Ortstermin in Handewitt, unweit der Autobahn. Links und rechts stehen bereits einige Hallen, weitere befinden sich im Bau. Die neue Straße heißt „Am Heizwerk“. Sie endet in einer Sackgasse. Ein kleiner Trafo-Kasten und ein Baum ragen aus dem Boden, eine Wiese dehnt sich aus, und in einigen hundert Metern Entfernung schlängelt sich der Verkehr um die enge Kurve der Bundesstraße. In nicht allzu ferner Zukunft sollen rund zehn Hektar mit Gebäuden und Produktionshallen belegt werden. Die Flensburger Fahrzeugbau-Gesellschaft (FFG) investiert rund 75 Millionen Euro in einen neuen Standort, um dort Panzer und andere Militärfahrzeuge zu fertigen.

So funktioniert die WEG Flensburg-Handewitt

Diese Ansiedlung ist der neueste Coup der Wirtschaftsentwicklungsgemeinschaft Flensburg-Handewitt (WEG), auf deren Basis in den letzten drei Dekaden ein üppiges Gewerbegebiet am Stadtrand entstand. Flensburg brachte als Oberzentrum seine zentralörtliche Funktion in die Ehe ein, Handewitt das Flächenpotenzial. Beide Partner teilen sich die Erlöse aus der Gewerbesteuer. Längst ist das WEG-Gebiet ein Wirtschaftsmotor. „Wir hatten 2014 knapp über 4000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in unserer Gemeinde, jetzt sind es bald 7000“, berichtet Handewitts Bürgermeister Thomas Rasmussen. In dieser Statistik liegt die Gemeinde Handewitt hinter Schleswig auf Platz zwei im gesamten Kreisgebiet – vor Harrislee, Kropp, Tarp, Satrup oder Kappeln.

Zu diesen beeindruckenden Handewitter Zahlen trägt auch das zwischen den Ortsteilen Weding und Jarplund liegende „Heideland“ mit seinen vielen Firmensitzen sein Scherflein bei. Es hat noch ältere Wurzeln als das WEG-Gebiet, das im Januar 1993 im Handewitter Gasthof erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Flensburg und Handewitt konnten auf eine ungeheure Entwicklungsreserve von 100 Hektar zurückgreifen. Die Medien sprachen vom „Gewerbegebiet mit Modellcharakter“ oder „Abschied des Kirchturmdenkens“.

Die bauliche Entwicklung der letzten 30 Jahre

Am 26. September 1994 rollten erstmals die Baumaschinen an – für die Erschließung einer Straße, die den schlichten Namen „Gewerbepark“ trug. Flensburgs Oberbürgermeister Olaf Cord Dielewicz und Handewitts Bürgermeister Horst Andresen waren die Hauptakteure beim ersten Spatenstich. Zwei Jahre später startete die längst erloschene Firma „Möbelbau Handewitt“ als erster Betrieb im WEG-Gebiet. Es folgten weitere Firmen, doch die Steuereinnahmen und Erlöse aus Grundstücksverkäufen blieben zunächst weit hinter den Kosten für die Erschließung zurück. Als Flensburg mehrfach größere Ansiedlungswünsche zum Schutz der Innenstadt abblockte, wuchs die Ungeduld in der Umlandgemeinde. In Handewitt hatte man zunehmend das Gefühl, dass die WEG nur als „strategische Reserve für den Fall x, für den ganz großen Überflieger“ dienen würde.

Dieser „Überflieger“ ging schließlich 2003 ins Netz. Das Projekt „Scandinavian Stop Over“ umfasste einen Autohof mit Grenzhandel, Hotel und Fast-Food-Restaurant sowie weiteres Gewerbe, darunter ein Hotel. Am 30. März 2006 öffnete der „Scandinavian Park“ mit seiner Mall und seinen 30.000 verschiedenen Artikeln erstmals seine Türen. Inhaber Hans-Werner Petersen versprach: „Der Autohof soll für all diejenigen, die erstmals in Deutschland Rast machen, eine Art Visitenkarte sein.“ Er war auch eine Visitenkarte für das WEG-Gebiet, das endgültig aus den Kinderschuhen schlüpfte. Es folgte Neueröffnung um Neueröffnung, und ein Bebauungsplan dem nächsten. Die Lage ist wegen der Nähe zur Autobahn und zur Grenze attraktiv. Die dänische Fischfabrik „Vega Salmon“ etwa ließ sich in Handewitt wegen der im Vergleich zu Dänemark niedrigen Lohnkosten nieder und bedient weiterhin den heimischen Markt.

Die nächsten Projekte

Jetzt ist es die FFG, die die WEG Flensburg-Handewitt weiter beflügelt. Der Traditionsbetrieb, der seit 1872 am Flensburger Hafen ansässig ist, plant sich mit einer Perspektive von rund zehn Jahren vom bisherigen Stammsitz zu verabschieden. „Wir haben uns bislang immer in Gebäudestrukturen integriert, nun werden wir erstmals die Gebäude anhand unserer Produktionslinien entwickeln“, teilte der geschäftsführende Gesellschafter Norbert Erichsen mit. Die FFG plant in Handewitt ein Drei-Schichten-System mit bis zu 750 Mitarbeitern. Gewünschter Starttermin: 2027. Eine spannende Frage ist die Verkehrserschließung. Eine Zufahrt soll in die Bundesstraße 199 einmünden – direkt bei der Ampel am „Scandinavian Park“. Mit einer intelligenten Schaltung könnte der Bereich zukünftig nicht mit mehr Verkehr belastet werden als jetzt, sondern sogar harmonisiert werden, glaubt Bürgermeister Thomas Rasmussen. Verkehrszählungen laufen.

Fast ständig tut sich etwas in diesem Gewerbegebiet. Nur wenige Meter westlich der FFG hat auch das Unternehmen „Tecalemit“ („Pumpen-Horn“) nach jahrelanger Suche ein Grundstück gefunden. Es wird sich die mehr als 20.000 Quadratmeter große Fläche mit der Augustin Group teilen, die derzeit am „Skandinavien Bogen“ beheimatet ist und Erweiterungsbedarf hat. Dort kündigt sich bereits eine weitere Filiale der Imbiss-Kette „Subway“ an. Und dann ist da noch die große Freifläche an der B199 zwischen „Mr. Scandi´s Carwash“ und der Ellunder Straße. Sie ist bereits seit Anfang 2022 an das Braunschweiger Unternehmen „Küche Aktuell“ verkauft. Es soll eine neue Filiale mit einem 5000 Quadratmeter großen Showroom entstehen. Verschiedene Entwicklungen verzögerten das Vorhaben allerdings. Der neueste Stand: Im Sommer 2026 soll der Baubeginn erfolgen, wenn die Standorte in Kiel und Buchholz fertiggestellt sind.

Text und Fotos: Jan Kirschner

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