Von der einstigen Vielfalt in Sachen Bundeswehrliegenschaften im Stadtbild Flensburgs ist nach der Truppenreduzierung in den vergangenen rund 30 Jahren nicht mehr viel übrig geblieben. Auf dem Ostufer im Stadtteil Mürwik gibt es jedoch nach wie vor einige Kasernenanlagen, die sich „tapfer gehalten“ haben. Eine dieser Liegenschaften, die an einer belebten Straße, der Mürwiker Straße, liegt, gibt seit einigen Monaten ein nach außen hin neues Erscheinungsbild ab: Die Schule für Strategische Aufklärung! Diese Liegenschaft heißt auch heute noch so, jedoch befindet sich dort seit dem 1. April 2024 eine Dienststelle mit einem völlig anderen Namen: eine Außenstelle des Ausbildungszentrums Cyber- und Informationsraum (AusbZ CIR).
Die wechselvolle Geschichte der Kasernenanlage in der Mürwiker Straße Nr. 203
Die Nachrichtenschule in Flensburg-Mürwik in der Mürwiker Straße 203 entstand in den 1920er Jahren auf dem Gelände des dort bereits befindlichen Stützpunkts Flensburg-Mürwik.
Zunächst wurden Räumlichkeiten der Torpedoschule genutzt, um die Nachrichtenschule einzurichten. Diese übernahm anschließend die Signal-, Fernschreib- und Funkausbildung für die gesamte Reichsmarine. Von 1925 bis 1934 waren beide Schulen unter dem Namen Torpedo- und Nachrichtenschule zusammengelegt.
Als Nachfolger in der Liegenschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der 1955 neu gegründeten Bundeswehr die Marinefernmeldeschule in Flensburg-Mürwik eingerichtet. Am 15. Juli 1956 wurden offiziell die Gebäude der ehemaligen Nachrichtenschule von der Marinefernmeldeschule übernommen. Sie war dem Marinefernmeldekommando/Kommando der Marineführungsdienste bzw. dem Admiral der Marineführungsdienste und ab 1. Oktober 1973 dem Amtschef des Marineamts unmittelbar unterstellt. An der Marinefernmeldeschule fand die Fachausbildung für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften statt. Sie umfasste Bedienung und Wartung von Fernmeldegerät und Ausbildung in Fernmeldeverfahren, Schlüsseldienst sowie Schiffs- und Flugzeugerkennungsdienst. Im September 2002 wurde die Fernmeldeschule geschlossen.
Unmittelbar nach der Schließung der Fernmeldeschule bezog die Schule für Strategische Aufklärung der Bundeswehr das Gelände. Diese kurz „Schule Strat“ genannte Dienststelle hat im Wesentlichen die vielfältigen Aufgaben der Fernmeldeschule bis Anfang 2024 fortgeführt. Ein aufgestellter Bootsmast auf einem der Gebäude erinnert weiterhin an die ehemalige Präsenz der Marine ebendort.
Die Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum
Als konsequente Reaktion auf die Herausforderungen der Digitalisierung unserer Welt hat die Bundeswehr alle spezifischen Aufgaben und Kompetenzen zu diesem Thema in der jüngsten Teilstreitkraft, dem Cyber- und Informationsraum, gebündelt. Vorher waren diese auf verschiedene Bereiche verteilt. Die organisatorische Veränderung ist ein deutliches Signal, welch hohen Stellenwert die digitale Dimension für das militärische Denken und Handeln der Bundeswehr heute einnimmt. Ein wesentlicher Schritt, um die Chancen der Digitalisierung für die Bundeswehr effizienter zu nutzen.
Rund 16.000 Menschen arbeiten in dieser Teilstreitkraft, füllen die eigenständige Dimension Cyber- und Informationsraum mit Leben, gestalten sie ganzheitlich und entwickeln die Fähigkeiten im CIR Cyber- und Informationsraum weiter. Kennzeichnend sind eine innovative Arbeitsumgebung und der Wille, unkonventionelle Wege zu gehen. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, sich überhaupt in dem dynamischen und schnell weiterentwickelnden Umfeld der Digitalisierung behaupten zu können.
Das Wort „Cyber“ und seine Herkunft: Der Begriff „Cyber“ stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet schlicht: Steuerung. Er wurde verwendet, wenn man über die Navigation eines Schiffs sprach. Cyber heute: Wortbildungselement mit der Bedeutung „im Internet befindlich, es betreffend“.
Um auch künftig die vielfältigen Aufgaben im Cyber- und Informationsraum zu bewältigen und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, hat die Bundeswehr ein modernes und belastbares Ausbildungssystem im Zeitraum von 2017 bis 2023 geplant, entwickelt und schließlich im gesamten Land verankert.
Sichtbare Konsequenzen: Im April 2024 hat das Ausbildungszentrum Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr seine Arbeit aufgenommen. Gleichzeitig wurden die Schule Informationstechnik in Pöcking und die Schule für Strategische Aufklärung in Flensburg aufgelöst. Die Neugründung dieser zentralen Bildungseinrichtung der Streitkräfte für Informationstechnik, Elektronische Kampfführung und Militärisches Nachrichtenwesen ist Teil der umfassenden Strukturreform „CIR Cyber- und Informationsraum 2.0“ in der Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum.
Die Kernaufgaben am neu installierten Ausbildungszentrum in Mürwik
Am Ausbildungszentrum CIR Cyber- und Informationsraum wird das IT Informationstechnik-Fach- und Funktionspersonal der gesamten Bundeswehr ausgebildet. Das Zentrum ist die zentrale militärische Ausbildungseinrichtung für die bundeswehrgemeinsame, lehrgangsgebundene, einsatz- und bedarfsorientierte Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich IT Informationstechnik.
Außerdem werden im Ausbildungszentrum CIR Cyber- und Informationsraum auch die Soldatinnen und Soldaten des Militärischen Nachrichtenwesens aus allen Bereichen der Bundeswehr (Heer, Luftwaffe, Marine) ausgebildet. Das reicht vom Nachwuchs für das Kommando Aufklärung und Wirkung über die Soldatinnen und Soldaten der Elektronischen Kampfführung in den Bataillonen bis hin zu internationalen Lehrgängen, an denen Personal aus NATO-Staaten und weiteren Partnerstaaten teilnehmen kann.
Die Welt heute
Unsere Welt ist in Unordnung. Dabei werden Kriege und Konflikte wie in der Ukraine oder im Gaza-Streifen längst nicht mehr allein mit herkömmlichen Waffen geführt. Cyberangriffe und gezielte Desinformationskampagnen erzeugen zunehmende Komplexität und Dynamik von Konflikten. Angriffe in oder aus der Dimension Cyber- und Informationsraum (CIR) können so längst Ausmaß und Wirkung eines bewaffneten Angriffs erreichen. Kollektive Wachsamkeit und gesamtstaatliches Handeln sind somit erforderlich. Die Bundeswehr kann den komplexen Herausforderungen bei der Verteidigung Deutschlands und seiner Verbündeten nur mit innovativen Ansätzen und modernen, digitalen Fähigkeiten begegnen.
Im militärischen Operationsraum CIR hat man die drei Säulen – den Cyberraum, das Elektromagnetische Spektrum und das Informationsumfeld – sinnvoll zusammengeführt. Alle drei Teilbereiche werden als eine Dimension betrachtet und zentral gestaltet. Im Unterschied zu den Dimensionen Land, Luft, Weltraum und See gilt im CIR, dass wir als Nation und Bundeswehr bereits lange vor einer Krise oder einem Konflikt gefordert sind, uns unter Friedensbedingungen in einem permanenten Wettbewerb zu behaupten und zur gesamtstaatlichen Cybersicherheit beizutragen.
Öffentliches Gelöbnis in Flensburg
Am 11. September 2024 fand in der Außenstelle Flensburg des Ausbildungszentrums Cyber- und Informationsraum (CIR) ein besonderes Ereignis statt: Zum ersten Mal wurde in jener Kaserne ein öffentliches Gelöbnis abgehalten. Rund 280 Rekruten verpflichteten sich an diesem Tag, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
„Das Gelöbnis ist ein wesentlicher Bestandteil der soldatischen Tradition in Deutschland“, weiß Kapitänleutnant Mario Koberg, der Presseoffizier des Ausbildungszentrums CIR, zu berichten. „Es ist nicht nur ein feierlicher Akt, sondern auch ein öffentliches Bekenntnis der Rekruten zu den Werten unserer Demokratie und ihrer Bereitschaft, diese zu verteidigen. Für die jungen Männer und Frauen markiert es den Übergang vom Rekruten zum Soldaten und damit einen neuen Lebensabschnitt.“
Ein zuverlässiger Arbeitgeber
Das öffentliche Gelöbnis nahm der Kommandeur des Ausbildungszentrums Cyber- und Informationsraum in Pöcking (Bayern), Brigadegeneral Rainer Simon, zum Anlass, der Außenstelle in Flensburg einen mehrtägigen Besuch abzustatten. Im Rahmen seines Aufenthaltes in Flensburg-Mürwik bekam das Flensburg Journal die Gelegenheit, mit dem General ein Gespräch zu führen.
General Simon begrüßte uns freundlich in seinem hiesigen Dienstzimmer, fasste noch einmal die Beweggründe für die Einrichtung des Ausbildungszentrums Cyber- und Informationsraum zusammen. Insgesamt ist er sehr zufrieden mit dem aktuellen Stand der Dinge, fühlt sich hier in Flensburg im äußersten Norden des Landes durchaus willkommen. „Flensburg hat eine lange Tradition als Bundeswehr-Standort, nicht nur für Kräfte der Marine, sondern auch die der anderen Teilstreitkräfte“, bestätigt Brigadegeneral Simon.
„Aus zahlreichen Gesprächen mit den hier eingesetzten Soldaten und zivilen Mitarbeitern erfahre ich immer wieder, dass man ihnen gegenüber aufgeschlossen ist, sie sich hier in dieser traditionsreichen einstigen Marinestadt sehr wohlfühlen, die Einheimischen sie freundlich begrüßen und dafür loben, dass sie sich für einen Beruf bzw. eine Berufsausbildung im Rahmen der Landesverteidigung entschieden haben“, so General Simon. Er fährt fort: „Man darf auch nicht vergessen, dass wir für die Region ein seriöser und verlässlicher Arbeitgeber waren und weiterhin sein werden. Immerhin über 250 Dienstposten, sowohl auf dem zivilen als auch auf dem militärischen Sektor, sind hier angesiedelt, die Dienstposten-Inhaber wohnen und leben meist in der näheren Umgebung, abgesehen von den hier für die Dauer eines Lehrgangs untergebrachten Soldaten. Vom jahrelangen Dienstpostenabbau der Vergangenheit kann heute längst keine Rede mehr sein, im Gegenteil: Es ist ein gewisser Aufwuchs an Dienstposten für die nähere Zukunft geplant. In der Richtung betreiben wir auch kräftig Eigenwerbung. Die potenziellen Interessenten für eine Laufbahn bei der Bundeswehr – zivil oder militärisch, speziell in der CIR, sollen wissen, dass wir hier in Flensburg-Mürwik eine moderne Kaserne für Ausbildungszwecke zur Verfügung haben, mit zeitgemäßen Unterkünften, ansprechenden Unterrichts- und Schulungsräumen und Lehrmaterial, auch unser Equipment ist technisch auf dem neuesten Stand!
Das Gelöbnis war aus meiner Sicht eine gelungene Zeremonie, die sowohl für die Rekruten, aber auch die hier Beschäftigten, und die zahlreichen Gäste aus der regionalen Politik und der zivilen Gesellschaft deutlich gezeigt hat: Die Bundeswehr ist in Flensburg fest verankert, hat zudem einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung und den Rückhalt der Politik!“
Ein zufriedener Kommandeur
Mit jenem Bewusstsein ist Brigadegeneral Simon nach erfolgtem Besuch in seine neue Heimat nach Pöcking zurückgereist – mit dem guten Gefühl und dem Wissen, dass er und seine Leute hier in Flensburg stets willkommen sein werden.
Das Flensburg Journal bedankt sich bei Brigadegeneral Simon und dem Presseoffizier Kapitänleutnant Koberg für ein interessantes und zielführendes Gespräch!
Das Gespräch führte Peter Feuerschütz.
Fotos: Bundeswehr