Schwarz oder grün? Das ist jeden zweiten Mittwoch im Monat die erste wichtige Frage in einem Reihenhaus in Flensburgs Norden. Es geht nicht um eine Lieblingsfarbe oder gar eine politische Neigung, sondern um die Wahl des Tees. Zwei Kannen stehen immer auf dem Tisch. Wenn die Tassen gefüllt sind, dann sind für die nächsten zwei Stunden interessante Kurzgeschichten das einzige Thema, das zählt. Es wird gelesen, interpretiert und gelobt. Dieser besondere Flensburger Autorenkreis, der sich Teerunde nennt, befindet sich in seinem Element.

Es ist inzwischen zehn Jahre her, dass Gastgeber Ulrich Borchers diese Gruppe ins Leben gerufen hat. Der Hobby-Autor sprach die initiierende Einladung an mehrere Gleichgesinnte aus und lud sie zu sich nach Hause ein. „Anfangs wollten wir nur über Literatur sprechen“, erzählt Ulrich Borchers. „Wir stellten aber schnell fest, dass uns das Schreiben am wichtigsten ist.“ Die Teerunde fand ihren Untersatz, und seitdem sind etliche Kurzgeschichten entstanden.

Die Teilnehmer der Teerunde

Das Konzept hat eine große persönliche Konstanz. Bis auf einen Wegzug nach Dänemark hat die Gruppe ihr Gesicht nicht verändert. Ulrich Borchers freut sich regelmäßig über sechs Gäste, die das Schreiben als ihr liebstes Hobby entdeckt haben. Im Fall von Britta Bendixen geht die Leidenschaft schon längst über den einer ambitionierten Amateurin hinaus. In ihren Krimis hat sie schon so viele Morde „begangen“, dass man meinen könnte, dass die erzeugte Spannung vor einer Verhaftung schützt. Aber auch Lilian Grzesiak, Angela Dumrath, Angelika O’Brien, Ute Köppen und Jürgen Hargens können schon viele Bücher, Essays oder Kurzgeschichten vorweisen.

Die letzte Gattung dominiert die monatliche Tee­runde. Ulrich Borchers ist meist derjenige, der dazu berufen ist, eine Aufgabe zu stellen. Für das nächste Mal sollen Drachenblut, Regenbogen, Schlüpfer und vier weitere zufällig genannte Begriffe in eine Kurzgeschichte einfließen. Ute Köppen schmunzelt: „Das werden sieben gute Geschichten.“ Das „schlimmste“ Thema – da ist man sich in der Runde einig – war: „Alter braucht Talent“. Offenbar ging es da vielen nicht so locker von der Hand. Es kommt auch mal vor, dass jemand gar nichts zu Papier bringt. „Das ist dann so“, sagt Jürgen Hargens und grinst: „Bei uns muss man nichts, aber man darf alles.“ Kurzum: Die wildesten Konstellationen und Situationen sind die ungezwungene Norm dieser unterhaltsamen Teerunde.

Zwei Lesungen im Frühling

Die Teerunde zieht sich nach einer vollen Dekade keineswegs in den Ruhestand zurück. „Wir legen jetzt erst so richtig los“, schmunzelt Britta Bendixen. Zum ersten Mal überhaupt veranstaltet die Autoren-Gruppe zwei Lesungen binnen eines Monats. Ulrich Borchers greift in seine Mappe und zieht einen Plakatentwurf hervor. „Den wollten wir eigentlich noch drucken“, erzählt er. „Aber nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda sind wir bereits ausverkauft.“

Mitte Mai erlebt die Walzenmühle eine literarische Stadtführung. Die Zeichnerinnen der „Sketch Poets“ verwandelten bekannte Flensburger Orte in skizzenhafte Bilder, die wiederum die Mitglieder der Teerunde als Ausgangspunkt für eine Kurzgeschichte verwenden. Es geht gedanklich von der Westlichen Höhe über das Kapitänsviertel in die Norderstraße. Herz, Hirn und Humor – das Publikum erwartet eine bunte Mischung aus ernstem oder witzigem Lesestoff. Die Teerunde ist sich einig: „Wir wollen niemandem zum Gähnen bringen, Kultur soll unterhalten.“

Als bewährte musikalische Begleitung der Teerunde gibt „Straßenmusikantin“ Inge Lorenzen ihre Kostproben dem literarischen Füllhorn bei. Fred Kambeck agiert als „Stadtführer“ und Moderator. Bei Veranstaltungen übernimmt er die technische Feinabstimmung. Am 13. Juni ist er der „Fahrer“ des Überlandbusses, der um 19 Uhr in der „Emil Frey Küstengarage“ (Osterallee) hält und die sieben Autorinnen und Autoren der Teerunde samt ihren Kurzgeschichten ausspuckt. Trotz des Ambientes eines Autohauses wird es garantiert kein Hupkonzert, aber ein Hut wird herumgehen.

Ein „Kultur-Brief“ von der Teerunde

Die Mitglieder der Teerunde erzählen mit Begeisterung von ihrem Hobby – und von ihrem Netzwerk, das als Basis für Freundschaft taugt und den Austausch mit dem Spaß am Schreiben vereint. Fred Kambeck reicht seine Visitenkarte mit seiner Mail-Adresse (kult-tour@frekam.de) über den Tisch. Er verschickt einen „Kultur-Brief“, den man simpel auch als Newsletter bezeichnen könnte. Der Tee ist ausgetrunken. Es war der Schwarze Tee.

Text und Foto: Jan Kirschner

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