsführer Florian Matz aufgeschmissen. „Wir haben immer vom fachlichen Wissen unserer Mitarbeiter gelebt“, sagt Matz. „Und das ist auch heute noch so. Allein hätten wir das Unternehmen nie in der Form führen können. Den Umsatz machen die Mitarbeiter.“ Und auf die ist er stolz, einige sind bereits schon seit Jahrzehnten im Unternehmen.

In vierter Generation
Matz selbst sieht seine Aufgabe eher im Schaffen und Bereitstellen von Struktur und der Gabe von Sicherheit. In vierter Generation ist er heute für 12 Mitarbeiter verantwortlich. Gegründet hat das Unternehmen 1928 sein Urgroßvater Hans-Jürgen Matz. „Entstanden ist es aus dem wirtschaftlichen Niedergang der 20er Jahre“, erklärt Florian Matz. „Mein Urgroßvater hatte neben einer Weinhandlung auch die Kosmos-Schokoladenfabrik.“ Luxusgüter, deren Nachfrage auch in Flensburg Ende der 20er Jahre enorm gesunken war. Die Unternehmen gingen Konkurs. „Davon hat sich mein Urgroßvater nie erholt“, so Matz. „Es war auch verbunden mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Familie.“

Hans Helmut Matz, Florians Großvater, hatte damals ganz andere Pläne. Eine Gemeinsamkeit mit dem heutigen Geschäftsführer. Beide hatten eigentlich andere berufliche Pläne. „Mein Großvater war damals 18 und wollte unbedingt Zauberer im Zirkus werden. Gedanklich war er längst weg.“ Die Schokoladenfabrik musste damals noch abgewickelt werden. „Mehr wollte mein Großvater damit eigentlich auch nicht zu tun haben“, so Matz weiter. „In diesen Tagen kaufte er sich sein eigenes Auto, aus damaliger Sicht bereits ein Oldtimer, einen Brennabor.“ Mit dem gekauften Auto kam Hans Helmut Matz zu Hause allerdings gar nicht erst an. Er blieb liegen. Quasi am Straßenrand bekam er ein Angebot für ein Ersatzteil. „Am Ende hat er das ganze Auto in Teilen verkauft, weil er es ohnehin nicht nach Hause bekommen hätte. Das Kuriose: Er hat mit dem Verkauf der einzelnen Teile mehr rausbekommen, als er ursprünglich bezahlt hat.“

Eine Geschäftsidee entstand
Die Zirkus-Idee war kurze Zeit später ad acta gelegt, eine neue geboren. Mit Hilfe des Werkstattmeisters und einiger anderer ehemaliger Mitarbeiter der Schokoladenfabrik reifte die Idee, Fahrzeuge auseinanderzubauen und in Einzelteilen zu verkaufen. Die Autoverwertung war gegründet. Es lief gut. Zwei Filialen in Kiel und Neumünster folgten, ehe der Zweite Weltkrieg den Aufschwung des Familienunternehmens schnell ausbremste. „Mein Großvater wurde eingezogen, das Unternehmen kam zum Erliegen“, so Matz. „Nach Ende des Krieges machten sie allerdings da weiter, wo sie aufgehört hatten.“ In der Nachkriegszeit zunächst unter erschwerten Bedingungen. „Der Bedarf an Fahrzeugteilen war groß, die Leute hatten allerdings kein Geld“, berichtet Matz. „Es lief eine Zeit lang auf Tauschbasis. Ein gesuchter Reifen gegen zwei andere und ähnliches.“

Einen wichtigen Impuls brachte Matz Autoteile der Abzug der Franzosen aus Deutschland. Die hatten damals als Reparationszahlungen unter anderem Fahrzeugteile von Mercedes und Opel bekommen. „Diese hat mein Großvater im Anschluss gekauft und damit den Grundstock für unser umfangreiches Teilelager gelegt.“ Einige dieser Teile aus französischen Beständen liegen mitunter heute noch im Lager. Ansässig war der Betrieb zunächst in der Bahnhofstraße, wechselte später auf die Bleiche.

Die Firma etabliert sich
Die Lager füllten sich. Tausende Teile deutscher Fabrikate wurden eingekauft und wieder verkauft. Hans Helmut Matz hat das Unternehmen zweigleisig aufgestellt. „Ein wichtiger Baustein war schon damals die Ersatzteilversorgung für alte Fahrzeuge in Deutschland“, so Florian Matz. „Gleichzeitig hat er aber auch große Partien aus Bundeswehrbeständen angekauft.“ Die Kisten mit Fahrzeugteilen waren nicht selten auch Überraschungskisten. Viel davon verkaufte die Firma Matz ins Ausland. Hinzu kam, dass auch immer mehr Autohändler anfingen, Partien an Teilen aus ihren Beständen zu verkaufen. „Da kamen wir dann ins Spiel und haben große Mengen alter Ersatzteile aufgekauft“, sagt Matz. „So haben wir frische Originalteile bekommen.“

1984 hat Hans Helmut Matz die Firma an seinen Sohn Hans-Peter Matz abgegeben. Und so schließt sich ein Kreis. Hans Helmut Matz schloss sich nun doch noch für ein Jahr dem Zirkus Sarrasani an. Reiste mit ihm durch Europa. „Mein Großvater hat sich damit doch einen Teil seines Traumes erfüllt.“ Nach 1984 wandelte sich das Flensburger Unternehmen von den bisherigen zwei Sparten hin zur reinen Ersatzteileversorgung für Oldtimer. „In einigen Bereichen sind wir bis heute führend“, sagt Matz. „Zum Beispiel bei Ersatzteilen für Bremsen. Wir haben auch angefangen, bestimmte Teile nachproduzieren zu lassen. Teile, die von den Stückzahlen und vom Bedarf her für andere nicht interessant sind, aber dennoch gesucht werden.“ Eine gute Ergänzung zu den Originalteilen, die bis heute so praktiziert wird.

In der Familienpflicht
2004 erwischte ein Schicksalsschlag die Familie. Hans Peter Matz starb. „Ich war 27 Jahre alt“, erinnert sich Matz. „Ich hatte gerade einen Vertrag als Wirtschaftsinformatiker in Kiel unterschrieben.“ Diese Arbeitsstelle hat er nie angetreten. Als ältester von insgesamt sieben Kindern erklärte sich Florian Matz bereit, das Unternehmen von seinem verstorbenen Vater zu übernehmen und fortzuführen. Und dass, obwohl die Firma zu dieser Zeit nicht gerade auf einem soliden Fundament stand. „Die Firma hat jahrelang keinen Gewinn gemacht“, so Florian Matz. „Ich musste eine Entscheidung zwischen Insolvenz und Neuanfang treffen.“ Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Unternehmens.

Florian Matz stand vor einer großen Herausforderung. Die Firma musste auf den aktuellen Stand gebracht werden. 400.000 gelagerte Teile wurden damals einzig und allein auf Karteikarten geführt. „Auch die Rechnungen wurden noch per Hand geschrieben“, sagt Matz. „Wir haben es dann tatsächlich geschafft, alle Artikel in einem modernen Warenwirtschaftssystem zu erfassen.“ In diese Zeit fiel dann auch noch der Umzug von der Bleiche an den Sophienhof. Aus zwei Standorten wurde einer. Bisher befand sich am Sophienhof lediglich ein Außenlager. „Neben der Digitalisierung haben wir somit auch noch rund 200.000 Teile, von der kleinen Schraube bis hin zu großen Türen, umgezogen.“ Zwei Jahre lang dauerte der komplette Umzug und Neuanfang.

Aktuell: Die Firma hat Zukunft
Heute sind die Ersatzteile in sieben Hallen auf dem 23.000 Quadratmeter großen Gelände verteilt. Auf hunderten Regalmetern lagern Teile, die Oldtimer- und Bastlerherzen höherschlagen lassen. Zehntausende Teile sind mittlerweile auch fotografiert und im eigenen Onlineshop gelistet. Ganze Wochenenden hat Florian Matz in den ersten Jahren mit der Digitalisierung des Unternehmens verbracht.

Der Ehrgeiz, schnell wieder schwarze Zahlen zu schreiben und das Unternehmen zukunftsweisend aufzustellen, war groß. Matz Autoteile ist heute gut aufgestellt, kann auch ausgefallene Teile für viele deutsche Fabrikate liefern. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf Opel, DKW oder Borgward. „Bei Opel sind wir Marktführer für Ersatzteile ab den 70er Jahren und für ältere Modelle“, so Matz. „Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen privaten und gewerblichen Kunden bei uns 50:50.“ Der Großteil der Kunden bestellt mittlerweile online oder per Telefon.

Laufkundschaft ist am Sophienhof eher selten. „Klar kommt auch mal jemand vorbei“, sagt Matz. „95 Prozent unseres Umsatzes machen wir allerdings mit dem Versandgeschäft.“ Und hier kommen die Experten von Matz Autoteile ins Spiel. Einer von ihnen ist Sven Averkamp. Sein Fachgebiet ist die Marke Opel. „Er kennt sie eigentlich alle“, sagt Matz lächelnd. „Weiß eigentlich immer einen Rat, wenn ein Kunde etwas Spezielles sucht.“ Helfen können ihm dabei auch jahrzehntealte Ersatzteilkataloge. „Bis Anfang der 50er Jahre sind wir einheitlich konkurrenzlos“, sagt Averkamp. „Vom Hupenknopf bis hin zu großen Blechteilen: Die Menge an Originalteilen bekommt man nur bei uns.“ Und die Nachfrage ist da. Mitunter kommen Anfragen aus der ganzen Welt. „Die Schwerpunkte liegen aktuell bei Deutschland, Österreich, der Schweiz, Holland, Dänemark oder Frankreich“, ergänzt Matz.
Text und Fotos: Benjamin Nolte