„Du hast ein Anliegen? Melde dich bei mir!“ Dank eines Konterfeis im Fenster grüßt Kianusch Stender pausenlos. Er ist der Kreisvorsitzende der SPD und seit Anfang April auch Mitglied im Landtag von Schleswig-Holstein. Die SPD-Geschäftsstelle am Hafermarkt wurde um das Wahlkreisbüro erweitert, in dem nun drei Mitarbeiter beschäftigt sind. Kianusch Stender möchte vor Ort viel Präsenz zeigen. „Ich bleibe hier, ich bin schließlich Abgeordneter für Flensburg und möchte mit den Leuten sprechen“, betont der 30-Jährige.

Geboren wurde er in Husum. In Dithmarschen, in der kleinen Gemeinde Tensbüttel-Röst wuchs er auf. „Da gab es mehr Kühe als Einwohner und direkt gegenüber von meinem Zuhause einen Fußballplatz – das war eine schöne Kindheit“, erzählt Kianusch Stender. Neben der Mutter, den beiden Geschwistern und der Schule – zunächst die Grundschule in Albersdorf, dann das Gymnasium in Heide – bildete der örtliche Sportverein den Orbit des Jungen. Der SV Tensbüttel-Röst hatte eine komplette Fußballabteilung – von den Kleinsten bis zu den Männern. „Und als einmal die A-Jugend um den Aufstieg spielte, kam das gesamte Dorf zur Unterstützung“, berichtet Kianusch Stender von einer besonderen Dorfgemeinschaft.

Kianusch Stender: Der neue Flensburger Landtagsabgeordnete

Über den Fußball nach Flensburg

Frühzeitig machte er einen Trainer-Schein, der letztendlich verantwortlich für den Weg nach Flensburg war. Der junge Mann hatte sich entschieden, nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr einzulegen. Der TSB Flensburg bot eine entsprechende Stelle an. Dort betreute er zwei Mädchen-Teams, eine Jungen-Mannschaft und eine Kindergruppe. Vorher, bis zum Nachmittag, beteiligte er sich an der Comenius-Schule am Angebot für die Offene Ganztagsschule: vor allem mit Ballsport. Beim TSB kickte Kianusch Stender in der zweiten Mannschaft, später in der „Dritten“. Diese wurde aber im letzten Sommer aufgelöst. Der junge Politiker lächelt: Er kann nun wieder aktiv Fußball spielen – beim FC Landtag. Diese Kieler Abgeordneten-Auswahl bestreitet im Sommer ein „Pflichtspiel“ im Rahmen des Minderheiten-Turniers „Europeada“.

Kianusch Stender ist in Flensburg hängen geblieben, obwohl er sich zunächst umstellen musste. „Ich komme ja von einem ganz kleinen Dorf“, verrät er. „Da war es schon das Größte der Welt, nicht eine Stunde im Auto zu sitzen, um eine Hose zu kaufen – ich musste jetzt nur noch in die Fußgängerzone gehen.“ Dieses echte Stadtleben paarte sich mit schnellen Abstechern ins nahe Dänemark und einem direkten Zugang zum Meer. 2015 begann der Neubürger einen Doppel-Studiengang: An der Universität Flensburg studierte er „International Management“, in Sonderborg „Business, Language and Culture“. Zwei Tage die Woche pendelte er nach Alsen, sonst blieb er südlich der Grenze. 2020 steckte der Master-Abschluss in der Tasche – inmitten in der Corona-Pandemie. Die geplante Feier musste abgesagt werden.

Kianusch Stender: Der neue Flensburger Landtagsabgeordnete

Vom Trainee zum Pressesprecher

Nahtlos klappte der Übergang ins Berufsleben. Kianusch Stender fing bei einem Klebematerial-Hersteller in Norderstedt an, sattelte dann schnell auf ein Trainee-Programm der Landeshauptstadt Kiel um. Bei über 500 Bewerbern zu den 25 Auserwählten zu gehören – das machte ihn durchaus stolz. Praktisch war es, dass viel Home-Office möglich war. So konnte der junge Mann in Flensburg wohnen bleiben. Nach zwölf Monaten wechselte er in Kiel ins Wirtschaftsreferat und wurde dann stellvertretender Leiter für Strategie und Kommunikation. Schließlich bot sich im März 2023 die Chance, bei der SPD-Landtagsfraktion als stellvertretender Pressesprecher anzuheuern.

Die Politik war nun Beruf und nicht mehr ein Ehrenamt. 2014 war Kianusch Stender in die SPD eingetreten. Damals hatte er bei der Benefiz-Aktion „Mädchen kicken cooler“ ein Team betreut. Auch der Landtag stellte zusammen mit der Flensburger Ratsversammlung eine Mannschaft. Simone Lange, damals die Flensburger SPD-Landtagsabgeordnete, war dabei. Sie kam mit dem jungen Mann ins Gespräch und warb ihn an. „Ich war da schon politisiert“, erklärt Kianusch Stender. „Mit den Werten der SPD konnte ich mich am besten identifizieren.“

Erste politische Ämter

Zwei Entwicklungen vergrößerten sein Engagement. Zur Landtagswahl 2017 trat Heiner Dunckel als SPD-Kandidat an. „Er war ja einer unserer Universitätsprofessoren“, erzählt Kianusch Stender. „Da bin ich nach der Vorlesung hin und unterstützte ihn dann im Wahlkampf.“ Auch im Ortsverein und bei den „Jusos“ tauchte er nun auf. Anfang 2020 regte ihn sehr auf, dass sich in Thüringen ein CDU-Politiker mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Das wollte Kianusch Stender nicht nur verurteilen. 2021 wurde er für zwei Jahre zum Vorsitzenden der „Jusos“ auf Landesebene gewählt. In dieser Funktion arbeitete der Flensburger am Wahlprogramm für die Landtagswahl 2022 mit und landete auf dem zunächst nicht ausreichenden Listenplatz 13. Im Anschluss übernahm Kianusch Stender neue Ämter: Beisitzer im Landesvorstand der Mutterpartei und SPD-Kreisvorsitzender von Flensburg.

Bei der Landtagswahl 2022 hatte er es mit einer Direkt-Kandidatur versucht, stand aber mit dem ungünstigen Landestrend im Gegenwind. Das Rennen machte Uta Wentzel von der CDU. Sie vertritt seither Flensburg im Landtag. Ebenso Christian Dirschauer (SSW) und Catharina Nies (Grüne), die über die Liste einzogen. Kianusch Stender befand sich hingegen zunächst in einer Beobachterrolle. Anfang April war Listenplatz 13 doch noch Gold wert. Der einstige SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller schied aus, der Flensburger Genosse rückte nach.

Kianusch Stender: Der neue Flensburger Landtagsabgeordnete

Ziele im Kieler Landtag

Einen großen Umzug musste Kianusch Stender nicht managen. Als stellvertretender Pressesprecher der Fraktion hatte er schon ein Büro im Landtag, das neue liegt nur vier Meter entfernt – auf der anderen Seite des Flures. Auf dem Schild steht nun „MdL“. Die erste Sitzungswoche steht für den Novizen erst Ende Mai an. Im Landtag ist er nun Mitglied im Wirtschaftsausschuss sowie Sprecher der SPD-Fraktion für Wirtschaft, Digitales und Sport. Für diese Bereiche leiten sich aus der Vita etliche Berührungspunkte ab. Das „digitale“ Metier erhielt er vielleicht auch, weil er mit seinen 30 Jahren das jüngste Mitglied der Fraktion ist. Gerade die Künstliche Intelligenz gilt als wegweisendes Aufgabengebiet. „In der Sozialpolitik etwa baut man auf vorhandenen Gesetzen auf, bei der KI müssen die gesetzlichen Grundlagen erst geschaffen werden“, verdeutlicht Kianusch Stender.

Trotz der bestehenden Konkurrenzsituation ist er einem Austausch mit den drei anderen Flensburger Abgeordneten nicht abgeneigt. „Ich stelle mir schon vor, dass wir uns zusammensetzen und über Parteigrenzen hinweg nach Lösungen für unsere Stadt suchen“, betont er. Der Sozialdemokrat sieht aktuell drei Felder, bei denen er auf Signale aus Kiel wartet. Das eine betrifft das Projekt „Hafen-Ost“. „Es gibt einen konkreten Beschluss vom Stadtrat, am bestehenden Standort die Betriebspflicht aufheben zu lassen“, betont Kianusch Stender. „Doch die Landesregierung verzögert alles, obwohl sie nur eine Unterschrift setzen muss.“

Eine andere große Baustelle ist die abgebrochene Kaikante am Westufer. Die Wiederherstellung könnte fünf Jahre brauchen und wird definitiv eine Millionen-Summe fressen. „Vom Land gibt es derzeit keine Anzeichen, dass dieser Tourismus-Nabel eine Unterstützung erhält“, wundert sich der SPD-Landtags­abgeordnete. Und für den bundesweit ab 2026 gesetzlich garantierten Platz für alle Grundschulkinder vermisse er noch den nötigen Rahmen seitens des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums. Die Akteure in den Flensburger Schulen, so Kianusch Stender, stünden ungeduldig in den Startlöchern. Mit diesem und anderen Themen wird er sich nun in Kiel als Abgeordneter beschäftigen.

Text: Jan Kirschner
Fotos: Jan Kirschner, Benjamin Nolte, privat

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