Der Flensburger Hafen liegt am Ende der gleichnamigen Förde innerhalb der Stadtgrenzen Flensburgs. Man unterscheidet dabei die Westseite, die Ostseite sowie die Hafenspitze. Zum Hafen-Ostufer zählte lange Zeit der Küstenstreifen bis nach Kielseng. Seit dem endgültigen wasserseitigen Abzug der Bundesmarine werden heute auch Sonwik (der ehemalige Stützpunkt der Marine) sowie der benachbarte Bootshafen der Marineschule dazugezählt.
Das Ostufer des Flensburger Hafens
Neben dem Flensburger Hafengelände befindet sich am Ostufer zudem noch der Seglerhafen bei Fahrensodde, der allerdings nicht zum besagten Hafen dazugehört. Über Jahrhunderte hinweg war der Hafen der wichtigste Faktor und Garant für das Wachstum der Stadt. Im Mittelalter jedoch lag der Hafen noch weiter südlich, ungefähr dort, wo sich heute das ZOB-Gelände bis zur Angelburger Straße befindet und sich zudem noch der damalige Mühlenteich anschloss. Verlandungen und Aufschüttungen führten aber schrittweise dazu, dass sich die Hafenspitze immer weiter nach Norden verschob. Teile des Hafens waren durch die Flensburger Stadtbefestigung besonders gesichert. Aus dieser Zeit existiert heute noch das Kompagnietor. Nach dem Niedergang der Knudsgilde und der Hanse stieg Flensburg schließlich mit etwa 200 Schiffen zur größten Handelsstadt im dänischen Herrschaftsbereich auf. Ende des 18. Jahrhunderts beteiligten sich die Flensburger Kaufleute am West-indien-Handel, daraus entstand in der Folgezeit Flensburgs Rum-Tradition. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden vom Hafen aus Flensburger Grönlandfahrten zum Walfang und Robbenschlag organisiert. Seit dem 19. Jahrhundert diente der Hafen auch touristischen Zwecken. Ein bekannter Kaffeehändler richtete einen Linienverkehr ein, der von der Hafenspitze Flensburgs zu verschiedenen Orten entlang der Förde führte.
Kielseng
Kielseng liegt am östlichen Hafenufer zwischen Harnis und Ziegeleistraße und grenzt an Mürwik, befand sich einst auf einem alten Strand- bzw. Uferweg. Auch der Nordzipfel des Industriegebiets am Osthafen wird zuweilen zu Kiels-eng gerechnet. Am Steilhang unmittelbar über der Ortslage schließt sich der Volkspark an. Der Begriff „Kielseng“ setzt sich zusammen aus „Kiel“ für Ketels, und dem dänischen „eng“ – auf Deutsch Wiese.
Im 16. Jahrhundert gehörte dieser Flecken Erde einem gewissen Johann Ketels. Kielseng war im 17. Jahrhundert ein sogenanntes Freigut. Zu dem Anwesen gehörten der Hof, vier Katen, eine Ölmühle und eine Wachsbleiche. Zwischen den bewaldeten Anhöhen nach Osten hin und bis zum Fördestrand dehnten sich grüne Wiesen aus. Im 19. Jahrhundert bestand Kielseng noch aus dem Haupthaus des Bauernhofs, dessen einstöckiges Wohngebäude vor 1800 neu gebaut worden war, aus drei zugehörigen Katen, sowie aus der hoch über dem Hof auf der Anhöhe gelegenen Windmühle, der Kielsenger Mühle. Wie das benachbarte Mürwik entwickelte sich Kiels-eng spätestens seit den 1830er Jahren zu einem beliebten Ausflugsziel für die Bevölkerung der nahen Stadt. Eine der Katen fungierte gar als Gastwirtschaft mit Biergarten, der 1874 zu einem als „Lustgarten“ bezeichneten kleinen Park mit vielen Blumen erweitert wurde. Das stetige Wachstum der Stadt Flensburg ab den 1870er Jahren sollte bald ernsthafte Folgen für die kleine stadtnahe Ortschaft Kielseng nach sich ziehen. Mit der endgültigen Eingemeindung von St. Jürgen, zu dem auch die Ballastbrücke mit Harnis gehörte, rückte die Grenze der Stadt unmittelbar südlich an Kielseng heran. Kielseng wurde der Landgemeinde Jürgensgaard zugeschlagen und bildete deren nordwestliches Ende.
Der Freihafen
1882 beantragte Flensburg, die aus dem Hafengrund gebaggerten Erdmassen in der Kielsenger Bucht abzulagern, zur Gewinnung von weiterem Gelände, zur Ansiedelung von industriellen Unternehmen. Es wurde im Laufe der folgenden Jahre bis etwa 1908 eine Fläche von rund 63.000 qm gewonnen. Das gesamte Gelände ging in den Besitz der Stadt Flensburg über, diese zahlte 3(!) Pfennig pro qm an die Staatskasse – ein echtes Schnäppchen. So wurde die einstige Bucht dem Flensburger Osthafen geopfert. Die ursprünglichen Pläne der Stadt, dort die Werft oder andere Industrie anzusiedeln, zerschlugen sich; es kam somit zur Schaffung eines Freihafens am Ostufer des Hafens.
Freihäfen gab es in vielen Küstenstädten, in denen Handelsverkehr mit und durch Schiffe erfolgte. Freihäfen sind zollfreie Gebiete an Wasserwegen. Im Binnenland hießen solche Gebiete Freizone oder Freilager, in denen keine Zölle und heute auch keine Umsatzsteuern erhoben werden. Der Freihafen Flensburg verläuft heute parallel zur Straße „Kielseng“.
Der erste Weltkrieg (1914-1918) und seine Folgen schlugen sich auch nieder in der Entwicklung des Freihafens: Beabsichtigte Ansiedlungen kamen nicht zustande. Ein Ausbau des Geländes fand aus einem anderen Grund dann doch statt: aus Sorge um einen möglicherweise bevorstehenden Verlust durch eine Abtretung nordschleswigschen Bodens an Dänemark (der Ausgang der Volksabstimmung 1920 war zu dem Zeitpunkt ungewiss) und zur Erhaltung der wirtschaftlichen Kraft. Um Flensburg den Verlust dieses wertvollen Absatzgebietes erträglich zu machen, beantragte die hiesige Handelskammer bei der Staatsregierung die Anlegung eines Freihafens auf dem Kielsenger Gelände – im Vorfeld war mit der Stadt vereinbart worden, dass diese das besagte Gelände zur Verfügung stellen würde. So kam es dann: Die Staatsregierung genehmigte am 1. August 1919 die Einrichtung eines Freihafens als Zollausschlussgebiet, mit Zulassung der Errichtung industrieller Veredelungsbetriebe, auf Kosten des Staates. Nur ein Zwölftel der Anlagekosten sollte die Stadt tragen, erhielt dafür aber die gesamte Anlage als Eigentum.
Der Freihafen entsteht
Mit den ersten Grabungsarbeiten am Kielsenger Steilufer begann man bereits im Winter 1919/1920. Sie wurden im Sommer 1921 abgeschlossen. Danach erfolgte die Ausbaggerung der Hafenfläche, der Aushub wurde auf die umliegende Fläche und zum Teil sogar in Solitüde zu einem neuen Badestrand aufgespült. Die Ausbaggerungsarbeiten waren Ende 1922 beendet. In Kielseng entstand eine 450 Meter lange Ufermauer aus Eisenbeton und Eisenbetonpfählen.
Zunächst war eine Wassertiefe von 6,50 Metern vorgesehen. Durch die Konstruktion der Mauer konnte die Wassertiefe auf 8,50 Meter erweitert werden. Die Anbindung des Freihafens zur Stadt erfolgte durch die Verlängerung der Ballastbrücke bis Kielseng.
Das Gebiet des Freihafens umfasste eine Gesamtfläche von mehr als 17 Hektar. Für den Getreidehandel der Flensburger Kaufleute mit den nordischen Ländern wurde ein Getreide-speicher – mit Rotklinker verkleidet – gebaut, der für Lagerzwecke und zur Herstellung von Futterschrot und Saatgetreide diente, und über ein Fassungsvermögen von 4000 Tonnen ausgelegt ist.
Der Speicher hatte sechs Lagerböden und von der Kellersohle bis zum Dachfirst eine Höhe von 40,30 Metern. Durch einen unterirdischen Kanal gelangte das Getreide über ein Förderband und Becherwerke in die Silozellen. Außerdem befand sich im Silo eine Fahrstuhlanlage für Personen- und Warenverkehr.
Der Freihafen hatte einst eine Schienenanbindung an die Reichsbahn, später die Kreisbahn, mit etwa 6,3 km Bahnschienen und 1,3 km gepflasterter Straße auf eigenem Boden.
Die Eröffnung der kompletten Anlage des fertiggestellten Freihafens fand am 16. Juli 1923 statt. Zur feierlichen Einweihung wehte vom Silo die Reichsflagge, der Hafen prangte im Flaggenschmuck, hochkarätige Gäste neben dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Todsen waren der u. a. Reichsminister des Innern Dr. Oeser, Reichspräsident Friedrich Ebert schickte ein Glückwunsch-Telegramm. Euphorisch und in Erwartung des wirtschaftlichen Aufschwungs des Flensburger Hafens übermittelten viele andere Prominente Glückwünsche.
Doch der erhoffte Aufschwung blieb leider aus. Einige hiesige Spaßvögel meinten sogar, dass seit Bestehen des Freihafens Flensburg frei von Schiffen sei … das war natürlich stark übertrieben, doch der Freihafen erlangte nie die gewünschte Bedeutung, einzig das Industriegelände fand Interessenten und erfuhr Zuspruch. Die Weltwirtschaftskrise in den 20er und anfangs noch den 30er Jahren tat ihr Übriges dazu, dass der Freihafen kein Erfolg wurde.
Das Ende von Kielseng und der Zweite Weltkrieg
Die genannten Umbaumaßnahmen bedeuteten tatsächlich das Ende des Fleckens Kielseng. Die Windmühle war ja bereits um 1900 abgebrochen worden. Auch die erwähnte Gastwirtschaft Kielsengs schloss ihre Pforten für immer.
In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs nahm die deutsche Kriegsmarine den Hafen mehr und mehr in Anspruch. Im Laufe der sich hinziehenden Kriegsjahre wurden Flensburg und sein Hafen vermehrt Ziele von Bombenangriffen der Alliierten.
Bei diesen Attacken wurden verschiedene Bereiche des Flensburger Hafens durch mehrere Luftangriffe in Mitleidenschaft gezogen. So wurde am 22. September 1941 der Freihafenbereich bei Kielseng von drei Sprengbomben und rund 30 Brandbomben getroffen. Ein Silo, ein Packhaus, zehn Häuser sowie ein Güterwagen der Flensburger Hafenbahn erhielten Treffer und wurden stark beschädigt. In den Kriegsjahren wurde der Freihafen nach und nach zum U-Boothafen (U-Boot-Stützpunkt Flensburg) um- und ausgebaut. In dieser Zeit wurden auch die heute noch erhaltenen Hangbunker bei Kiels-eng errichtet, die wohl als Treibstofflager dienten. Im U-Boot-Stützpunkt lagen bis in den Sommer 1945 die Einheiten der 33. U-Flottille. Außerdem wurden zum Kriegsende offenbar die Überreste der 12. U-Flottille nach Flensburg verlegt.
Am 14. Juni 1945 kam es vormittags in der Munitionssammelstelle des U-Bootstützpunktes bei Kielseng zu mehreren folgenschweren Explosionen. Bei der Einweisung von neuen Räumungskräften wurde eine scharfe Handgranate aktiviert. Die erste Explosion in einer der Lagerbaracken führte zu einer Kette von weiteren Munitionsexplosionen. Die gelagerte Munition bestand aus Gewehr-, Pistolen- und Signalmunition der ehemaligen Wehrmacht, die auf Befehl der britischen Besatzungsbehörden eingesammelt und dort bis zu ihrem Abtransport gelagert worden waren, Torpedos sowie 200 bis 250 Wasserbomben, und Artilleriemunition. Der gesamte Munitionsbestand entzündete sich und explodierte. Die Schäden im Hafengelände, auf den dort liegenden Schiffen und in den umliegenden Gegenden waren erheblich. Eine starke Druckwelle zerstörte die Nordwand des benachbarten Stadtspeichers (Freihafen-Silos). Die „Donau“, ein deutsches U-Boot-Begleitschiff, wurde sehr stark beschädigt und kenterte, das ebenfalls dort liegende U-Boot-Begleitschiff „Otto Wünsche“ wurde ebenfalls erheblich beschädigt, und hatte Tote und Verwundete unter seiner Besatzung zu beklagen. An Land wurden Bäume entwurzelt und Dächer fortgerissen. Einige Fenster der Marienkirche und mehrere der St. Jürgenkirche zerbarsten. In der gesamten Stadt Flensburg bis nach Husby zersprangen Fensterscheiben. Insgesamt kamen etwa 60 Menschen ums Leben, viele wurden zudem verletzt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in Kielseng ein Flüchtlingslager eingerichtet.
Was geschah mit dem Gebiet von Kielseng nach dem Zweiten Weltkrieg?
Erst im Frühjahr 1951, knapp sechs Jahre nach Kriegsende, wurde das Freihafenbecken von den letzten Wracks geräumt. Diese wurden unter Wasser zerkleinert, dann gehoben und anschließend zu versandfertigem Schrott verarbeitet. Erst im Jahre 1960 bemühte sich die Stadtverwaltung, das Gelände um den Hafen wieder nutzbar zu machen. Kohlelager wurden dorthin verlegt, es sollten Fabrik- und Bürogebäude entstehen. Die Stadt erhoffte sich von einer solchen Ansiedlung eine erneute Belebung des ehemaligen Freihafenareals. Im Jahre 1961 wurde die neu angelegte Zufahrtsstraße „Am Industriehafen“ benannt.
In den folgenden 1960er Jahren wurde das Gebiet erneut umgestaltet. Die einst schmale Landstraße wurde zu einer großenteils vierspurigen Hauptverbindung von der Innenstadt nach Mürwik ausgebaut. 1962 wurde Kiels-eng schließlich Standort der städtischen Kläranlage. Seit den 1970er Jahren war hier direkt daneben der Standort der Schiffsbetriebsforschung der Flensburger Fachhochschule angesiedelt, mit der „Hausnummer“ Kielseng 15a. In den Jahren 1980 bis 1983 wurde unterhalb des Finisbergs, gewissermaßen am Rande des Volksparks, das „Soldatenheim Flensburg-Mürwik“, heute „OASE-Treffpunkt Mürwik“, gebaut. Es diente als Soldatenheim primär der Betreuung der Marinesoldaten des Marine-Stützpunkts Flensburg-Mürwik. In dem großzügigen Gebäudekomplex von 2.200 m2 entstanden eine Gastwirtschaft mit Billard- und Kickertischen, Sälen, Bastel- und Gruppenräumen, einer Kegelbahn sowie einer Diskothek.
So trat das Soldatenheim Treffpunkt Mürwik (Adresse: Kielseng Nr. 30) gewissermaßen das Erbe der alten Gastwirtschaft von Kielseng an. Historische Gebäude des einstigen Fleckens blieben leider keine erhalten. Im Jahr 1980 begann die Nutzung des Freihafenbeckens als Sportboothafen.
Kielseng heute
Noch heute befindet sich im Gebiet von Kielseng die Kläranlage der Stadt. Der Name Kielseng blieb insbesondere im Namen des erwähnten Abschnitts der Durchgangsstraße erhalten. Neben dem Restaurant Soldatenheim Treffpunkt Mürwik, heute als „Oase“ bekannt, führt ein Pfad in den Volkspark hinein. 2014 schlugen Flensburger Kommunalpolitiker vor, die Straße auf insgesamt zwei Spuren zu reduzieren. Die örtliche Wirtschaft sowie viele Bürger stellten diesen Vorschlag allerdings in Frage – bislang hat sich in der Sache noch nichts getan. Der einstige U-Boothafen wird heute als Sportboot-hafen des WSF Flensburg genutzt, zudem befinden sich dort an Land die Winterlager zweier hiesiger Segelvereine, des WSF und des SSFH (Segel-Sport Flensburg-Harrislee e. V.).
Was die Zukunft für diesen Teil des Flensburger Stadtgebiets bringen wird, steht heute noch in den Sternen.
„Die sich permanent wandelnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die damit verbundenen Veränderungen im Bereich der hafenbezogenen Wirtschaft sowie die stetig steigende Wertschätzung des Fördeareals durch andere Nutzungen, insbesondere im Bereich Freizeit und Tourismus, erfordern eine gemeinsam getragene und zusammenführende Perspektive für den Flensburger Hafen.“ So steht es auf der Homepage der Stadt Flensburg.
Wir sind auf die künftige Entwicklung gespannt …
Peter Feuerschütz sprach mit Hanne Kreutzer, der 1. Vorsitzenden des WSF Flensburg
Fotos: Benjamin Nolte, Privatsammlung Manfred Hammel