Wichtiger Baustein der Trinkwasserversorgung
Fast jeder Flensburger kennt ihn, hat ihn schon einmal gesehen, besucht oder gar bestiegen, den großen, türkisfarbenen Wasserturm am Volkspark. 1961 wurde das Bauwerk in Betrieb genommen und ist bis heute ein elementarer Bestandteil der Wasserversorgung im Flensburger Stadtgebiet. Gemeinsam mit seinem etwas älteren und unscheinbareren Bruder auf der anderen Seite der Stadt, dem alten Wasserturm an der Mühlenstraße, sorgt er zum einen dafür, dass der Wasserdruck im Leitungsnetz konstant bleibt, und dient zum anderen als Zwischenspeicher und Ausfallreserve für die Trinkwasserversorgung.
„Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Zuge der Bevölkerungszunahme besonders auf der Ostseite der Förde viel gebaut“, erklärt Gerold Kraschon, bei den Stadtwerken verantwortlich für die Wassergewinnung und das Wasserlabor, „die Wasserwerke und der sich damals bereits in Betrieb befindliche alte Wasserturm drohten zu überlasten.“ Die Einwohnerzahl Flensburgs stieg ab 1944 rasant auf zeitweise über 100.000 Menschen an. Die Infrastruktur musste sich den wachsenden Bedürfnissen anpassen.
Um den insbesondere auf der Ostseite der Förde zu gering werdenden Wasserdruck auszugleichen, wurde Ende der 1950er Jahre beschlossen, für das Ostufer einen neuen Wasserturm zu errichten. Hinzu kam, dass der Wasserbehälter im alten Wasserturm an der Mühlenstraße über ein zu geringes Fassungsvermögen verfügte, so dass er sich bei einem Ausfall der Pumpen bereits in kurzer Zeit entleeren würde. Handlungsbedarf war also gegeben. Der Turmbau hatte neben der Speicherfunktion den Vorteil, dass auch bei einem Stromausfall für Stunden die Versorgung mit gleichbleibendem Wasserdruck gewährleistet war.
Exakt auf der gleichen Höhe wie der Wasserturm auf der anderen Seite der Förde musste auch das neue Bauwerk errichtet werden. Die Behälterhöhe beider Türme liegt bei etwa 76 m über Normalnull. Ein geeigneter Standort war schnell gefunden, am heutigen Volkspark, es handelte sich um die höchste Erhebung auf der Ostseite der Förde. Als Sieger aus dem Architektenwettbewerb ging der Hamburger Fritz Trautwein hervor. Sein Entwurf sah anders aus, als die bisher üblichen Wassertürme. Ein kleiner kreisrunder Grundriss bildet den Fuß des Wasserturms, ehe er sich nach oben hin trichterförmig ausbreitet. Der eigentliche Wasserbehälter befindet sich im oberen Teil des Turmes und fasst mit seinen zwei Behältern 1500 Kubikmeter Wasser. „Die beiden Behälter, ein innerer und ein äußerer, lassen sich getrennt voneinander befüllen und werden nur zur Inspektion ganz entleert“, berichtet Gerold Kraschon.
Die Flensburger Trinkwasserversorgung ist ein komplexes System, bestehend aus den beiden erwähnten Wassertürmen, einem Hochbehälter (Wasserspeicher), zwei Wasserwerken und 11 Brunnen, aus denen das Tiefengrundwasser gewonnen wird. „Über die Wasserwerke Süd und Ostseebad landet das Trinkwasser im Netz“, erläutert Kraschon, „was von unseren Kunden nicht abgenommen wird, landet in den Wassertürmen und wird dort gespeichert.“ Das Versorgungsnetz der Stadtwerke hat eine Größe von weit über 300 km erreicht. Mit den Wasserwerken und den beiden Hochpunkten (Wassertürme) verfügt Flensburg über eine sehr sichere Trinkwasserversorgung, die auch bei Ausfall eines Wasserwerkes oder einem Stromausfall aufrechterhalten werden kann. Flensburgs Trinkwassernetz ist in zwei Druckzonen aufgeteilt, die der Topografie der Stadt geschuldet sind. Der ältere Teil des Netzes bildet die Tiefzone, rund um den Hafen und den Innenstadtbereich mit dem großen Hochbehälter in der Mühlenstraße, der 3000 Kubikmeter Wasser fassen kann. Die Wassertürme der Hochzone versorgen die höher gelegenen Stadtteile.
Gesteuert wird heutzutage alles über die hochmoderne Leitwarte auf dem Gelände der Flensburger Stadtwerke. Neben der Strom- und Fernwärmeversorgung wird hier auch der Wasserkreislauf gesteuert und reguliert. „Die Leitwarte überwacht die Füllstände der Wassertürme und passt die Produktion in den Wasserwerken dem aktuellen Bedarf an“, so Kraschon, „pro Tag geben wir etwa 14500 Kubikmeter Wasser an unsere Kunden ab, verfügen aber über erhebliche Reserven.“
Um eine konstant hohe Qualität des Flensburger Trinkwassers zu gewährleisten, sind das Betriebslabor der Stadtwerke und autorisierte Fremdlabore das ganze Jahr über im Einsatz. „Hier werden jährlich mehr als 1000 Wasserproben aus Brunnen, Aufbereitungs- und Verteilungsnetzen gewonnen und untersucht“, berichtet Kraschon, „dort prüfen wir unter anderem die Einhaltung strenger Grenzwerte zu den höchstzulässigen Konzentrationen von im Trinkwasser enthaltenen Stoffen.“
Der Pro-Kopf-Verbrauch von Trinkwasser ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter gesunken. Moderne Maschinen und der Wegfall von Industrie mit hohem Wasserbedarf sind dafür verantwortlich. „1980 waren es noch rund 7 Millionen Kubikmeter Wasser, die in Flensburg verbraucht wurden“, berichtet Peer Holdensen, Pressesprecher der Stadtwerke, „aktuell werden 5 bis 5,5 Millionen Kubikmeter verbraucht.“ Ein Deutscher benötigte 2019 rund 125 l Trinkwasser pro Tag, etwa 25 Liter weniger als noch vor 20 Jahren. Der eigentliche Wasserbedarf ist jedoch um ein Vielfaches höher. Man spricht dort von „virtuellem Wasser“, wenn wir das Wasser mit einberechnen, das für die Produktion von Kleidung, Technologieprodukten, Lebensmitteln etc. benötigt wird, dann liegen wir bei etwa 5000 l Wasser pro Person und Tag. Um beispielsweise 1 kg Röstkaffee herzustellen, werden fast 20.000 Liter Wasser benötigt, fast 140 Liter Wasser pro Tasse fertigem Kaffee.
Von der eigentlichen Technik im Flensburger Wasserturm kann man von außen, wie auch von innen kaum etwas erkennen, geschweige denn einen Tropfen Trinkwasser zu Gesicht bekommen. Die Wasserversorgung gehört zu der kritischen Infrastruktur und jegliche Verunreinigung des Trinkwassernetzes muss verhindert werden.
Unternehmenssprecher Peer Holdensen auf der Aussichtsplattform Eingangsbereich Wasserturm Mürwik
Dennoch ist es seit Jahren möglich, den Wasserturm am Volkspark als Aussichtsplattform zu besuchen. „Vom 1. Mai bis zum 30. September öffnen wir den Turm für die Öffentlichkeit“, berichtet Holdensen, „dann können Interessierte die Plattform in 26 Metern Höhe erklimmen oder auch mit einem Fahrstuhl befahren.“
Text und Fotos: Benjamin Nolte