Kay Richert ist seit gut zwei Dekaden in der Freien Demokratischen Partei, kurz FDP. Drei Buchstaben, die sich auch gut für eine ganz kurze Beschreibung seines Lebens verwenden lassen: F wie Familie, D wie Dienst in der Bundeswehr und P wie Politik. Und wenn man seine Biographie betrachtet, erblickt man durchaus einen bodenständigen Lokalpatriotismus. Aber auch der berühmte Blick über den Tellerrand war immer wieder ein Wegbegleiter im Leben des 51-Jährigen.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
Zu Gast auf dem SSW-Parteitag (Foto: Erik Jäger)

Dieser „Flensburger Kopf“ wohnt am Stadtrand und hat die Kreisstadt Schleswig als Geburtsort im Pass stehen. In seinem Foto-Album tauchen aber Bilder aus der Kindheit auf, die so gar kein norddeutsches Gepräge haben und auch nicht in irgendeinem Urlaub entstanden sind. Der Vater war Berufssoldat, gehörte dem Marineflieger-Geschwader in Jagel an, wurde dann aber tief in den Süden, nach Kaufbeuren an die technische Schule der Luftwaffe, versetzt. Im Ostallgäu besuchte Sohn Kay die Spiele der Eishockey-Cracks vom ESV Kaufbeuren, spielte Handball für den TSV Marktoberdorf und lernte vor allem das bayrische Schulsystem kennen. Als der Vater dann in den Norden – jetzt zum Marineflieger-Geschwader in Eggebek – zurückkehrte und sich mit seinen Lieben in Tarp niederließ, hatte der Filius keinerlei Probleme, in der achten Klasse am Gymnasium in Satrup mitzuhalten. „Aufgrund meiner Kindheit in Süddeutschland habe ich früh festgestellt, dass auf verschiedene Arten Dinge gelöst werden können“, erzählt Kay Richert. „Mal eignet sich das eine besser, das andere Mal das andere.“

Die Bundeswehr hat fast sein ganzes Leben begleitet. Nach dem Abitur rief 1992 die Wehrpflicht. Die Grundausbildung absolvierte das Nordlicht im nordbadischen Philippsburg, die anderen Monate des Wehrdienstes verbrachte es im oberpfälzischen Hemau (bei Regensburg), einem kleinen Ort ohne Bahnhof. Wegen der großen Entfernung waren die Wochenenden in der Heimat immer kurz. Kay Richert kann sich noch gut daran erinnern, dass er häufig am Sonntagabend um 20.44 Uhr in Hamburg-Altona einen Zug in den Süden bestieg und mitten in der Nacht im zu Hemau nächstgelegenen Bahnhof vom Bundeswehr-Fahrdienst eingesammelt wurde. Manchmal bekam er aber auch zu hören: „Richert, Sie machen Wache! Sie haben doch ohnehin nur ein kurzes Wochenende!“

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
2020 Interview zum Thema Werkverträge (Foto: Erik Jäger)

Das richtige Studium wählen

Im Süden bleiben wollte er nicht. Es lockten der Norden und speziell Flensburg, wo die Jugend die Freitags- und Samstagsabende an der „Küste“ schätzte. Kay Richert hatte Deutsch und Englisch beim Abitur als Leistungskurs sowie Geschichte als Prüfungsfach, jetzt schrieb er sich an der Pädagogischen Hochschule mit diesem Fächer-Kanon ein. In der Swinemünder Straße – zufällig am Hintereingang der Marine-Fernmeldeschule – bezog er seine erste eigene Wohnung. Das erste Studium mit der Richtung Grund- und Hauptschullehrer weckte aber nur kurz Begeisterung. „Meine Vorstellungen entsprachen nicht der Realität“, sagt er mit einem Schmunzeln. Stattdessen jobbte er. Er stand am Fließband bei „Bommerlunder“, packte im Lager im Hamburger Hafen mit an, sammelte seine Erfahrungen in der nächtlichen Gastronomie und war auf Baustellen in Flensburg und Umgebung als Hilfsarbeiter unterwegs. Zeitweise war er auch für die Landesbausparkasse tätig. Danach verstand Kay Richert nicht nur die Baufinanzierung, sondern unterhielt sich auch bevorzugt auf Plattdeutsch: „Auf dem Lande ist man damals mit Hochdeutsch nicht so weit gekommen“, lächelt er.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
Als MdL: Praktikum bei Bäckerei Raffelhüschen (Foto: Erik Jäger)

Irgendwann stieß er auf den deutsch-dänischen Studiengang „Betriebliche Bildung und Management“, einem Vorläufer von „International Management“. Der junge Mann lernte Dänisch und hatte nach nur drei Semestern wieder eine andere Idee. An der Hochschule des Bundes studierte er Verwaltungswirtschaft, legte mit dem entsprechenden Dienstherrn den Schwerpunkt auf die Bundeswehr-Verwaltung und wohnte auf dem Mannheimer Campus im Wohnheim – fern der Heimat. Da war er wieder: der Blick über den Tellerrand, den schon vor Dekaden junge Gesellen mit der Walz praktizierten. Oder die in verschiedenen Städten studierende Bildungselite, die in unterschiedlichen Umgebungen lernen sollte, wie man es anders machen kann, um so die Entwicklung der Persönlichkeit zu fördern.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause

Beruf und Familie

Kay Richert war drei Jahre in Nordbaden, aber auch in dieser Zeit ein Nordlicht, das mit anderen Nordlichtern zu den Wochenenden in den Norden pendelte. Er hatte inzwischen seine heutige Ehefrau Inga kennengelernt. Am Hafendamm hatten sie eine gemeinsame Wohnung, und Sohn Niels war bereits geboren. 2003 schlug der frischgebackene Diplom-Verwaltungswirt die Inspektoren-Laufbahn im gehobenen Dienst der Bundeswehr-Verwaltung ein. Die erste Stelle: die Flensburger Marineschule. Er nahm Aufgaben in der Personalentwicklung, der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie im Management von wehrtechnischen Liegenschaften wahr.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
2019 am Museumshafen (Foto: Björn Biel)

Der junge Beamte zog in die Flensburger Gartenstadt – mit seiner wachsenden Familie. Tochter Ida und Emil, der zweite Sohn, wurden geboren. Der Traum vom Eigenheim erfüllte sich ausgerechnet dort, wo einst die Soldaten der Briesen-Kaserne residierten. Kay Richert bezeichnet sich als Familienmenschen, war allerdings auch viel unterwegs. „Ohne die Unterstützung meiner Frau wäre das alles nicht möglich gewesen“, weiß der 51-Jährige. Beruflich war er zwar meist in der Region tätig, es gab aber auch Etappen im Bundesverteidigungsministerium zu Bonn oder in der Wehrbereichsverwaltung Nord in Kiel.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
2018 Praxistest sog. „Parklets“ am Twedter Plack

Eintritt in die FDP

Daneben erwachte das politische Engagement. „Die Gesellschaft lebt davon, dass man sich politisch beteiligt“, betont Kay Richert. „Wenn sich alle zurücklehnen, dann bewegt sich nichts.“ Vor rund 20 Jahren betrachtete er drei Parteiprogramme: die von CDU, SPD und FDP. Beim dritten befand er die freiheitlich demokratische Gesellschaftsordnung als sehr gut abgebildet und sympathisierte besonders mit dem Freiraum für jeden einzelnen. „Man kann mit Fleiß und Bildung einen sozialen Aufstieg erreichen“, betont Kay Richert und erzählt von seiner Familie. Sein Großvater war als Bottroper Bergbaukumpel das halbe Leben unter Tage gewesen.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
2018 Arbeitsgruppe Deutsch-Skandinavische Wirtschaftsbeziehungen

Kurzum: Er trat in den Flensburger FDP-Kreisverband ein, der mit 40 Mitgliedern eine eher überschaubare Größe hatte. Rasch arbeitete der Novize im Vorstand mit und wurde 2013 sogar in den Stadtrat gewählt. „Ratsherr ist wie ein Zweitjob – aber ehrenamtlich“, sagt Kay Richert pointiert. Er war nicht nur Vorsitzender der FDP, sondern führte auch die Fraktion. Besonders beschäftigte ihn die wirtschaftliche Entwicklung und der städtische Haushalt. Und er vertrat seinen Wohnort, den Stadtteil Weiche, wo seine Kinder die Oksevejens Skolen besuchten und früh in den Genuss einer Zweisprachigkeit kamen. „Wenn man in der Grenzregion lebt, ist es wichtig die Kultur und die Gesellschaft des Nachbarlandes richtig zu verstehen“, erklärt der Familienvater.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
Mit Reiner Hoffmann, ehem. DGB-Vorsitzender

Eine Wahlperiode im Landtag

2017 war Landtagswahl und die FDP erreichte mit 11,5 Prozent ein für ihre Verhältnisse stolzes Ergebnis. Kay Richert hatte einen guten Platz auf der Landesliste und war plötzlich Abgeordneter. „Es war schon etwas gewöhnungsbedürftig, da öffneten sich plötzlich Türen, die sonst verschlossen geblieben wären“, erinnert er sich. Er traf auf Berufspolitiker, die bis auf Kreißsaal, Hörsaal und Plenarsaal nur wenig Berufs- und Lebenserfahrung aufwiesen, und war zugleich Mitglied in einer der drei Regierungsparteien, die nun die Entscheidungen für ein Bundesland trafen. Der Flensburger arbeitete an der Seite des Parteifreundes und Wirtschaftsministers Bernd Buchholz, war stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und leitete den gemeinsamen Wirtschaftsarbeitskreis der Jamaika-Koalition. Innerhalb der FDP hatte Kay Richert zwei Sprecher-Funktionen: zum einen für Wirtschaft, Verkehr und Arbeitsmarktpolitik, zum anderen für Angelegenheiten der nationalen Minderheiten.

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
2022 Treffen mit dem Betriebsrat der FSG

Parallel saß er weiterhin im Flensburger Stadtrat – bis er 2020 sein Mandat abgab. Das hing allerdings nicht mit der einschneidenden Corona-Pandemie zusammen, wie er betont, sondern mit parteiinternen Überlegungen. Der junge Christoph Anastasiadis, der im letzten Jahr auch den FDP-Vorsitz übernommen hat, rückte nach. Weil für Kay Richert mit der Landtagswahl 2022 die Kieler Zeit wieder beendet war, ist er derzeit „nur“ einfaches Parteimitglied. Aber eines, das sich mit Rat, Tat und Netzwerk einbringen kann. Beruflich ist heute – natürlich – wieder die Bundeswehr das Standbein. Der 51-Jährige ist derzeit am Nato-Flugplatz in Jagel in der Bundeswehr-Verwaltung beschäftigt.

Glücksburg und weitere Ehrenämter

Denkbar, dass sich in nicht weniger als einem Jahr die täglichen Fahrten verkürzen werden. Kay Richert hat seine Absicht erklärt, Bürgermeister von Glücksburg, dem beschaulichen Städtchen in der Flensburger „Halskrause“, zu werden. Die Amtsinhaberin tritt nicht wieder an. Er hat bislang FDP und CDU im Rücken und befindet sich mit anderen Parteien im Gespräch. Die Wahl ist wohl im Herbst, Gegenkandidaten sind bislang noch nicht aufgetaucht. Anders als 2010 und 2016, als sich im großen Flensburg etliche Mitbewerber meldeten und Kay Richert als FDP-Kandidat respektable Ergebnisse erreichte. „Glücksburg ist ein Ort, in dem man sehr gut wohnen und leben sowie Natur und Kultur genießen kann“, erklärt er. „Und das Job-Profil passt perfekt zu meinen Kompetenzen. Ich habe Verwaltung gelernt, habe reichlich politische Erfahrung, und auch das Ehrenamt ist mir sehr gut bekannt.“

Kay Richert – Bei der Bundeswehr und in der Politik zuhause
Zur Einweihung der Sönke-Voss-Halle

Und das nicht nur in der Politik, sondern auch auf ganz anderen Gebieten. So unterstützt Kay Richert als Berater der Geschäftsführung die Regionalliga-Fußballer des SC Weiche 08. Er sitzt im Vorstand des ADS-Grenzfriedensbundes, einem Sozialwerk, das sich der kulturellen Arbeit und vor allem der Trägerschaft mehrerer Kindergärten verschrieben hat. Im Stadtteil Weiche fungiert er als Vorsitzender des Vereins Heilandskapelle e. V., die nicht völlig in den Betrieb der Unesco-Projektschule integriert ist. Dieses Gebäude dient auch als Begegnungsstätte und als kultureller Veranstaltungsort. Und es verwundert nicht, dass auch bei den Ehrenämtern die Bundeswehr auftaucht. Kay Richert gehört im Reservisten-Bundesverband dem Landesvorstand an, bearbeitet das Feld der Sicherheitspolitik und befindet sich im Austausch mit der dänischen Seite.

Text: Jan Kirschner
Fotos: privat, Kirschner   

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