Im Schenkungs- und Erbrecht gibt es viele Fristen, die zu beachten sind, so z. B. Ausschlagungsfristen, Anfechtungsfristen, Verjährungsfristen und auch immer wieder unterschiedlichste Zehnjahresfristen.

Es gibt unterschiedlich wirkende Zehnjahresfristen für die unterschiedlichen Regelungsbereiche im Schenkungs- und Erbschaftsrecht, je nachdem, ob es um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche oder um Steuerfreibeträge oder um sozialhilferechtliche Rückgriffsansprüche wegen Verarmung des Schenkers geht. Dies ist vielen Betroffenen nicht bekannt, sollte aber unbedingt frühzeitig in die Überlegungen zu lebzeitigen Schenkungen und zur Testamentsgestaltung mit einbezogen werden, damit es später keine bösen Überraschungen gibt.

Werden Schenkungen und Überlassungsverträge zu Lebzeiten vollzogen und dadurch die zu vererbende Vermögensmasse geschmälert, beginnt auch eine Zehnjahresfrist für sogenannte Pflichtteilsansprüche zu laufen, wobei der Schenkungswert Jahr um Jahr um 10 % gemindert wird. Eine Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt. Acht Jahre nach der Schenkung sind also nur noch 20 % des Schenkungswertes im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsberechnung zu berücksichtigen. Sind zehn Jahre seit der Schenkung verstrichen, bleibt die Schenkung gänzlich unberücksichtigt. Der Schenkungswert wird also auf zehn Jahre von 100 % bis zu 0 % abgeschichtet.

Diese Abschichtungsregelung gilt aber nicht bei Schenkungen unter Ehepartnern und in der Regel auch nicht bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bzw. bei Vorbehalt von Wohnungsrechten. Will man die Schenkung bestmöglich pflichtteils- bzw. pflichtteilsergänzungssicher machen, muss zeitnah auch der Lauf der Zehnjahresfrist beginnen und bis zum Erbfall müssen möglichst viele Jahre vergangen sein, damit später im Erbfall keine diesbezüglichen Ansprüche gestellt werden können. Dann sollte bei Schenkungen, sofern möglich, auf Nießbrauchs- und Wohnungsrechte verzichtet werden, es sei denn, die Schenkung erfolgt an den anderen Ehepartner. Da bei Schenkungen an den Ehepartner die Zehnjahresfrist ohnehin nicht läuft, ist in der Regel die Einräumung von Nießbrauchs- und Wohnungsrechten sinnvoll bzw. jedenfalls nicht schädlich. Dass die Zehnjahresfrist bei Schenkungen unter Ehepartnern nicht zu laufen beginnt, ist vielen Betroffenen völlig unbekannt. Trotzdem ist eine Schenkung auch unter Ehepartnern oft sinnvoll, da in der Regel der Immobilienwert zum Zeitpunkt der Schenkung zu berücksichtigen ist und sich ein Nießbrauchsvorbehalt wertmindernd auf den Schenkungswert auswirkt.

Im Schenkungs- und Erbschaftsteuerrecht besagt die dortige Zehnjahresfrist, dass Freibeträge alle zehn Jahre neu ausgeschöpft werden können. Das bedeutet, dass nach derzeitigem Recht alle zehn Jahre wiederkehrend Ehepartner Schenkungsfreibeträge von 500.000 €, Kinder nach jedem Elternteil von jeweils 400.000 € und fremde Dritte von jeweils 20.000 € haben. Auch nichteheliche Lebenspartner gelten hier als fremde Dritte.

Außerdem gibt es noch die Zehnjahresfrist für das Rückforderungsrecht des Sozialhilfeträgers bei Verarmung des Schenkers. Innerhalb einer Zehnjahresfrist kann der verarmte Schenker von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes fordern. Sofern der Schenker zum „Sozialfall“ wird, also seine eigenen Einkünfte /Renten zum Leben bzw. für das Pflegeheim nicht mehr ausreichen und Sozialhilfe /staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss, geht dieser Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers auf den entsprechenden Sozialhilfeträger über, der diesen Anspruch dann ebenfalls innerhalb der Zehnjahresfrist geltend machen kann. Auch diese Problematik ist vielen Betroffenen nicht geläufig. Für den Lauf dieser Zehnjahresfrist ist die Einräumung eines Nießbrauchsrechts allerdings unschädlich. Der Lauf der Zehnjahresfrist beginnt mit der Schenkung als solches, unabhängig davon, ob Nießbrauchs- oder Wohnungsrechte vorbehalten wurden.

Diese Beispiele zeigen, dass es nicht nur die „eine“ Zehnjahresfrist gibt, die bei Schenkungen und in Erbfällen zu berücksichtigen ist, sondern, je nachdem in welchem Rechtsgebiet man sich befindet, unterschiedliche Zehnjahresfristen mit unterschiedlichen Fristläufen und Konsequenzen zu berücksichtigen sind, deren Auswirkungen bereits vor der Ausgestaltung des jeweiligen Schenkungs- bzw. Überlassungsvertrages durchdacht und besprochen werden sollten.

Rechtsanwältin und Notarin Ulrike Czubayko Fachanwältin für Erbrecht Fachanwältin für Familienrecht in der Kanzlei KH&S Dr. Kruse, Hansen & Sielaff Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Rechtsanwälte, Fachanwälte, Notare, Stuhrsallee 35, 24937 Flensburg Tel. 0461 - 5 20 77 0

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