In Padborg garniert der dänische Zollbeamte das Durchwinken mit einem freundlichen Gruß, auf der Rückfahrt über die Autobahn gibt es keine Kontrolle. Der Ausflug verläuft ohne Probleme. Die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland ist aber nicht immer so „nett“, trennt sie doch zwei Staatssysteme mit zum Teil völlig unterschiedlichen Gesetzen. Deshalb gibt es in Pattburg, unweit der E45, auch ein Kontor mit angeschlossenem Infocenter für die Euroregion Sønderjylland-Schleswig. Das Motto lautet: „Wir helfen, Grenzen zu überwinden.“
Dass dieses lobenswerte Ansinnen nicht immer ganz einfach ist, suggeriert schon ein Blick auf die Karte. Zur Euroregion zählen tatsächlich nur die vier großflächigen, dänischen Gemeinden Tønder, Aabenraa, Sønderborg und Haderslev. Gleichzeitig müssten für ein Meeting eigentlich über 300 Bürgermeister einberufen werden. Das ist natürlich nicht möglich, sodass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine administrative Schiene höherrutscht und die Kreise Schleswig-Flensburg und Nordfriesland sowie die Stadt Flensburg beschäftigt.
Dieses organisatorische Ungleichgewicht paart sich mit vielen scheinbaren Kleinigkeiten des Alltags, das in seiner Summe immer wieder neue Herausforderungen schafft. Mögen es nur die Sommerferien sein, die beiderseits der Grenze zu völlig verschiedenen Zeiten terminiert sind. Aber das hat Einfluss auf Tourismus, Verkehrsströme und das Einkaufsverhalten. Und dann kann man sich vorstellen, dass bei Steuer- und Versicherungsfragen für pendelnde Arbeitnehmer so manch dickes Brett gebohrt werden muss.
Die schwere Geburt der hiesigen Euroregion
Um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu stärken, entstanden bereits vor über 50 Jahren die ersten Euroregionen mit Gebieten zweier oder dreier Nationen. An der deutsch-dänischen Grenze dauerte es etwas länger. Erst am 16. September 1997 wurde in Aabenraa die Region Sønderjylland-Schleswig gegründet. Zu einer Zeit, als bereits rege über das Schengener Abkommen und den Wegfall der Grenzkontrollen diskutiert wurde, wurde eine formelle Zusammenarbeit auf dänischer Seite teilweise strikt abgelehnt. Deutsche dürften das Leben in Dänemark nicht beeinflussen, meinten Gegner. Einige verschickten sogar Drohbriefe und verursachten Sachbeschädigungen.
Der Kooperation haben die einst wüsten Proteste nicht geschadet. Heute wird die Region Sønderjylland-Schleswig von einem elfköpfigen Vorstand gelenkt. Als Vorsitzender fungiert derzeit der Däne Jens Wistoft aus Vejle. Die zwei Jahre zuvor hatte Kreispräsident Walter Behrens aus Handewitt das Amt inne. Es handelt sich um ein ehrenamtliches Gremium, das hauptamtliche Unterstützung benötigt. Zunächst gab es ein kleines Sekretariat in Bov – zwischen Kirche und Krug. 2004 erfolgte dann der Umzug nach Padborg in das Gebäude eines größeren Dienstleistungsunternehmens. Die Geburtsstunde für das Regionskontor mit dem angeschlossenen Infocenter.
Die Struktur des Regionskontor
Peter Hansen stieg damals ein und nach wenigen Jahren auf zum Leiter. Er ist einer von 14 Mitarbeitenden und selbst ein Kind der Grenzregion. Der 55-Jährige lebt in Glücksburg, machte einst in Flensburg sein Abitur und landete während seines Bundeswehr-Dienstes im NATO-Hauptquartier Karup. Dort verfestigten sich seine Dänisch-Kenntnisse. Zweisprachig sind auch die Kolleginnen und Kollegen unterwegs. Dänische und deutsche Staatsbürgerschaften sind bunt gemischt, die Wohnsitze befinden sich nördlich und südlich der Grenze. Alle kennen den Grundkanon der Grenze, einige verfügen aber auch über sehr tiefe Einblicke in den Arbeitsmarkt, beackern mit Vorliebe kulturelle Felder oder bewegen sich in anderen Spezialgebieten.
Hilfe für Grenzpendler
Schon vor 20 Jahren erkannte man: Grenzpendler haben einen schwierigen Stand. Arbeitsvertrag, Krankenversicherung, Pflegeversicherung oder Renten-System verursachten häufig eine Behörden-Odyssee. Am neuen Sitz in Padborg startete das Regionskontor im August 2004 mit speziellen Beratungen. Man hatte sich auf 1000 in drei Jahren eingestellt, aber schon am ersten Tag standen die Menschen Schlange. Schließlich waren 8400 Gespräche registriert, der Service wurde zum Dauerbrenner. Inzwischen erreichen die Informationen hauptsächlich via Internet und Videos die Adressaten. „Einzelberatungen sind selten geworden“, weiß Peter Hansen. Heute läuft das meiste per Mail und Telefon oder über Informationsveranstaltungen bei Verbänden und Wirtschaftsbetrieben. Der Bedarf ist weiterhin vorhanden: Derzeit sind 1500 Pendler regelmäßig über die Grenze unterwegs. Zu 95 Prozent leben sie in Deutschland und arbeiten in Dänemark.
Das Regionskontor ist hauptsächlich mit den Sonderfällen und den Änderungen beschäftigt. „Wenn Anfragen kommen“, erklärt Peter Hansen, „filtern wir zunächst: Besteht nur ein Informationsdefizit oder ein echtes Problem?“ Das verbreitete Home-Office hat einige Berufsfelder modifiziert. Neuen Input dürfte auch eine deutsch-dänische Arbeitsgruppe abwerfen, die sich mit Mobilitätsbarrieren beschäftigt hat und als Gremium weiter bestehen soll. Entwicklungen im Sozialrecht standen auf der Agenda, ebenso Hindernisse in der Forschungsarbeit oder Abstimmungen im Grenzhandel. Als die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Sommer Flensburg besuchte, tauschte sie sich in der dänischen Zentralbibliothek auch mit dieser Arbeitsgruppe aus.
Kurze Drähte in die Hauptstädte
Das Regionskontor muss nicht nur auf zwei Arbeitsmärkten bewandert sein, sondern auch einen kurzen Draht nach Kopenhagen und Berlin in die Fachministerien pflegen. Da Peter Hansen zugleich als Koordinator einer deutschen Euroregionen-Arbeitsgruppe fungiert, kennt er weitere Wege, sich Verhör zu verschaffen. Manchmal sind die Erkenntnisse dennoch ernüchternd. „Deutschland hat Grenzen zu neun anderen europäischen Staaten, unsere gehört nicht zu den acht wichtigsten“, sagt das Nordlicht mit einer Prise Sarkasmus.
Seit 2018 registriert man im Info-Center ein zunehmendes Interesse an einer Auswanderung – gerade von Deutschland ins dänische Königreich. Die Pioniere hatten noch keine konkreten Vorstellungen. „Ich könnte mir vorstellen, in Dänemark zu leben“, hieß es. Inzwischen werde aber wesentlich gezielter gefragt, berichtet Peter Hansen. Zunächst erwies sich die Möglichkeit des Home-Schoolings in Dänemark als Pull-Faktor, dann wollten viele der vermeintlich strengeren, deutschen Corona-Politik entfliehen. Inzwischen hat die Wanderungsbewegung ein solches Volumen erreicht, dass Folgen für den Immobilienmarkt und das Leben in einigen dänischen Dörfern zu spüren sind. Deutsche Schulen sind vollbesetzt – und das Regionskontor hat neue Fragestellungen auf dem Tisch: Wie läuft es mit der deutschen Rente in Dänemark? Oder wie funktioniert ein Erbe, wenn ein älteres Ehepaar ein Haus in Dänemark kauft, die Familie aber in Deutschland lebt?
Das Standing der Kultur
Ein großes Aufgabenspektrum des Regionskontors umfasst die Kultur. Gerade wurde eine Broschüre mit Tipps für das Erlernen der jeweils anderen Sprache veröffentlicht. Ein sogenannter Bürger-Projekte-Fonds, der mit einem jährlichen Volumen von gut 500.000 Euro bis 2029 aufgelegt wurde, unterstützt Klassenfahrten, Jugendaustausch oder Sportbegegnungen mit Akteuren auf beiden Seiten der Grenze – und das auf möglichst unbürokratische Weise. Peter Hansen nennt ein Beispiel: „Ein Lehrer mit einer elften Klasse aus Flensburg möchte ein Gymnasium in Haderslev und danach ein Museum besuchen. Dann sollte er sich drei Wochen vorher melden, einen einfachen Antrag bei uns stellen und das Treffen später mit einem Foto belegen.“
Überdies existiert seit 2013 eine deutsch-dänische Kulturvereinbarung, die ab 2025 in ihre vierte Generation gehen soll. Höchstwahrscheinlich mit veränderten Vorzeichen, da zu hören ist, dass die dänische Seite ein paar neue Akzente setzen möchte. Überhaupt ist das Standing von Kultur und Sport in Dänemark ein anderes. Beide Bereiche gehören zu den Pflichtaufgaben der Politik, in Deutschland diktiert die Freiwilligkeit den Diskurs. Experten glauben, dass sich auf der deutschen Seite die Standards verbessern könnten, wenn sich die südlichen Partner an den nördlichen Nachbarn orientieren.
Unterschiede der Digitalisierung, neue Aufgaben des Alltags
Mit rund einer Million Euro – brüderlich geteilt – wird das Regionskontor jährlich finanziert. Organisatorisch und technisch ist es an die Kommune Abenraa angebunden, was eine hundertprozentige Digitalisierung mit sich bringt. Die deutsche Amtsstube ist da etwas konservativer, wie Peter Hansen anschaulich beschreibt: „Es soll in Dänemark drei Fax-Geräte geben. Eines hat die deutsche Minderheit, ein zweites steht im technischen Museum, und das dritte haben wir.“ Es ist in ein Mail- und Telefon-System integriert und ruft nur deutsche Behörden-Nummern an.
In unruhigen Zeiten verschafft die Tagespolitik kontinuierlich Arbeit für das Regionskontor. Da möchte der Vorstand auf den dänischen Wildschweinzaun eine Reaktion. Oder er wünscht sich, dass die zunehmenden Grenzkontrollen auf beiden Seiten auch grüne Ampeln kennen, um die Grenzpendler möglichst selten in den Stau zu zwingen. „Die Dynamik ist groß, und für uns wird es nicht ruhig“, weiß Peter Hansen. Und so ganz nebenbei wird derzeit ein deutsch-dänisches Katastrophenschutz-Hilfsabkommen erneuert. Es stammt von 1985 und braucht ein paar neue Inhalte.
Wichtige Fragen gibt es genug. Manchmal ist es aber eher die Bagatelle, die den Medien-Hype auslöst. Vor einigen Monaten ploppte hoch, dass dänische Parkscheiben in Flensburg nicht anerkannt werden, während in Autos mit deutschen Nummernschildern auch in Dänemark eine deutsche Version gelegt werden darf. Noch immer trudeln Presseanfragen im Regionskontor ein. „Dabei ist dieses Problem doch mit zwei Stücken Papier ganz einfach zu lösen“, grinst Peter Hansen und zeigt auf eine beidseitige Hybrid-Parkscheibe. Er schüttelt mit dem Kopf: „Es gibt doch ganz andere Themen, mit denen wir die Grenze möglichst wenig spürbar machen wollen.“ Das Motto: „Wir helfen, Grenzen zu überwinden.“
Text und Fotos: Jan Kirschner