Kennen Sie eigentlich Lea? Es handelt sich in diesem Fall nicht um den Eigennamen eines kleinen Mädchens, einer jungen Frau oder so …
Gemeint ist etwas völlig anderes: LEA steht hier für einen Leseklub – ein ganz besonderer Klub seiner Art. Im „LEA-Leseklub“ treffen sich dabei sowohl Menschen mit als auch Menschen ohne Behinderung. Die 3 Großbuchstaben LEA stehen hier als Kürzel für „Lesen Einmal Anders“. Das Lesen wird in diesem Klub anders gehandhabt als sonst üblich: Niemand liest nur für sich allein, es liest auch niemand durchgehend vor wie etwa bei einer öffentlichen Lesung. Hier im Leseklub lesen alle Teilnehmer gemeinsam in einem Buch, das die Runde macht und von Hand zu Hand geht, jeder in der Runde liest eine Seite bzw. ein Kapitel vor. Alle hören einander zu und sprechen anschließend über das Gelesene.
Diese Inklusionsmaßnahme zum einen unterstützt von der bundesweiten „Aktion Mensch“ und zum anderen vom ebenfalls in ganz Deutschland aktiven Verein „Kubus e. V.“. Kubus steht für Kultur und Begegnung für Menschen in unterschiedlichen Situationen. Dort setzt man sich für ein harmonisches Miteinander und die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ein.
Geburtsstunde des LEA-Klubs Flensburg
Im Jahre 2017 erblickte der hiesige LEA-Leseklub in Flensburg sozusagen das Licht der Welt. Die Vorgeschichte: Professor Dr. Eberhard Grüning lehrte und forschte seinerzeit am „Institut für Sonderpädagogik der Europa-Universität Flensburg“, war in seiner Funktion als Institutsleiter beruflich häufig auf Achse. Auf seinen Reisen mit der Eisenbahn las er viel und stieß eines Tages auf einen Artikel über das landesweite Projekt LEA. In dem Zusammenhang kam ihm die Idee diesen Klub doch auch im Bundesland Schleswig-Holstein zu etablieren, nachdem er bei der LEA-Zentralstelle in Köln erfuhr, dass es in Deutschland schon damals rund drei Dutzend LEA-Leseklubs gab.
Zurück in Flensburg, schritt er umgehend zur Tat, nahm Kontakt zu einheimischen Institutionen auf um Unterstützung bei der Gründung eines Flensburger LEA-Klubs zu finden. Die Lebenshilfe Flensburg e. V. war sehr angetan von seinem Anliegen, auch beim Flensburger Selbsthilfe-Bauverein (SBV) stieß er auf offene Ohren. Beim SBV gab es schon im Jahr 2017 die „Schreibwerkstatt“, und einige Autoren aus ebendieser Schreibwerkstatt unterstützten sofort sein Anliegen und erklärten sich zur ehrenamtlichen Teilnahme bereit, der SBV stellte für die Treffen des neu gegründeten LEA-Klubs passende Räumlichkeiten zur Verfügung.
Längst ein „Pflichttermin“!
Seit der Gründung des Flensburger LEA-Leseklubs treffen sich regelmäßig alle zwei Wochen lesehungrige Menschen im ehemaligen Cafè der Bäckerei Nissen in Fruerlund im 360 Grad Haus des SBV. Diese regelmäßigen Donnerstag-Termine sind für alle Teilnehmer längst zum persönlichen Pflichttermin geworden, viele fahren direkt nach getaner Arbeit auf kürzestem Weg ins 360 Grad Haus am Willi-Sander-Platz. Mit großer Begeisterung blättern sie in den vorliegenden Büchern, Zeitungen und Broschüren, schnacken, quatschen und lachen fröhlich und entspannt durcheinander.

Öffentlichkeitsarbeit
Kürzlich lud der Verein seine Unterstützer zu einem der regelmäßigen Treffen ein. Die große Runde leitete Friedrich Thordsen, einer der drei Moderatoren der 14tägigen „Lesezirkel“. Er begrüßte als Gäste Sandra Seemann vom SBV (die ja hier im 360 Grad Haus ein Heimspiel hatte), Katrin Boegh von den Mürwiker Werkstätten, Gerd Habermann von der Lebenshilfe Flensburg sowie Anja Gust, eine hiesige Autorin, die auch Bücher in „Einfacher Sprache“ schreibt. Auch eine weitere Moderatorin nahm an dem Treffen teil und unterstützte die rund 10 Anwesenden der Mürwiker Werkstätten und des Holländer-Hofs. Professor Siegemund von der Sonderpädagogik der Uni Flensburg– der Nachfolger des einstigen Initiators Prof. Grüning, fehlte leider aus Urlaubsgründen.
Friedrich Thordsen begrüßte die Runde, jeder am Tisch stellte sich anschließend kurz vor. Schnell kam gute Stimmung auf, alle Anwesenden duzten einander, und Fidi Thordsen hielt eine launige Ansprache zur Einführung: „Meine persönliche Erfahrung spiegelt sich auch in dieser Runde wider, dass nämlich LEA auch heute noch nach rund 8 Jahren ein „unbekanntes Wesen“ ist. Wenn ich woanders erzähle, dass ich zu heute noch zu LEA gehe, gucke ich meist in ungläubige, große Augen: „Ach, hast du etwa eine Freundin?“ Gewissermaßen schon … Zunächst war LEA auch für mich ein unbeschriebenes Blatt, doch dann wurde sie schon bald zu einer Herzensangelegenheit. Und so ist es bis heute geblieben, auch bei den beiden anderen Moderatorinnen Marita Arndt und Anne Succo.“ Das anschließende gemeinsame Vorlesen war für alle am Tisch ein besonderes, für die Gäste sogar ein berührendes Erlebnis.
Freude am Ehrenamt
Der Begriff „Inklusion“ ist mittlerweile ein oft und gern genutzter Ausdruck in unserer Gesellschaft. Bei den LEAs bedeutet er jedoch einfach nur, dass sich Menschen und „Leseratten“ mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam zum Lesevergnügen treffen, und das an einem öffentlichen Ort, hier im SBV-Cafè im 360 Grad Haus.
Die bei den 14tägigen Treffen genutzte Literatur in sogenannter „Einfacher Sprache“ und helfende Moderatoren erleichtern den Teilnehmern stets den Einstieg ins Lesen bzw. ins Vorlesen. Die Mediothek des Instituts für Sonderpädagogik an der Europa-Universität Flensburg stellt für die Lesungen gerne leihweise geeignete Bücher zur Verfügung: Werke wie „Das Wunder von Bern“, „Ziemlich beste Freunde“ und „Der Altmann ist tot“ sorgten bei den LEAs bereits für Ansporn und Diskussionsstoff. Einige sparen schon für das nächste eigene Buch.
Anmerkung: Im Bestand der Mediothek des Instituts für Sonderpädagogik ist eine Vielzahl an Literatur, Übungsheften, diagnostischen Verfahren, Anschauungs- und Fördermaterialien für verschiedene Unterrichtsfächer, Lern- und Entwicklungsbereiche zu finden. Die Materialien können zu den regelmäßigen Öffnungszeiten eingesehen und vor Ort genutzt, aber auch ausgeliehen werden.
Die Gegenwart
Seit nunmehr bald 8 Jahren ist die Leseecke im Bücher-Cafè des SBV-Gemeinschaftshauses 360 Grad stets an jedem ersten und dritten Donnerstag ab 16.30 Uhr gut besucht. Die Teilnehmer sind weiblich und männlich, zwischen 25 und 55 Jahre alt, mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Sie alle eint jedoch die Freude am Vorlesen und die Liebe zum Lesen. Gelegentlich – meist rund um den jeweiligen Geburtstag des Klubs einmal pro Jahr, findet eine besondere Aktion statt: Mal wurde ein Ausflug und eine Führung in der Stadtbücherei organisiert, oder als Geburtstagsfeier im urgemütlichen Cafè der Museumswerft und auch im Piratennest fand eine Extraausgabe der regelmäßigen Lese-Treffen mit Kaffee und Kuchen statt.
Ausblick
Über weitere Interessenten an der Teilnahme beim LEA-Leseklub Flensburg würden sich alle Beteiligten freuen, sowohl die schon aktiven Teilnehmer als auch die sehr engagierten Moderatoren. Auch zusätzliche Gäste sind jederzeit herzlich willkommen! Wichtig zu wissen: Niemand muss als Voraussetzung perfekt lesen können, er oder sie sollte aber Spaß und Freude sowohl an Büchern als auch an spannenden Geschichten haben.
Für weitere Fragen und/oder Anmeldungen wenden Sie sich bitte an den SBV (Tel. 0461-31560-191) oder an einen der Moderatoren, etwa Friedrich Thordsen, Tel. 0461-312522. Oder Sie schauen einfach mal ganz unverbindlich an einem der regelmäßigen Treffen im Bücher-Cafè beim SBV persönlich vorbei!!
Text: Peter Feuerschütz
Fotos: privat