All jene, die der ständigen Berichterstattung über Corona entfliehen wollten, konnten zuletzt durchatmen. Der US- Präsidentschaftswahlkampf überlagerte alles. Joe Biden wird wohl im Januar in sein Amt eingeführt. Zwar werden in Corona- Zeiten die Feierlichkeiten deutlich geringer ausfallen als vier Jahre zuvor bei Donald Trump, doch ist Biden am Kapitalmarkt nicht unbeliebt. „Joe Biden als Präsident ist eine große Chance für Europa und auch seine Aktienmärkte. Denn Biden wird Trumps China- Kurs zwar weitestgehend beibehalten, aber dürfte mit Europa den Schulterschluss suchen gegen die chinesischen Expansionsbestrebungen, anstatt auch gegen Europa einen Handelskrieg zu führen“, führt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei der Fondsgesellschaft Acatis, aus.
Der Jubel sollte sich jedoch bei klassischen Zinssparern in Grenzen halten, denn jetzt geht die Suche nach Anlagealternativen erst richtig los. Ein Dreiklang ist dabei entscheidend. Erstens hat die US-Notenbank schon länger betont, dass auf Jahre jegliche Zinsen so gut wie ausgeschlossen sind. Jedenfalls dann, wenn es um traditionelles Sparen geht. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht dies genauso. Zweitens dürfte nach der Corona-Pandemie das Schuldenmachen weitergehen ebenso wie drittens die Inflation, wenn erstmal die enorme Geldmenge Wirkung zeigt, die im Zuge der Corona-Hilfspakete in den Markt gepumpt worden ist, sagt auch Deutschlands Top-Ökonom Hans-Werner Sinn. Schließlich habe sich die Zentralbankgeldmenge seit 2008 verfünffacht. Zu Zeiten des Ersten Weltkriegs war es genauso, die Folgen sind bekannt.
Nach Berechnung von Feingold Research verliert jeder klassische Sparer, der sein Geld bei Volksbank oder Sparkasse parkt, momentan rund 2,5 Prozent seines Vermögens pro Jahr. Rund zwei Drittel ergeben sich aus der Inflation, der Rest verschwindet über sichtbare oder weniger sichtbare Gebühren. Für mich persönlich ist nach wie vor besonders erschreckend wie Anleger, erfahrungsgemäß oft aufgrund fehlender fachlicher Unterstützung durch Bank oder Sparkasse, ihre zum Teil hart erarbeiteten Ersparnisse Monat für Monat dezimieren – trotz lukrativer Alternativen.
Denn nur fünf Prozent der Anleger in Deutschland entscheiden sich im Niedrigzinsumfeld für ertragsstärkere Anlagen, wie das Investmentbarometer von JP Morgan Asset Management zeigt. Obwohl fast 70% der Menschen hierzulande mit der Rendite ihrer Geldanlage unzufrieden sind, zieht nur die absolute Minderheit die dringend erforderliche Konsequenz daraus.
Der neueste Bundesbankbericht schlüsselt auf: Die reale Rendite, die Privathaushalte erzielen, ist seit 2016 negativ – aktuell beträgt sie minus zwei Prozent.
Ob man nun risikofreudig ist oder nicht: An Investmentfonds, Edelmetallen oder alternativ den immer beliebter werdenden nachhaltigen Anlagen führt schon lange kein Weg vorbei. Wichtig für jeden Anleger ist es dabei zu prüfen, ob er sich mit dem Thema, der Branche, der Region und vor allem auch der Anlageform identifizieren kann. So kann es z. B. für ethisch und nachhaltig geprägte Anleger von großer Bedeutung sein zu wissen, dass es durchaus rentable Investments gibt, die in nachhaltige Sachwertanlagen wie Windparks, Wasserkraft, Energiespeicher und Waldwirtschaft investieren um sich dann ein Klimazertifikat erstellen zu lassen, das die Reduzierung des CO2-Ausstoßes ausweist, die durch das Investment letztlich erreicht wird.
In jedem Fall ermöglicht ein breiter Mix im privaten Depot, die Inflation auszugleichen und zusätzlich eine beachtliche Rendite einzufahren. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt: Im Bereich der Investmentfonds haben starke Marken immer funktioniert. Nicht betrachtet auf jeden Zeitpunkt, denn auch gesunde Unternehmen können temporär im Kurs fallen. Selbst Apple und Amazon haben das hinter sich. Doch die langfristige Perspektive stimmt, und angesichts von Nullzinsen wird auch unter einem Präsidenten Joe Biden kein sinnvoller Weg an den genannten Anlagen vorbeiführen. Und auch hierzulande wird es schließlich geldpolitisch egal sein, ob unter EZB-Präsidentin Christine Lagarde ab 2021 Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Armin Laschet oder ein Überraschungskandidat den Kanzler geben wird.
Text: Lars Pommerening
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