Im kommenden Jahr treten neue Gesetze in Kraft, die insbesondere für das Kaufrecht erhebliche Veränderungen mit sich bringen. In Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie und der europäischen Richtlinie über digitale Inhalte hat der Bundesgesetzgeber eine ganze Reihe wichtiger Änderungen in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen, um für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, gerade auch im Bereich von Produkten mit digitalen Inhalten und Funktionen. Einige wichtige Neuerungen im Überblick:
1.
Eine der größten Neuerungen dürfte die erstmalige Einführung eines Vertrages über „digitale Produkte“ in den neu eingeführten §§ 327 ff. BGB sein. Gemeint sind Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen. Dies umfasst alle Formen digital erstellter und bereitgestellter Programme und Daten, beispielsweise Computerprogramme, Apps für das Smartphone, Video- und Audiodateien, digitale Spiele, Social-Media-Dienste wie Facebook, Tiktok, Instagram, sowie Messenger-Dienste wie Whats-App und Telegram. Auch E-Books oder Verkaufs-, Buchungs- Vergleichs-, Vermittlungs- und Bewertungsplattformen fallen in den Anwendungsbereich dieser neu eingeführten Regelungen.
Ein Vertrag über „digitale Produkte“ setzt allerdings voraus, dass die Bereitstellung gegen Zahlung eines Preises erfolgt, wobei – und das ist ebenfalls neu – als Zahlmittel jetzt auch Kryptowährungen wie Bitcoin, aber auch die Überlassung personenbezogener Daten zulässig sind. Letzteres dürfte vor allem bei sozialen Netzwerken relevant sein.
Gemäß dem neu eingeführten § 327f BGB schuldet der Unternehmer während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind. Er muss diese bereitstellen und sicherstellen, dass der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. Zu den erforderlichen Aktualisierungen gehören auch Sicherheitsupdates.
Die neuen Regelungen über Verträge über „digitale Produkte“ enthalten schließlich auch ein besonderes Gewährleistungsrecht, welches gegenüber den Gewährleistungsregeln aus dem Kauf- oder Mietrecht vorrangig anzuwenden ist.
2.
In diesem Zusammenhang steht dann auch gleich die nächste große Neuerung der Schuldrechtsreform. Diese betrifft die Ausgestaltung des Sachmangelbegriffs bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern, egal ob es sich dabei um eine bewegliche Sache, ein digitales Produkt oder eine Ware mit digitalem Inhalt handelt.
War nach der bisherigen Rechtslage eine bewegliche Sache frei von Sachmängeln, wenn sie der vereinbarten Beschaffenheit entsprach oder, sofern keine Beschaffenheit vereinbart wurde, sie in objektiver Hinsicht den an das Produkt zu stellenden Anforderungen genügte, so ist eine bewegliche Sache, ein digitales Produkt oder eine Ware mit digitalem Inhalt zukünftig nur noch dann frei von Sachmängeln, wenn sie den subjektiven Anforderungen und den objektiven Anforderungen an das Produkt entspricht und darüber hinaus den Montageanforderungen entspricht.
Anders als nach derzeitigem Recht kann das Produkt daher also auch dann mangelhaft sein, wenn es zwar der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, es sich aber nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. Will der Verkäufer eine geringere Qualität als die nach objektiven Maßstäben geschuldete mit seinem Kunden vereinbaren, sollte dies ausdrücklich gesondert geregelt werden.
3.
Weitreichende Konsequenzen wird auch die Neuregelung in § 475e BGB zur Ablaufhemmung der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen haben. Für ab dem 01.01.2022 geschlossene Verträge tritt die Verjährung für einen Mangel, der sich innerhalb der Gewährleistungszeit zeigt, nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Zeigt sich ein Mangel erst am Ende der Gewährleistungszeit, verlängert sich die Gewährleistungszeit – anders als bisher – um weitere zwei Monate.
4.
In den Kontext der Gewährleistungsansprüche gehört auch die Verlängerung der Beweislastumkehr von bislang 6 Monaten auf ein Jahr. Künftig muss der Verbraucher also erst nach Ablauf von einem Jahr darlegen und beweisen, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag.
Neben den vorstehend aufgeführten Änderungen werden am 01.01.2022 noch eine ganze Reihe weiterer Neuerungen zum Kaufvertragsrecht in Kraft treten, an die Hersteller, Händler und Verkäufer ihre Produkte, Vertragsmuster und AGB rechtzeitig anpassen sollten.
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