Am 13. Juni 1978 herrschte Völkerwanderung am neuen Grenzübergang der neuen Autobahn. Busse beförderten unzählige Schüler an die Grenze, aus Ellund eilten viele Schaulustige herbei. Ein großes Polizei-Aufgebot sorgte für Absperrungen. Der Grund: Staatsbesuch hatte sich angekündigt. Die dänische Königin Margrethe II. und Bundespräsident Walter Scheel gaben um exakt 10.55 Uhr die Autobahn und die Passkontrolle in Ellund für den Verkehr frei. Um 12.32 Uhr rollte das erste Auto durch den neuen Grenzübergang, der sich schnell zu einer Drehscheibe des deutsch-dänischen Grenzverkehrs entwickelte.
Dieser offizielle Festakt war der Endpunkt eines Projektes, das anderthalb Dekaden von der Idee bis zur Umsetzung benötigte. Die Autobahn
mit der Nummer sieben wurde im hohen Norden als uneingeschränkter Fortschritt bewertet. Sie brachte Erleichterungen beim Reisen und einen schnelleren Transport von Gütern. Noch in den 60er Jahren war eine Fahrt quer durch das nördlichste Bundesland nach Hamburg eine Geduldsprobe gewesen, die häufig in längeren Wartezeiten an der alten Rendsburger Klappbrücke gipfelte. Der Zeitgeist kannte praktisch keine kritischen Stimmen. Es gab noch keine Umweltschützer, die aufbegehrten, als Baumaschinen im Handewitter Staatsforst zehn Hektar Wald schluckten und im Meynautal wertvolle Natur zerstörten.
1963 waren in Bonn und Kopenhagen die Würfel für die Nord-Süd-Autobahn von Hamburg nach Dänemark gefallen. Wirtschaftliche und touristische Motive hatten für die „Autobahn mit Brücken-Funktion“ den Ausschlag gegeben. Der Bau der Autobahn von Hamburg bis zur Grenze vollzog sich in neun Abschnitten. Das 14,3 Kilometer lange Teilstück von Tarp bis zur Abfahrt an der ausgebauten Bundesstraße 199, dem „Sylt-Zubringer“, entstand von Oktober 1972 bis Juli 1976. 73 Millionen D-Mark kostete die Verkehrsachse, die sich über die Geest schlängelte. Das alte Handewitter Forsthaus wurde abgerissen. Im Garten stand ein 150 Jahre alter Lebensbaum. Das 18 Meter hohe, seltene Gewächs ragte mitten auf der vorgesehenen Trasse der Schnellstraße empor, sollte aber unbedingt erhalten werden. Deshalb rückten Bundeswehr-Pioniere an, um den 50-Tonnen-Koloss in stundenlanger Arbeit aus dem Boden zu lösen, in Drahtnetze zu verpacken und in einem stählernen Schlitten zu verschieben. Der Lebensbaum wurde 40 Meter weiter auf den späteren Rastplatz „Altholzkrug“ versetzt und wuchs gut an.
Der Fernstraßenbau benötigte große Mengen an Kies. Direkt in Handewitt, an der zukünftigen Autobahn-Abfahrt, schufen Bagger einen 100 mal 200 Meter großen Krater. Im Gemeinderat war man sich einig, diese Kiesgrube als Teich zu belassen. Die Kommune stellte einen Antrag auf Ausweisung als Naherholungsgebiet. Es war geplant, das Südufer für Angler und das Nordufer für Schiffsmodellbauer zu reservieren.
Bei der Nutzung des Baggersees entwickelten sich zwischen beiden Gruppen aber Spannungen. Der Motorenlärm der Modellfahrzeuge vertrug sich nicht mit den Ruhezonen der Fische. Heute ist der See das Vereinsgelände des Angelsportvereins Handewitt.
Am 13. Juli 1976 machte sich ein Tross auf den Weg von Tarp nach Handewitt – auf der gerade eingeweihten Autobahn. An der Spitze Ernst Haar, der parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, und Schleswig-Holsteins Innenminister Rudolf Titzck. Es dauerte zwar noch bis 1978, dass eine lückenlose Verbindung – der Abschnitt von Tarp nach Schuby fehlte – nach Hamburg bestand, aber
der Norden durfte sich schon einmal als Endpunkt der längsten deutschen Autobahn, der A7, die bis an die Alpen führt, fühlen. Die Abfahrt „Flensburg-Harrislee“ war die ersten beiden Jahre gleichzeitig das Ende der Autobahn. Die letzten vier Kilometer bis zur Grenze fehlten noch. Der schwierigste Eingriff erfolgte im Meynautal, wo 85.000 Kubikmeter Moor ausgetauscht werden mussten. Im Sommer 1978 war
der Weg nach Dänemark frei. Dänische Königin und Bundespräsident weihten den Grenzübergang Ellund ein.
Text: Jan Kirschner
Fotos: Dirk Hentschel, Manfred Hansen und Archiv Kirschner