Der am 15. März zum Flensburger Stadtrat gewählte Stephan Kleinschmidt ist, wie soll man es sagen, „anders“. Das zeigt sich schon am Ende des Gespräches mit dem Flensburg Journal. Mit dabei Rathaus-Pressesprecher Clemens Teschendorf. Als Kleinschmidt wie selbstverständlich seine Handynummer und seine eMail-Adresse überreicht, erntet er einen strafenden Blick des Rathausvertreters. Nein, hier ist der Amtsweg einzuhalten, soll das ausdrücken. Öffentlichkeitsarbeit ist Chefsache. Und Chef, besser Chefin ist die OB Simone Lange. Und Pressekontakte gehen über ihren und den Tisch ihres Pressesprechers.
Da werden sich alle Beteiligten noch ein wenig aneinander gewöhnen und die Spielregeln anpassen müssen. Kleinschmidt versteht sich als Deutscher in Dänemark, ist jetzt noch Vizebürgermeister von Sonderborg, gleichzeitig in der Kieler Staatskanzlei verantwortlich für die deutsch-dänischen Beziehungen. Welche Funktionen er zugunsten der neuen Tätigkeit im Flensburger Rathaus zurückstellen oder aufgeben muss, wird sich zeigen. Der 1977 Geborene ist ein lebendes Zeugnis für ein lebendiges, grenzüberschreitendes Wirtschafts- und Kulturzusammenwirken. Was hier immer wieder beschworen und als Beispiel für funktionierende Minderheitenpolitik herausgestellt wird, ist, zumindest auf der dänischen Seite, nicht selbstverständlich. Als der renommierte DANFOSS-Aufsichtsratsvorsitzende Jørgen Mads Clausen für den dynamischen Politiker einstand, setzte es Hiebe von konservativer Seite.
Kleinschmidt steckte das weg und setzt weiter auf Brückenbauen statt auf Gräben ziehen. Immerhin schaffte seine Schleswigsche Partei einen Achtungserfolg und brachte dem dynamischen Minderheitenvertreter das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters ein. Das Pendeln über die Grenze hinweg zeichnet auch seine berufliche Laufbahn aus. 2002 war er Projektleiter eines grenzüberschreitenden europäischen Interreg-Projektes. Er wechselte in die Privatwirtschaft und war bis 2010 Kommunikationsleiter der DAMP-Holding.
Gelernt hat der Südschleswiger seine Vermittlerfunktionen in Brüssel, Aarhus und Aabenraa. Die politischen Sporen erwarb er sich schon 2009 als Mitglied im „Braintrust“, einer deutsch-dänischen Denkfabrik. Vor allem aber setzte er sich für Sonderborg als Europäische Kulturhauptstadt ein. Dass die Wahl dann auf Aarhus und nicht auf Sonderborg fiel, verschmerzt er. Die mit der Bewerbung verbundene Zusammenarbeit Sonderborgs mit Flensburg hat die grenzüberschreitende Kulturzusammenarbeit gefördert. Davon ist er überzeugt.
Hoffnungsträger
Dieses Engagement hat ihm sicherlich auch bei der Bewerbung für den Flensburger Dezernentenposten geholfen. Simone Lange hat nach ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin eine neue Ebene in der Führung der Stadt eingeführt. Drei Dezernenten sollen die Arbeiten der Fachbereiche übergreifend koordinieren und nach außen vertreten. Mit einem politischen Mandat ausgestattet, soll die Verwaltung von der Außenpräsentation entlastet werden. Das hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten geführt. Zum einen fühlten sich die Verwaltungschefs in ihrer Arbeit durch Ansprüche der Bürger und Interessenvertreter bedrängt und behindert. Zum anderen preschten sie zuweilen mit eigenen Entscheidungen vor, die über ihre eigentlichen Verwaltungskompetenzen hinausgingen. So zumindest ist der Eindruck vieler Betroffener.
Die Dezernentenebene ist jetzt der Puffer, der die Verwaltung unbeeinflusster arbeiten lässt und für die Öffentlichkeit einen Ansprechpartner mit politischer Legitimation schafft.
Stephan Kleinschmidt verspricht, so die fast einhellige Meinung des Stadtparlaments, diesen Brückenbau erfolgreich zu schaffen. Ihm werden beide Fähigkeiten zugesprochen. Projekte in Gang zu setzen, zu verwalten und sie politisch engagiert zu vertreten, nicht über die Köpfe hinweg, sondern mit intensiver Kommunikation aller Beteiligten.
Dafür steht seine Aussage: „Ich navigiere in der politischen Landschaft und bewege mich im grenzüberschreitenden Kulturraum.“
Gefragt nach den Unterschieden im politischen Handeln nördlich und südlich der Grenze, sagt er sinngemäß: „Die Entscheidungswege in Deutschland sind länger. Manchmal fehlt es an Mut zu Beschlüssen.“
In Dänemark geht man oft hemdsärmeliger an Entscheidungen heran, wartet nicht, bis ein Gedanke zu 100% durchstrukturiert ist, sondern nimmt eine Erfahrung aus der Wirtschaft auf, die besagt, dass schon mit 80% ein gutes Ergebnis erreicht werden kann, die letzten 20% bis zur Perfektion unnötig viel Zeit und Energie verschlingen.
Bevor er neue Projekte angeht, will der neue Stadtrat und Dezernent Gespräche mit den Fachabteilungen im Flensburger Rathaus führen, insbesondere mit den ihm zugeteilten Bereichen Stadtentwicklung, Bildung, Sport und Kultur mit praktisch allen wichtigen Neubauplanungen von Grundschulen, Kitas und Sportstätten.
„Ich verstehe mich als Vertreter der Politik und des Vorstandes.“
Dieser Vorstand besteht aus der Oberbürgermeisterin Simone Lange sowie Bürgermeister Henning Brüggemann, zuständig für Finanzen und Immobilien-Management. Für den Bereich Zentrale Dienste, Sicherheit, Lebensqualität ist Maria-Theresia Schlütter zuständig. Und neu ist nun Stephan Kleinschmidt. Die zukünftige Aufgabe wird dem Neu-Flensburger Politiker Steh- und Ausdauervermögen abverlangen. Die körperlichen und geistigen Voraussetzungen bringt er mit. Trotz der vielfältigen Aufgaben hat er neben dem Skilaufen eine hervorragende Zeit beim Marathon mit 3:21:12 Stunden vorzuweisen.
Bericht: Dieter Wilhelmy, Fotos: Thomas Becker